Wie Dunkle Energie das Wachstum bremst
von Stefan Deiters astronews.com
17. Dezember 2008
Mithilfe des Röntgenteleskops Chandra konnten
Astronomen jetzt verfolgen, wie die mysteriöse Dunkle Energie das Wachstum von
riesigen Galaxienhaufen behindert. Zusammen mit früheren Untersuchungen liefern
die neuen Beobachtungsdaten nach Ansicht der Wissenschaftler die bislang besten
Indizien für die wahre Natur der Dunklen Energie und erlauben einen Ausblick auf
das Schicksal des Universums.
Der
Galaxienhaufen Abell 85 in 740 Millionen
Lichtjahren Entfernung. Für diese Ansicht wurden
Röntgendaten von Chandra (lila) und optische
Daten kombiniert. Die Chandra-Daten zeigen das
heiße Gas zwischen den Galaxien des Haufens.
Bild: NASA / CXC / SAO / A.Vikhlinin et
al. (Röntgendaten); SDSS (Optisch) |
Die jetzt vorgelegten Ergebnisse sind das Resultat einer
mehrjährigen Untersuchung und liefern unabhängige Daten zur Existenz und den
Auswirkungen von Dunkler Energie im Universum. Die Röntgenbeobachtungen zeigen,
wie die Dunkle Energie, die für eine beschleunigte Expansion des Universums
verantwortlich gemacht wird, das Wachstum großer Strukturen beeinflusst. Dabei
konkurriert die Anziehungskraft der Masse mit der beschleunigten Expansion.
Um was es sich bei der Dunklen Energie, die nach Ansicht der Wissenschaftler
heute unser Universum dominiert, wirklich handelt, ist bislang vollkommen
unklar. Es könnte sich um eine Form von Einsteins kosmologischer Konstante
handeln und somit quasi um den Energiegehalt des Vakuums. Sie könnte aber auch
auf einen Änderung der Gesetze der allgemeinen Relativitätstheorie auf sehr
großen Entfernungen oder auf die Effekte eines bislang unbekannten
physikalischen Feldes zurückzuführen sein. Um herauszufinden, welche dieser
Ideen der Wahrheit am nächsten kommt, habe die Astronomen nun versucht zu
ermitteln, wie die durch die Dunkle Energie beschleunigte Ausdehnung des Alls
das Wachstum von großen Galaxienhaufen beeinflusst. Diese Galaxienhaufen sind
die größten zusammenhängenden Strukturen im Universum.
"Was immer die Expansion des Universums antreibt, bremst auch gleichzeitig
seine Entwicklung", meint Alexy Vikhlinin vom Smithsonian Astrophysical
Observatory im amerikanischen Cambridge, der die Studie leitete. Vikhlinin
und seinen Kollegen haben mit Hilfe des Röntgenteleskops Chandra das
heiße Gas in Dutzenden von Galaxienhaufen in ganz unterschiedlicher Entfernung
untersucht. Die Astronomen stellten dabei fest, dass das beobachtete Wachstum
der Galaxienhaufen mit einem von Dunkler Energie dominiertem Universum
übereinstimmt. Die Entstehung von Strukturen wie Galaxienhaufen sollte nämlich
deutlich schwieriger sein und damit langsamer ablaufen, wenn der Raum durch eine
beschleunigte Expansion gedehnt wird. Die Beobachtungsdaten sprechen zudem
dafür, dass die Gesetze der allgemeinen Relativitätstheorie auch in großer
Entfernung gelten.
"Viele Jahre haben Wissenschaftler versucht herauszufinden, wie
Gravitation auf großen Skalen wirkt und jetzt haben wir endlich Ergebnisse",
meint Vikhlinins Kollege und Gruppenmitglied William Forman. "Bei diesem Test
hätte die allgemeine Relativitätstheorie auch durchaus durchfallen können."
Kombiniert mit anderen Resultaten deuten die neuen Untersuchungen darauf hin,
dass die Dunkle Energie am ehesten mit einer kosmologischen Konstante verglichen
werden kann, obwohl es hier noch erhebliche Diskrepanzen zwischen den
Vorhersagen der Modelle und den Beobachtungen gibt.
"Wenn man alle Daten zusammen betrachtet, erhalten wir sehr starke Hinweise
darauf, dass es sich bei der Dunklen Energie um die kosmologische Konstante
handelt", so Vikhlinin. "Oder mit anderen Wort: Das Nichts wiegt etwas.
Allerdings sind noch viele weitere Tests nötig. Aber bis jetzt sieht Einsteins
Theorie immer noch so gut wie immer aus."
Wenn die Astronomen recht behalten, hat dies auch Konsequenzen für das
Schicksal des Universums: So wird sich das Weltall immer schneller ausbreiten
und unsere lokale Gruppe nie mit dem Virgo-Galaxienhaufen verschmelzen. Im
Gegenteil: In vielleicht Hundert Milliarden Jahren würden alle ferneren Galaxien
aus dem Blickfeld der Milchstraße verschwunden sein und sich vielleicht sogar
der lokale Galaxienhaufen aufgelöst haben. Es könnte also sehr einsam werden im
All.
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