Die ungleichen Zwillinge
von Stefan Deiters astronews.com
19. Juni 2008
Zwei Sterne mit der gleichen Masse, die ein
Doppelsternsystem bilden, sollten gleichzeitig entstanden und somit praktisch
identische Zwillinge sein. Astronomen haben nun ein solches Sternenpaar im
Orionnebel genauer untersucht und
deutliche Unterschiede zwischen den vermeintlichen Zwillingen festgestellt. Das Ergebnis
könnte auch Folgen für unser Bild von anderen jungen Sonnen haben.
Das beobachtete Sternenpaar befindet sich im
Orionnebel, einem Sternentstehungsgebiet in
rund 1.500 Lichtjahren Entfernung.
Bild: NASA-JPL/HST und David
James (Vanderbilt) [Großansicht] |
Eigentlich scheint der Fall klar zu sein: Zwei Sterne mit der selben Masse, die
einander umkreisen, also ein Doppelsternsystem bilden, sollten identisch sein,
da sie - so zumindest die Theorie der Astronomen - gleichzeitig aus der selben
Gaswolke entstanden sind. Es ist daher verständlich, dass Astronomen recht
überrascht waren, als sie im 1.500 Lichtjahre entfernten Orionnebel ein solches
vermeintliches Zwillingspaar untersuchten und dabei feststellten, dass die
Zwillinge sich deutlich voneinander unterschieden. Die Unterschiede betreffen
sowohl Helligkeit als auch Oberflächentemperatur und vielleicht sogar die Größe.
Wie kann man diese Unterschiede erklären? In einer heute in der
Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie über die Beobachtungen
in diesem bekannten Sternentstehungsgebiet schlagen die Astronomen vor, dass die
beiden Sternen nicht gleichzeitig entstanden sind - was eine deutliche
Abkehr von der bisherigen Theorie wäre. Trifft die Vermutung zu, müssten
Sternentstehungsmodelle daraufhin überprüft werden, ob mit ihnen auch
Doppelsternsysteme erzeugt werden können, in denen die Partner nacheinander
entstehen.
Der jetzige Fund hat aber noch weitreichendere Konsequenzen: Da das Alter und
die Masse von Sternen im Alter von weniger als einigen Millionen Jahren bislang
mit Hilfe von Modellen abgeschätzt wurde, die an Doppelsternsystemen kalibriert
wurden, bei denen man von einer gleichzeitigen Entstehung ausgegangen ist, könnten
die Wissenschaftler gezwungen sein, ihre Daten für Tausende von jungen Sternen
neu zu berechnen.
Das jetzt entdeckte Doppelsternsystem ist vermutlich rund eine Millionen
Jahre alt. Mit einer "Lebenserwartung" von rund 50 Milliarden Jahren ist das
Alter der Sterne vergleichbar mit einem einen Tag alten menschlichen Baby. "Der
einfachste Weg die beobachteten Unterschiede zu erklären ist, dass ein Stern
rund 500.000 Jahre vor seinem Zwilling ein voll ausgebildeter Stern war",
erläutert Kaivan Stassun von der Vanderbilt University. "Bei
menschlichen Babys wäre das ein Geburtsabstand von etwa einem halben Tag."
|