Phobos aus der Nähe
Redaktion /
DLR-Pressemitteilung astronews.com
30. Juli 2008
Vor einer Woche flog die europäische Sonde Mars Express
so nahe wie nie zuvor an dem kleinen Marsmond Phobos vorüber. Die Aufnahmen, die
die hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord dabei machte, sind die bislang
detailreichsten Bilder der Mondoberfläche. Heute wurden erste Beispiele vom DLR
veröffentlicht.

Am 23. Juli 2008
nahm die hochauflösende Stereokamera (HRSC) auf
Mars Express die bis heute detailliertesten
Bilder der Oberfläche des Marsmondes Phobos auf.
Die Bilddaten mit einer Auflösung von 3,7 Metern
pro Pixel wurden aus einer Entfernung von 93
Kilometern in Orbit 5851 gemacht.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Großansicht] |
Am 23. Juli 2008 gelangen mit der vom Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) betriebenen Stereokamera HRSC auf der ESA-Sonde Mars
Express die bisher am höchsten aufgelösten Bilder des Marsmondes Phobos.
Die Raumsonde flog an dem etwas mehr als 25 Kilometer großen Marstrabanten in
einer relativen Geschwindigkeit von 3,0 Kilometer pro Sekunde (knapp 11.000
Kilometer pro Stunde) vorbei und kam Phobos bis auf 93 Kilometer nahe. Dabei
wurde eine von der Kamera bislang noch nicht fotografierte Gegend auf der dem
Mars abgewandten Seite der Nordhalbkugel beobachtet.
Das HRSC-Experimentteam am DLR-Institut für Planetenforschung plante die
Aufnahmen gemeinsam mit der Freien Universität Berlin und dem ESOC, dem
Bodenkontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt.
Damit die Bilder bei hoher Vorbeifluggeschwindigkeit und der gleichzeitig sehr
kurzen Entfernung zum Mond nicht verwischt werden, schwenkten die
Raumflugingenieure am ESOC den Mars Express-Orbiter während der
Aufnahmen gegen die Flugrichtung, um optimale HRSC-Aufnahmen zu ermöglichen -
ein Manöver, das perfekt gelang. Die wissenschaftliche Auswertung der
HRSC-Bilder und der Ergebnisse der anderen Mars Express-Experimente
dauert noch an.
Die an Bord der Raumsonde befindliche High Resolution Stereo Camera
(HRSC) untersuchte den nur 27 Kilometer mal 22 Kilometer mal 19 Kilometer großen
Mond, welcher zu den am wenigsten reflektierenden Körpern im Sonnensystem
gehört. Es wird vermutet, dass es sich bei Phobos um einen Asteroiden aus der
frühen Entstehungsperiode des Planeten handelt, der von der Marsgravitation
eingefangen wurde. Die Bilddaten, welche in fünf verschiedenen Kanälen für die
bestmögliche stereografische und photogrammetrische Analyse aufgenommen wurden,
zeigen bei einer Auflösung von 3,7 Metern pro Pixel noch nie gesehene Details
der Mondoberfläche.
Die Stereodaten, welche ebenfalls mit einer Auflösung von 3,7 Metern pro
Pixel aufgenommen wurden, sind wichtig für die Erstellung eines digitalen
Geländemodells sowie für photogeologische Untersuchungen. Die Daten der
zusätzlichen photometrischen Kanäle mit einer Auflösung von 7,4 Metern pro Pixel
bieten die Möglichkeit, den auf Phobos vorhandenen Regolith genauestens zu
untersuchen.
Die Daten aus Orbit 5851 bieten völlig neue Möglichkeiten, Phobos zu
untersuchen, da Daten älterer Vorbeiflüge der Viking-Sonden oder des
Mars Reconnaissance Orbiters (MRO) entweder keine Stereodaten lieferten
oder die Auflösung der Bilder geringer war. Neuere HiRISE-Daten (High
Resolution Imaging Science Experiment) der NASA zeigen dagegen nur die dem
Mars zugewandte Seite des Mondes, während Mars Express überwiegend die
dem Planeten abgewandte Seite beobachtet.
Dieser Vorbeiflug hatte die größte Annäherung an Phobos von den insgesamt
fünf geplanten Vorbeiflügen im Juli und August dieses Jahres (astronews.com
berichtete). Die Beobachtungen von Phobos verdankt Mars Express seinem
sehr elliptischen Orbit. Die Raumsonde befindet sich dabei zwischen 270
Kilometern und mehr als 10.000 Kilometern über dem Planeten und kreuzt auch die
9000 Kilometer von Mars entfernte Bahn des Mondes. Da Phobos, wie auch der
Erdmond, dem Planeten immer die gleiche Seite zuwendet, sind Aufnahmen der
abgewandten Seite nur möglich, wenn sich Mars Express außerhalb des Mondorbits
befindet.
Im Jahr 2009 will die russische Raumfahrtbehörde die Mission Phobos Grunt
zu dem Mond schicken, um Bodenproben auf der dem Planeten abgewandten Seite bei
etwa 5 Grad Süd bis 5 Grad Nord und 230 Grad bis 235 Grad West zu sammeln und
zur Erde zurückzubringen. Dieses Gebiet wurde zuletzt in den 70er-Jahren des letzten
Jahrhunderts von den Viking-Sonden aufgenommen. Die Beobachtungen der
HRSC wurden sehnlichst erwartet, um die mögliche Landestelle besser festlegen
und untersuchen zu können.
Besonders eindrucksvoll erkennt man auf den neuesten Bildern die
außergewöhnlichen Riefen auf der Oberfläche des Mondes. Der Ursprung dieser
Riefen (Spuren) ist umstritten. Es könnte sich um Spuren handeln, die von
ausgeworfenem Material im Zuge von Einschlagereignissen auf dem Mars entstanden
sind. Möglicherweise ist auch der die Oberfläche bedeckende Regolith in bereits
vorhandene Spalten gerutscht. In den Bildern können mindestens zwei verschiedene
Riefensysteme mit unterschiedlichen Orientierungen differenziert werden. Ein
sinusförmiger Krater beziehungsweise eine Kraterkette sind ebenfalls zu
erkennen.
Während der Beobachtungen wurde eine Sondendrehung, ein so genannter "spacecraft
slew", durchgeführt. Dabei wird die Sonde entgegen ihrer Bewegungsrichtung
rotiert, um die Geschwindigkeit zu reduzieren mit der das beobachtete Objekt an
der Sonde vorbeizieht. Auf diese Weise wird verhindert, dass trotz der hohen
Fluggeschwindigkeit verschwommene und unscharfe Bilder entstehen, und die
Belichtungszeit groß genug gewählt werden kann. Allerdings zeigten Aufnahmen des
Super Resolution Channel (SCR) der HRSC, der eine nominelle Auflösung
von 90 Zentimetern pro Pixel erreichen kann, eine leichte Unschärfe. Das Team
glaubt aber, dass durch die Daten nach weiterer Bearbeitung noch größere Details
sichtbar werden.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der
Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator
(PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die
technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte,
geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32
Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in
Kooperation mit industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für
Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung
der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische
Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für
Planetenforschung erstellt.
|