Sternentstehung um das Schwarze Loch
von Stefan Deiters astronews.com
23. Januar 2009
Im Zentrum der Milchstraße haben Astronomen in den letzten
Jahren zahlreiche junge Sterne aufgespürt, die ihnen einiges an Kopfzerbrechen
bereiten. Die harschen Bedingungen sollten nämlich eine Entstehung von Sternen
in dieser Region eigentlich unmöglich machen. Jetzt haben Forscher aber Hinweise
dafür entdeckt, dass in unmittelbarer Nähe des zentralen Schwarzen Lochs
tatsächlich Sterne entstehen können.
So stellt sich
ein Künstler das galaktische Zentrum vor. Die
Existenz der jungen, blauen Sternen können sich
die Astronomen nur schwer erklären.
Bild: NASA, ESA, und A. Schaller (für
STScI) |
Das Zentrum der Milchstraße ist ein unwirtlicher Ort: Ein
supermassereiches Schwarzes Loch mit der vielleicht vier Millionen-fachen Masse
unserer Sonne sorgt für gewaltige Gezeitenkräfte, die große Molekülwolken, in
denen für gewöhnlich Sterne entstehen, schnell auseinanderreißen. Trotzdem hat
man aber hier junge Sterne entdeckt, über deren Herkunft die Astronomen seitdem
rätseln. Manche Forschergruppen haben vorgeschlagen, dass die jungen Sterne
woanders entstehen und durch gravitative Wechselwirkungen ins Zentrum gelangen
(astronews.com berichtete). Vielleicht aber ist dieser Trick gar nicht nötig,
denn Astronomen fanden nun Hinweise dafür, dass in der Nähe des
supermassereichen Schwarzen Lochs tatsächlich Sternen entstehen können.
Mit Hilfe des Very Large Array, einer Zusammenschaltung mehrerer
Radioteleskope, haben Wissenschaftler des Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics (CfA) und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie jetzt
zwei Protosterne aufgespürt, die nur wenige Lichtjahre vom galaktischen Zentrum
entfernt sind. "Wir haben diese Sterne wirklich während ihrer Entstehung
erwischt", erläutert Elizabeth Humphreys vom CfA, die die Ergebnisse in diesem
Monat auf einer Tagung vorstellte.
Das Zentrum unserer Milchstraße ist nicht leicht zu erforschen, da es von
dichten Staub- und Gasschwaden verborgen ist. Deswegen ist es im sichtbaren
Bereich des Lichtes nicht zu beobachten, so dass man auf infrarote Wellenlängen
oder den Radiobereich ausweichen muss. Humphreys und ihre Kollegen suchten nach
sogenannten Wassermasern, bestimmten Radiosignalen, die von Protosternen
ausgesandt werden, die sich noch in ihrem Geburtskokon befinden.
Die Astronomen fanden zwei dieser Protosterne nur zehn Lichtjahren vom
galaktischen Zentrum entfernt. Zusammen mit einem weiteren, zuvor entdeckten
Protostern verdeutlichen die Funde nach Ansicht der Wissenschaftler, dass es im
Zentrum der Milchstraße tatsächlich Sternentstehung gibt.
Die Resultate lassen zudem vermuten, dass das molekulare Gas im galaktischen
Zentrum dichter ist als ursprünglich angenommen. Dadurch wäre es für
Molekülwolken leichter, den Gezeitenkräften des Schwarzen Lochs zu widerstehen
und doch zu neuen Sternen zu kollabieren. Die jetzt veröffentlichten
Beobachtungen werden zudem von Computersimulationen gestützt, die auch
Sternentstehung innerhalb von nur wenigen Lichtjahren um das Schwarze Loch
vorhergesagt hatten.
"Wir verstehen die Bedingungen rund um das galaktische Zentrum noch nicht
sehr gut", meint Humphreys. "Durch die Kombination von Beobachtungen wie unseren
mit theoretischen Arbeiten, hoffen wir aber einen besseren Eindruck davon zu
bekommen, was im Zentrum unserer Galaxie passiert. Und diese Ergebnisse kann man
dann auch auf weiter entfernte Galaxien übertragen."
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