Galaktischer
Kannibalismus aufgedeckt
von Stefan Deiters astronews.com
23. Juni 2008
Beobachtungen mit dem Very Large Array-Radioteleskop
(VLA) haben bislang unbekannte Fälle von galaktischem Kannibalismus ans
Tageslicht gebracht. Die Entdeckungen helfen den Wissenschaftlern beim
Verständnis von Spiralgalaxien mit einem extrem hellen Zentrum, sogenannten
Seyfert-Galaxien, in denen sich ein aktives supermassereiches Schwarzes Loch
befindet.
Erst die Radiobeobachtungen (oben) zeigen, dass
es eine Verbindung zwischen den beiden Galaxien
gibt. Unten eine Aufnahme im optischen Bereich
des Lichtes.
Bilder: Kuo et al.,
NRAO/AUI/NSF
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Schon lange glauben Astronomen, dass sich die sehr leuchtkräftigen
Zentren bestimmter Spiralgalaxien, sogenannter Seyfert-Galaxien, durch ein
supermassereiches Schwarzes Loch erklären lassen, was im Zentrum der Galaxien
gerade enorme Mengen an Gas verschlingt. Bislang war den Wissenschaftlern aber
nicht klar, wie diese ungeheuren Gasmengen eigentlich ins das Zentrum und damit
zum Schwarzen Loch geleitet werden.
Eine Möglichkeit wäre eine enge Begegnung mit einer Nachbargalaxie. Dadurch
könnte Gas der vorüberziehenden Galaxie in die Reichweite des Schwarzen Loches
gelangen und schließlich verschluckt werden. Es würde sich also um eine Art von
galaktischem Kannibalismus handeln. Als Astronomen allerdings Seyfert-Galaxien
im sichtbaren Bereich des Lichtes untersuchten, fanden sie nur bei sehr wenigen
Galaxien Anzeichen für solche engen Begegnungen. Die Erklärung schien also doch
nicht so einfach zu sein.
Jetzt allerdings werfen Beobachtungen mit dem Very Large Array-Radioteleskops
ein neues Licht auf die Seyfert-Galaxien: Die Wissenschaftler untersuchten mit
dem Teleskop das Wasserstoff-Gas der Galaxien und stellten fest, dass in
Wirklichkeit die meisten Seyfert-Galaxien doch gerade in eine enge Begegnung
verwickelt sind.
"Das VLA hat den Schleier gelüftet und uns gezeigt, was wirklich in diesen
Galaxien passiert", so Cheng-Yu Kuo, ein Doktorand an der University of
Virginia. "Die Beobachtung des Gases in diesen Galaxien zeigt eindeutig,
dass sie sich bei ihren Nachbarn bedienen. Das steht in deutlichem Kontrast zu
dem Erscheinungsbild, was sie im sichtbaren Licht abgeben."
Durch die Begegnungen der Galaxien wird Gas und Staub in Richtung des
Schwarzes Lochs im Zentrum geleitet und letztendlich von der Schwerkraftfalle
verschlungen. Abhängig von den Mengen, die das Schwarze Loch im Zentrum
verschlingt, werden unterschiedlich hohe Energien frei. Seyfert-Galaxien gelten
als aktive Galaxien mit der geringsten Aktivität, Quasare oder Blasare sind um
viele Hundert Mal energiereicher.
Für ihre Untersuchung wählten die Astronomen Seyfert-Galaxien aus, die
bereits zuvor im optischen Bereich des Lichtes untersucht worden waren und
fanden bei der deutlichen Mehrheit von ihnen Anzeichen für eine Begegnung mit
einer anderen Galaxie - die Galaxien wirkten gestört. Vergleichende
VLA-Beobachtungen von inaktiven Galaxien ergaben im Gegensatz dazu, dass sie
kaum gestört aussahen. "Dieser Vergleich zeigt eindeutig die Verbindung zwischen
engen Begegnungen von Galaxien und der durch das Schwarze Loche angetriebenen
Aktivität in ihren Zentren", so Ya-Wen Tang, Doktorand an der National
Taiwan University.
"Das Ergebnis macht deutlich, dass Bilder von Wasserstoff-Gas ein
leistungsstarkes Instrument zum Aufdecken von ansonsten unsichtbaren
Wechselwirkungen zwischen Galaxien sein können", erklärt Jeremy Lim vom
Institute of Astronomy & Astrophysics, Academia Sinica (ASIAA) in Taiwan.
"Das ist schon eine willkommene Erweiterung unseres Wissens über diese Objekte,
die nur durch die wohl bislang besten und umfangreichsten Untersuchungen von
Wasserstoff in Seyfert-Galaxien möglich wurde."
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