Keine Meteoriten, sondern Dampflöcher
Redaktion /
Pressemitteilung des Forschungsverbundes Berlin e.V. astronews.com
23. Januar 2009
Im Umkreis von Berlin konnte man in den letzten Tagen ein
interessantes Phänomen beobachten: Im Eis von zugefrorenen Seen zeigten sich im
ufernahen Bereich eigenartige Löcher. Könnte es sich hier um
Meteoriteneinschläge handeln oder war vielleicht aufsteigendes Methangas die
Ursache? Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und
Binnenfischerei haben eine andere Erklärung.
Eisloch in einem
Berliner See.
Foto: Gesine Wiemer/FVB |
Dass es sich bei den merkwürdigen Löchern, die viele Einheimische
zum ersten Mal beobachten konnten, um Meteoriteneinschläge handelt, war von
Anfang an recht unwahrscheinlich: Ein solches Ereignis hätte im Großraum Berlin
für einiges Aufsehen gesorgt und wäre wohl kaum unbemerkt geblieben.
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei
haben dann auch eine ganz andere Erklärung für das Phänomen - die mit dem
plötzlichen Wintereinbruch zu tun hat.
Meistens, so heißt es in einer Pressemitteilung, gibt es im Winter einen
allmählichen Temperaturrückgang, bei dem auch der Seegrund in flachen Bereichen
auskühlt. Dieser Winter war zum Jahresende jedoch noch recht mild und der Boden
der Seen nicht sehr kalt. Zum Jahreswechsel gab es eine abrupte Abkühlung, so
dass sich in den ersten Januartagen schnell eine rund 20 Zentimeter starke
Eisdecke gebildet hat, die kaum von Schnee abgedeckt war.
Der ohnehin recht warme Grund des Sees ist durch die Sonnenstrahlung, die
durch das schneefreie Eis eindringen konnte, in den flacheren Seebereichen
zusätzlich erwärmt worden, so dass unmittelbar über dem Seeboden das Wasser auf
über 4 Grad Celsius erwärmt wurde. Damit entstand im gesamten Freiwasser unter
dem Eis eine so genannte Konvektionsströmung, die das wärmere Wasser im Zentrum
der Konvektionszellen beständig nach oben transportiert. Diesen äußerst
effektiven Transportprozess kann man auch in einem von unten erwärmten
Wasserkochtopf beobachten.
Der aufwärtsgerichtete "Warmwasser"-Strahl schmilzt sich von unten durch die
Eisdecke. Daher stammt auch das charakteristische sternförmige Muster auf der
Eisoberfläche, das die konvektive Strömung unter dem Eis widerspiegelt. Ähnliche
Muster kann man auch in einem ganz einfachen Experiment zuhause reproduzieren:
Man gießt einen Schluck kalter Milch in eine Tasse heißer Schokolade und sieht
die Konvektionszellen, wenn sich die Schokolade nur langsam mit der Milch
vermischt. Das bei milden Lufttemperaturen offene symmetrische Loch kann je nach
Ausmaß der Konvektionszellen eine Größe von wenigen Zentimetern bis wenigen
Metern erlangen und bei starkem Frost auch wieder zufrieren.
Die wohl erste dokumentierte Beobachtung solcher Strukturen stammt aus dem
Jahr 1909 von dem Österreichischen Limnologen Götzinger, der dem Phänomen den
Namen "Dampflöcher" gegeben hat - ein deutscher Begriff, der auch heute noch in
der englischsprachigen Fachliteratur auftaucht. Wie die Löcher aber entstehen,
war lange unklar, bis schließlich Meteorologen auf die richtige Spur kamen. Sie
zogen Parallelen zur Entstehung von Wolken in der unteren Atmosphäre und damit
kam die "Konvektion" ins Spiel.
Einer der Ersten, der die Schmelzstrukturen von Flachgewässern
wissenschaftlich beschrieben hat, war der Geophysiker Alfred Woodcock, in dessen
Arbeit von 1965 ein Foto abgebildet ist, das den Bildern vom ufernahen Eis in
Berlin im Januar 2009 völlig gleicht.
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