Schwarze Löcher unter falschem Verdacht
von Stefan Deiters astronews.com
22. Januar 2009
Aktive Galaxienkerne, also massereiche Schwarze Löcher im
Zentrum von Galaxien, die so viel Material verschlingen, dass sie hell leuchten,
standen lange Zeit im Verdacht, für das Ende der Sternentstehung in ihrer
jeweiligen Wirtsgalaxie verantwortlich zu sein. Eine Untersuchung eines
internationalen Astronomenteams hat sie allerdings jetzt von diesem Vorwurf
freigesprochen.
Was stoppt die Sternentstehung in aktiven
Galaxien? Hier ein Bild der Zirkel-Galaxie.
Bild:
Andrew S. Wilson (University of Maryland);
Patrick L. Shopbell (Caltech); Chris Simpson
(Subaru Telescope); Thaisa Storchi-Bergmann and
F. K. B. Barbosa (UFRGS, Brazil) und Martin J.
Ward (University of Leicester, U.K.) und NASA/ESA
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Die Beweislage schien eigentlich eindeutig und der Sachverhalt war
nachvollziehbar: Aktive Galaxienkerne, also supermassereiche Schwarze Löcher in
den Zentren junger Galaxien, die mit hoher Rate Material aus ihrer Umgebung
verschlingen, unterbinden ab einer bestimmten Größe die Sternentstehung in ihrer
Wirtsgalaxie. Grund dafür sollte die intensive Strahlung sein, die beim
Verschlingen großer Mengen an Material frei wird und das Gas der Galaxie so
erhitzt, dass es nicht mehr abkühlen und zu neuen Sternen kollabieren kann.
Doch offenbar hat die Beweiskette einen Fehler: Die Sternentstehung endet
nämlich deutlich vor dem Zeitpunkt, zu dem der aktive Galaxienkern hell zu
leuchten beginnt. "Die Phase größter Helligkeit, wenn die aktiven Galaxienkerne
am leuchtkräftigsten und energiereichsten sind, ist nicht die Phase, die für das Ende der
Sternentstehung verantwortlich ist", erklärt Kevin Schawinski von der
amerikanischen Yale University. Schawinski ist auch Hauptautor eines
Fachartikels über die Ergebnisse des Astronomenteams, der im Februar in der
Zeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheinen wird.
Für ihre Untersuchung haben die Astronomen Bilder von 177 Galaxien
analysiert, um ein möglichst umfassendes Bild von Galaxien mit einem aktiven
Kern zu erhalten. Bislang waren viele Astronomen davon ausgegangen, dass man in
Galaxien, in denen noch in großem Umfang Sterne entstehen, nur deswegen keine
aktiven Galaxienkerne sehen kann, weil sie vom Staub und Gas der Galaxie
verdeckt sind. Schawinski konnte nun zeigen, dass es in Wirklichkeit gar keine
hellen aktiven Galaxienkerne im Zentrum von Galaxien mit Sternentstehung gibt.
Das Team entdeckte, dass in allen Galaxien mit einem hellen aktiven
Galaxienkern die Sternentstehung schon viele Hundert Millionen Jahre früher zum
Erliegen gekommen war. "Das wichtigste Ergebnis ist, dass in Galaxien, in denen
Sterne entstehen, die aktiven Galaxienkerne fehlen", erläutert Teammitglied
Megan Urry von der Yale University. "Daraus kann man schließen, dass die aktiven
Galaxienkerne erst lange nach dem Zeitpunkt hell werden, zu dem die
Sternentstehung aufgehört hat."
"Zum ersten Mal haben wir eine echte Verzögerung zwischen dem Ende der
Sternentstehung und dem Aufleuchten eines hellen aktiven Galaxienkerns
gemessen", so Schawinski. Somit müssen die Astronomen nun nach einem neuen
Schuldigen suchen, der für das Ende der Sternentstehung in diesen Galaxien
verantwortlich ist. "Vielleicht ist eine frühere, weniger leuchtkräftige Phase
dafür verantwortlich. Auf jeden Fall zeigen die Ergebnisse deutlich, dass unsere
bisherige Idee etwas zu einfach war."
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