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MATERIALFORSCHUNG
Schwerelose Experimente auf der Erde
Redaktion / Pressemitteilung der TU München
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10. Dezember 2008

Wie geschmolzene Metalle wieder fest werden ist für viele industrielle Prozesse von enormer Bedeutung. Die genaue Untersuchung der Vorgänge beim Reinigen, Gießen und Erstarren von Metallen wird aber durch die Schwerkraft der Erde erheblich behindert, weswegen man solche Forschungen oft im Weltall betreibt. Jetzt gelangen die Untersuchungen aber auch in Schwerelosigkeit auf der Erde.

Schmelze

Ein glühender Metalltropfen schwebt im Neutronenstrahl. Foto: Voit/TUM

Untersuchungen, die sonst nur in der Schwerelosigkeit des Weltalls gelingen, führt Professor Andreas Meyer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln mit einem neuen Messverfahren derzeit an der Forschungs-Neutronenquelle (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) in Garching durch. Die Ergebnisse dürften vor allem die Metall- und Gießereiindustrie sehr interessieren: Der Leiter des Instituts für Materialphysik im Weltraum erforscht grundlegende Eigenschaften, die beim Reinigen, Gießen und Erstarren von Metallen wichtig sind.

In Gießprozessen liegen alle metallischen Materialien als Schmelzen vor. Die Art und Weise, wie die Schmelze erstarrt, bestimmt dabei wesentlich die Eigenschaften des Endproduktes. Eine zentrale Herausforderung für die Weiterentwicklung von Prozesstechniken und Produkten ist es, vom herkömmlichen “trial and error” hin zum computergestützten Materialdesign überzugehen. Allerdings sind die entscheidenden Mechanismen noch unzureichend verstanden, und die Datensätze sind unvollständig.

Wenig ist bekannt über die Diffusion der Atome im schmelzflüssigen Zustand dieser metallischen Werkstoffe. Die Kenntnis der Diffusion in der Flüssigkeit ist aber entscheidend für das Verständnis von Erstarrung und Gefügebildung. Sie bestimmen die Eigenschaften des Werkstoffes, wie Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Probleme bei der Messung der Diffusion bereiten die hohen Schmelztemperaturen und die im Schwerefeld der Erde durch Auftrieb verursachte Strömung.

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Weil Messungen im Weltraum teuer und zeitaufwändig sind, ist Meyer froh, dass am FRM II seine Proben wie im Weltraum schweben können. Dieser Zustand wird durch das Anlegen eines elektromagnetischen Wechselfelds realisiert, das im Innern einer Spule erzeugt wird. Das Metall schmilzt und schwebt als Schmelze in der Spule ohne diese zu berühren. Die Temperatur der Probe wird bis zu 200 Grad Celsius unterhalb ihres Schmelzpunktes eingestellt. Weil sie völlig berührungsfrei schwebt, erstarrt diese unterkühlte Schmelze noch nicht. In diesem Zustand lässt sich der Diffusionskoeffizient – die Geschwindigkeit, mit der die Atome sich bewegen - des Metalls gut messen.

Die Messung übernehmen am Instrument TOFTOF des FRM II die Neutronen. Sie durchstrahlen die Schmelze, die meist kugelrund ist und einen Durchmesser von unter einem Zentimeter hat. Bevor sie auf die Probe treffen, haben die Neutronen eine ganz bestimmte Energie und Geschwindigkeit. Während ihres Durchgangs durch die Probe nehmen sie die Energie der sich darin bewegenden Atome auf und werden in ihrer Geschwindigkeit geändert. Das zeichnet ein Detektor auf, auf den die Neutronen nach der Probe treffen. Von der Energieänderung der Neutronen können die Wissenschaftler auf die Bewegung der Atome und damit auf ihre Diffusion in der Probe zurück schließen.

Die Experimente im Weltall sind vor allem notwendig, um den bei der Ausmessung der Beweglichkeit störenden Einfluss der Schwerkraft zu verhindern. Genau diesen Vorteil bietet auch die Messung mit Neutronen. Der eigentliche Kontakt der Neutronen mit den Atomkernen des Probenmaterials spielt sich in Picosekunden ab, einem Zeitbereich, in dem Störungen der Schwerkraft noch nicht wirksam werden.

"Derzeit peilen viele der deutschlandweit 1.000 Gießereien den wichtigen Diffusionskoeffizienten einfach über den Daumen", weiß Meyer. Die Folge: Ein hoher Ausschuss an qualitativ schlechtem Material, das Risse aufweist oder beim Gießen nicht die erwartete Form angenommen hat. Das kostet Zeit, Energie und Geld. Mit bekanntem Diffusionskoeffizienten könnte man Meyer zufolge die genauen Gieß-Bedingungen für Legierungen simulieren, was weniger Ausschuss zur Folge hätte und die Zahl der Probegüsse stark reduzieren würde. "Die Simulation von Erstarrung ist ein großer Markt", so der Wissenschaftler.
 
Bislang haben Meyer und sein Team bereits Aluminium- und Titan-Gusslegierungen, sowie die Diffusion metallischer Verunreinigungen in flüssigem Silizium untersucht. Das Ergebnis kann unmittelbar bei der Reinigung von Silizium angewendet werden, das etwa für Photovoltaikanlagen benötigt wird. Selbst für reines flüssiges Titan wurde die Diffusion gerade erstmals am TOFTOF an der Forschungs-Neutronenquelle der TUM vermessen. Die Gruppe von Meyer will nun weitere Metalle untersuchen, wie sie in der Autoindustrie zum Einsatz kommen oder auch in der medizinischen Chirurgie.

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siehe auch
Columbus: Materialforschung im All - 14. Januar 2008
ISS - die Berichterstattung über die Internationale Raumstation bei astronews.com
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Technische Universität München
DLR
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