Auf der Suche nach Antimaterie
von Stefan Deiters astronews.com
3. November 2008
Mithilfe des NASA-Röntgenteleskops Chandra hat
sich ein
Wissenschaftler auf die Suche nach Antimaterie gemacht, die von der Entstehung
des Universums übrig geblieben ist. Dazu verwendete er auch Daten des
Gammastrahlenteleskops Compton. Bislang war der Forscher allerdings
wenig erfolgreich.

Der
Bullet-Cluster. Für dieses Bild wurden
Röntgendaten von Chandra (rot) mit optischen
Daten (gelb) kombiniert.
Foto: NASA / CXC / CfA / M. Markevitch et
al. (Röntgen) / NASA / STScI / Magellan /
U.Arizona / D.Clowe et al. (optisch)
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Antimaterie besteht aus Elementarteilchen, die die genau gleiche
Masse wie die der normalen Materie haben, allerdings die entgegengesetzten
Ladungen. Trifft Antimaterie auf Materie löschen sich beide gegenseitig aus und
zerstrahlen gemäß Einsteins berühmter Formel E=mc2 als Energie. Nach
Ansicht der Astronomen bestand unser Universum kurz nach dem Urknall aus Materie
und Antimaterie. Das meiste davon zerstrahlte. Doch da ein wenig mehr Materie
als Antimaterie entstanden war, blieb am Ende nur noch die Materie übrig -
zumindest in unserem lokalen Universum.
Astronomen glauben, dass durch hochenergetische Phänomene wie etwa gewaltige
gebündelte Teilchenstrahlen von Schwarzen Löchern, winzige Spuren von
Antimaterie entstehen können. Hinweise darauf, dass auch Antimaterie aus der
Zeit kurz nach dem Urknall übrig geblieben ist, hat man bislang allerdings nicht
gefunden. Doch könnte dies theoretisch der Fall sein, glauben die
Wissenschaftler, da es im Universum eine Phase gab, in der sich unser Weltall in
kurzer Zeit ungeheuer ausgedehnt hat - die sogenannte Inflationsphase.
"Wenn Klumpen von Materie und Antimaterie nebeneinander vor der Inflation
existierten, könnten sie nach der Inflationsphase weiter voneinander entfernt
sein, als das sichtbare Universum groß ist. Wir würden also nie beobachten, dass
sie sich treffen", erläutert Gary Steigman von der Ohio State University, der
die Untersuchung durchführte. "Aber eventuell wurden sie auch auf kleineren
Größenordnungen getrennt, wie etwa als Supergalaxienhaufen oder Galaxienhaufen.
Und dies wäre eine viel interessantere Möglichkeit."
Dann nämlich sollte es möglich sein, bei Kollisionen von Galaxienhaufen, den
größten gebundenen Strukturen im Universum, Hinweise auf Antimaterie zu
entdecken. Mit einem Röntgenteleskop kann man dabei das heiße Gas der
aufeinandertreffenden Haufen untersuchen. Enthält dieses Gas auch Antimaterie, sollte
außer Röntgenstrahlung auch Gammastrahlung zu beobachten sein. Um dies zu
überprüfen, nahm sich Steigman den Bullet-Cluster vor. Es handelt sich dabei um
zwei kollidierende Galaxienhaufen, die der Erde vergleichsweise nahe sind und
sich aus einer guten Position beobachten lassen.
Der Wissenschaftler nutzte für seine Untersuchung, die er im Journal of
Cosmology and Astroparticle Physics veröffentlichte, Daten des Röntgenteleskops
Chandra und des Compton-Gammastrahlenteleskops, das im vergangenen Jahrzehnt in
Betrieb war und im Jahr 2000 kontrolliert zum Absturz gebracht wurde. "In diesem
Maßstab wurde dieser Test auf Antimaterie bislang noch nicht durchgeführt", so Steigman. "Ich habe untersucht, ob es irgendwelche Gruppen von Galaxien gibt,
die zum größeren Teil aus Antimaterie bestehen."
Die Analyse der Daten von Chandra zusammen mit der Tatsache, dass
Compton
keine Gammastrahlen entdeckt hatte, deutet allerdings darauf hin, dass der
Antimaterie-Anteil im Bullet-Cluster unter drei Teile pro Millionen Partikel
liegt. Simulationen der Kollision der beiden Haufen zeigen zudem, dass es hier auch keine signifikanten Mengen an Antimaterie auf Skalen von über 65 Millionen
Lichtjahren geben sollte - so weit waren die beiden Haufen ursprünglich
entfernt.
Steigman lässt sich von dem Ergebnis nicht entmutigen: "Die Kollision von
Materie und Antimaterie ist der effektivste Prozess zur Erzeugung von Energie im
Universum. Vielleicht passiert das jedoch nicht auf großen Skalen", so der
Wissenschaftler. "Aber noch gebe ich nicht auf und nehme mir jetzt weitere
kollidierende Galaxienhaufen vor, die in jüngster Zeit entdeckt wurden."
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