Die Vergangenheit der kosmischen Winzlinge
Redaktion /
Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
15. Januar 2009
Die kleinsten Galaxien des Universums leuchten viel
schwächer, als es für Sternenhaufen ihrer Gewichtsklasse zu erwarten wäre.
Astronomen der Universität Bonn präsentieren nun eine Erklärung für dieses
überraschende Phänomen: Nach ihren Berechnungen beheimaten die so genannten
ultrakompakten Zwerggalaxien außergewöhnlich viele Neutronensterne und Schwarze
Löcher. Sie sind die letzten Zeugen einer gleißend hellen Vergangenheit.
Das Zentrum des Fornax-Galaxienhaufens: Rechts oben sind die
beiden zentralen Riesen-Elliptischen Galaxien des
Haufens zu erkennen. Oben links ist vergrößert eine der ultrakompakten Galaxien
dargestellt. Bild:
Dr. Michael Hilker / Universität Bonn [Ausführlicher
Artikel zu diesem Bild aus dem Jahr 2003] |
Sie sind die kleinsten unter den Galaxien im Weltall: Ultrakompakte
Zwerggalaxien (UCDs, oder ultra compact dwarf galaxies) sind so klein,
dass Astronomen sie beim Blick durch das Teleskop lange Zeit für ganz normale
Sterne der Milchstraße gehalten hatten. Erst als vor rund zehn Jahren der Bonner
Astronom Michael Hilker und der Australier Michael Drinkwater das Lichtspektrum
dieser vermeintlichen Einzelsterne genauer analysierten, entpuppten sie sich als
unvergleichlich kompakte Ansammlung von Sternen.
UCDs ähneln in vielen Aspekten den einfachen Kugelsternhaufen, die Galaxien
wie unser Milchstraßensystem umgeben. Wegen ihrer ungeheuren Masse zählen
Astronomen sie aber häufig zu den Galaxien: Sie sind bis zu hundert Mal schwerer
als die massereichsten Kugelsternhaufen. Diese Masse konzentrieren die
Zwerggalaxien zudem auf engstem Raum, daher das "ultrakompakt" in ihrem Namen.
Sie sind etwa hundertmal kleiner als durchschnittliche Galaxien. "Der Abstand
von unserer Sonne zum galaktischen Zentrum der Milchstraße beträgt etwa 30.000
Lichtjahre. UCDs sind höchstens hundert Lichtjahre groß", verdeutlicht Jörg
Dabringhausen, Doktorand am Argelander-Institut für Astronomie der Universität
Bonn, die Dimensionen.
Bei den Spektralanalysen der UCDs machten Astronomen schon früh eine
überraschende Entdeckung: "Diese Zwerggalaxien müssten angesichts ihrer großen
Masse eigentlich mehr Helligkeit aussenden", erläutert Dabringhausen, der
zusammen mit Kollegen nun in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the
Royal Astronomical Society ein theoretisches Modell vorstellt, das diese
Licht-Masse-Anomalie der UCDs erklären kann.
Die Lösung sind astronomische Objekte, die viel Masse beisteuern, aber kein
Licht aussenden. Diese Eigenschaften erfüllen zwei astronomische Extremisten,
die den Endpunkt in der Biographie besonders massereicher Sternen darstellen:
Neutronensterne und Schwarze Löcher. "Beide sind im All weit verbreitet", weiß
Pavel Kroupa, der die Arbeitsgruppe Astrophysics of Stellar Populations,
Dynamics and Dark Matter am Argelander-Institut leitet. "Es sollte sie aber
in den UCDs besonders häufig geben."
Nach den Berechnungen der Bonner Astronomen gab es in den UCDs nämlich
ursprünglich besonders viele massereiche Sterne. So machen in unserer
Heimatgalaxie Sterne mit mehr als acht Sonnenmassen nur etwa 23 Prozent der
Gesamtmasse aller entstehenden Sterne aus. In den UCDs müsste dieser Wert bei
bis zu 90 Prozent gelegen haben. "Weil die UCDs aber sehr alte Objekte sind,
haben diese schweren Sterne bereits den Endpunkt ihrer Entwicklung erreicht und
wurden zu Neutronensternen oder Schwarzen Löchern", erklärt Kroupa.
UCDs müssen ursprünglich wahre Schmelztiegel gewesen sein; vor allem, wenn
man bedenkt, dass sie bei ihrer Geburt noch enger gepackt waren, als sie es
heute schon sind. "Zwei Protosterne in einer jungen UCD waren sich tausendmal
näher als heute unserer Sonne und der nächste benachbarte Stern", rechnet
Dabringhausen vor. Bei solch extrem hohen Sterndichten müssen die jungen Sterne
zu exotischen und bisher unbekannten sternähnlichen Objekten verschmolzen sein,
vermuten die Bonner Forscher.
"Durch die Verschmelzung der Protosterne müssen die UCDs in diesem
Stadium ihrer Entwicklung gleißend hell gewesen sein", so Dabringhausen. Nach
Berechnungen der Bonner Forscher hatten UCDs in ihrem Anfangsstadium die
Leuchtkraft einer großen Galaxie, und das konzentriert auf einen Raum von nur
etwa einhundert Lichtjahren Durchmesser.
Die extremen Bedingungen in diesem Stadium haben Konsequenzen für die
Astrophysik dieses Galaxientyps: "Das Strahlungsfeld im Inneren der UCDs war so
stark, dass die Sternentstehung und die eigentliche Struktur der Sterne völlig
neu berechnet werden müssen", so die Forscher. Bisher gibt es hierzu aber noch
keinerlei theoretische Arbeiten. Wenn sich die Berechnungen der Bonner
Astronomen also bestätigen, zählen ultrakompakte Zwerggalaxien zu den extremsten
Orten im Universum, an denen Sterne entstanden sind.
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