Kleiner Stern, große Explosion?
Redaktion /
Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
25. Juni 2008
Im Februar entdeckte ein Amateurastronom eine Supernova in
der 17 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 6946. Anschließend suchten
Astronomen nach dem Vorgängerstern der Supernova, doch nur das Infrarotteleskop
Spitzer wurde fündig. Explodierte hier also ein deutlich kleinerer
Stern als erwartet worden war oder handelte es sich gar nicht um eine Supernova?
Infrarotbild der Galaxie NGC 6946, aufgenommen
mit dem Weltraumteleskop Spitzer. Das weiße
Kreuz in dem Bildausschnitt dieser drei Jahre
alten Aufnahme markiert den vermuteten
Vorläuferstern der Supernova-Explosion.
Bild:
NASA/JPL-Caltech/R. Kennicutt (University of Arizona/Institute of Astronomy, University of Cambridge) und das SINGS-Team
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Im Februar 2008 entdeckte der Amateurastronom Ron Arbour in der 17 Millionen
Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie NGC 6946 eine Supernova des Typs IIn.
Mehrere derartige Explosionen sehr massereicher Sterne werden angesichts der
Vielzahl an Galaxien, die heutzutage untersucht werden, im Jahr gefunden.
Überraschenderweise scheint jedoch in diesem Fall eher ein stellares
"Leichtgewicht" Ursache der Explosion zu sein. Diese Entdeckung gelang auf Basis
von Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Spitzer und dem Large
Binocular Telescope (LBT) auf dem Mount Graham in Arizona unter Beteiligung
deutscher Astronomen.
Supernovae gehören zu den spektakulärsten Erscheinungen im Universum.
Kurzzeitig kann die Helligkeit eines explodierenden Sternes die Leuchtkraft
seiner gesamten Galaxie erreichen. Deshalb sind solche Ereignisse relativ leicht
auch in fernen Milchstraßensystemen beobachtbar. Wird eine Supernova entdeckt,
versuchen Astronomen üblicherweise den Vorgängerstern auf früheren
Teleskopaufnahmen zu finden, um mehr über den Stern zu erfahren.
Zur Überraschung der Astronomen gelang es im Falle von NGC 6946 nicht, den
Vorgängerstern auf tiefen optischen Aufnahmen des Large Binocular Telescope
(LBT) zu identifizieren. Immerhin ist das LBT, an dessen Bau und Nutzung unter
Koordination des Max-Planck-Instituts für Astronomie fünf deutsche Institute
beteiligt sind, mit seinen zwei 8.4-Meter-Spiegeln das größte Einzelteleskop der
Welt. Lediglich auf Infrarotaufnahmen des Weltraumteleskops Spitzer bei
Wellenlängen von 4.5, 5.8 und 8.0 Mikrometern gab sich der Stern zu erkennen.
Darüber hinaus scheint er mit zehn Sonnenmassen sehr massearm zu sein –
verglichen mit Sternen, die normalerweise Ursache einer solchen
Supernova-Explosion sind.
Während seiner ruhigen Lebensphase fusioniert ein Stern in seinem Zentrum
Wasserstoff zu Helium. Die dabei erzeugte Energie wirkt der Schwerkraft entgegen
und verhindert, dass der Stern in sich zusammenstürzt. Geht der
Wasserstoffvorrat zur Neige, gewinnt die Schwerkraft und der Stern schrumpft.
Dabei steigen Dichte, Druck und Temperatur im Kern an und die Kernfusion zu
schwereren Elementen setzt ein. Dieser Prozess wiederholt sich immer wieder, bis
am Ende Eisen im Kern entstanden ist. Bis zu diesem Punkt erzeugt jede Fusion
Energie und verhindert den sofortigen Kollaps des Kerns.
Um Eisen zu schwereren Elementen zu fusionieren, müsste nun aber Energie
aufgewendet werden und so kollabiert der Stern vollends unter der eigenen
Schwerkraft mit bis zu 70.000 km pro Sekunde. Protonen und Elektronen
verschmelzen zu Neutronen und eine riesige Stoßwelle dabei entstehender
Neutrinos läuft nach außen und bewirkt, dass die äußeren Schichten des Sterns in
den Raum getrieben werden. Die leuchtende Fläche nimmt dramatisch zu und mit ihr
die Helligkeit – dies ist die Supernova-Explosion, die man beobachtet.
Auch bei der Supernova in NGC 6946 mit der Bezeichnung SN 2008S nahmen die
Astrophysiker zunächst an, dass es sich um die Explosion eine massereichen
Sterns handelt. Anhand der Spitzer-Aufnahmen liegt jedoch der Schluss
nahe, dass der Stern "nur" die zehnfache Masse unserer Sonne besessen hat. Dies
ergibt sich aus der Messung der Stärke der Infrarot-Leuchtkraft.
Dass man den Stern nicht auf den optischen Aufnahmen des LBT erkennt, weist
darauf hin, dass der Stern von warmem Staub umgeben war. Durch diesen Staub wird
das Licht der Sterne von optischen Wellenlängen bis hin zum ultravioletten
Bereich stark abgeschwächt. Der Staub emittiert jedoch das absorbierte Licht
wieder im infraroten Spektralbereich, wodurch er auf den Spitzer-Bildern
erkennbar ist.
Die Beobachtungen der Sternexplosion deuten auf eine Supernova des Typs IIn
hin. Solche Sternexplosionen zeigen in ihrem Spektrum einen signifikanten Anteil
an Wasserstoff. Er strömte in Form eines Windes vom Stern ab und bildet eine
dichte Wolke, die den Stern vor der Explosion umgibt. Supernovae vom Typ IIn
sind eine Untergruppe der Kernkollaps-Supernovae. Jedoch scheint die Masse des
Vorgängersterns für dieses Szenario sehr gering zu sein.
Alternativ wäre daher denkbar, dass es sich nicht um eine "echte" Supernova
handelt, sondern um den extrem starken Ausbruch eines leuchtkräftigen blauen
Veränderlichen Sterns. Solche Sterne können am Ende Ihres Lebens eine große
Menge an Material in den Raum abstoßen – in der Regel verbunden mit einem
enormen Helligkeitsausbruch, der als Supernova fehlinterpretiert werden könnte.
Solche Sterne sind allerings sehr selten, aber auch in unserem
Milchstraßensystem bekannt. Der Stern Eta Carinae ist das wohl prominenteste
Beispiel. Welche Erklärung auch zutreffen mag: SN 2008S bleibt ein
außergewöhnlicher Fall, denn auch die leuchtkräftigen blauen Veränderlichen
werden normalerweise mit Sternen von mehr als 30 Sonnenmassen in Verbindung
gebracht, und nicht mit einem Stern von zehn Sonnenmassen. Weitere
Untersuchungen sollen zeigen, was in NGC 6946 wirklich geschah.
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