Die Kraft des Windes auf dem Mars
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
28. November 2008
Neue Bilder der vom DLR betriebenen hochauflösenden
Stereokamera HRSC auf der europäischen Mission Mars Express zeigen
eindrucksvoll die gewaltigen Kräfte der Winderosion auf dem Roten Planeten: So
ist die Region Eumenides Dorsum fast vollständig von sehr schmalen,
linienförmigen Strukturen durchzogen zwischen denen enge Tälern, so genannten
Yardangs liegen, die bis zu 50 Kilometer lang sein können.

Diese senkrechte
Farb-Draufsicht auf das Gebiet Eumenides Dorsum
wurde aus dem senkrecht nach unten blickenden
Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Gesamtansicht] |
Das Gebiet Eumenides Dorsum ist ein in Nord-Südrichtung verlaufender Höhenzug
auf dem Mars, westlich der Vulkanregion Tharsis. Eumenides Dorsum ist Teil der
Medusae Fossae-Region. Wahrscheinlich besteht das Gebiet aus so genannten
pyroklastischen Ablagerungen, die entstehen, wenn von Vulkanen ausgestoßene,
glühend heiße Gesteinsfetzen und Asche zu mehr oder weniger stark verfestigtem
Gestein wie Tuff- oder Bimsstein erstarren und deshalb relativ leicht von der
Erosion angegriffen werden können. In Eumenides Dorsum sind eindrucksvolle
Beispiele für die erosive Kraft zu sehen, die der Wind auf die Oberfläche des
Roten Planeten ausüben kann.
Die Atmosphäre des Mars, die hauptsächlich aus Kohlendioxid besteht, ist sehr
dünn: Der Oberflächendruck auf dem roten Planeten beträgt auf Nullniveau nur
etwa 0,75 Prozent des Luftdrucks auf der Erde in Meereshöhe. Er entspricht damit
dem Druck in einer Höhe von etwa 35 Kilometern über der Erdoberfläche. Trotz der
sehr dünnen Marsatmosphäre können Winde eine erstaunliche Dynamik entwickeln.
Sie sind damit über lange Zeiträume an der Schaffung eindrucksvoller
Oberflächenformen beteiligt. Die neuen Bilder zeigen einen etwa 12.000
Quadratkilometer großen Teil von Eumenides Dorsum, einem nach den Rachegöttinnen
(Furien) der griechischen Mythologie benannten Bergrücken bei 2 Grad südlicher
Breite und 206 Grad östlicher Länge in einer Auflösung von etwa 13 Meter pro
Bildpunkt (Pixel). Die Aufnahmen wurden am 26. Dezember 2007 während des 5114.
Orbits mit den neun Kanälen der hochauflösenden deutschen Stereokamera HRSC (High
Resolution Stereo Camera) auf der Mission Mars Express aus einer
Höhe von 260 Kilometern aufgenommen.
Die Region wird dominiert von schmalen, steilen Sandwällen, so genannten "Yardangs"
oder "Windhöckern" (im Bild unten links), die sich über weite Teile des Gebiets
erstrecken. Yardangs sind Landschaftsformen in Sedimenten, die durch die erosive
Wirkung von Wind entstehen. Der Wind führt Sandkörner mit sich, die ähnlich
einem Sandstrahlgebläse entlang bereits bestehender Strukturen wie Klüften,
Rinnen oder Störungen Material erodieren und abtransportieren.
Der ungewöhnlich klingende Name Yardang geht auf den schwedischen Geographen
und Forschungsreisenden Sven Hedin (1865-1952) zurück, der auf einer seiner drei
ausgedehnten Reisen durch Zentralasien im Jahre 1902 durch die Wüste Lop Nor kam
und dort steile, vom Wind aus den Sedimentgesteinen herauspräparierte Bergrücken
entdeckte, die von den einheimischen Uiguren mit dem Wort "Yar" bezeichnet
wurden. Yardangs wurden von Mars Express an vielen Stellen beobachtet
(astronews.com berichtete).
Auch kleinere, höckerförmige Erhebungen in der Bildmitte wurden vom Wind
erodiert und zeigen eine auffällige, pyramidenähnliche Form. Weht der Wind immer
aus einer bestimmten Richtung, entstehen Strukturen mit einer Vorzugsrichtung.
Im Fall der Region Eumenides Dorsum erkennt man deutlich, dass die Yardangs alle
in Nord-Süd-Richtung orientiert sind. Die etwa in der Bildmitte sowie im
nördlichen Teil der Bilder auftretenden, glatten Gebiete bestehen vermutlich aus
Material, das der Erosion besser widerstehen konnte (am rechten Rand des
Gesamtbildes). Es könnte sich dabei um Gesteine magmatischen Ursprungs handeln.
Diese Gesteine sind im Allgemeinen härter und werden deutlich weniger durch
Windschliff, die so genannte Korrasion, angegriffen.
Auffallend ist eine Struktur im südlichen Teil der von Yardangs überzogenen
Landschaft (links oben in der Gesamtansicht), in der mehrere bogenförmige
Gratsegmente konzentrisch und quer zur vorherrschenden, parallel ausgerichteten
Nord-Süd-Orientierung der Windhöcker angeordnet sind. Da die geradlinigen
Yardangs über diese gekrümmten Rücken hinweggehen, sind sie jünger als Letztere.
Über den Ursprung der gekrümmten Grate kann nur spekuliert werden. Vermutlich
wurde durch die Wirkung des Windes eine ältere, zeitweise von den vulkanischen
Ablagerungen überdeckte Struktur freigelegt, die nun nur noch in ihren Umrissen
zu erkennen ist. Dabei könnte es sich um ehemalige Fließfronten von erstarrten
Lavaströmen handeln oder aber um Endmoränen, die ein früher hier existenter
Gletscher beim Vordringen an seiner Front vor sich her und zusammen geschoben
hat und die nach seinem Abschmelzen zurückgeblieben sind. Auch könnte es sein,
dass der obere Teil eines tropfenförmig in der Kruste aufgedrungenen,
magmatischen Körpers durch die Erosion freigelegt wurde, der in sich nicht
homogen, sondern geschichtet und daher unterschiedlich stark resistent gegen die
Erosion war, so dass sich die schalenförmige Struktur des Körpers im
Landschaftsbild noch durchpaust.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der
Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof.
Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische
Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das
Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn
Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit
industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung
in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt
am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der
FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
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