Luftverschmutzern auf der Spur
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR
astronews.com
19. Mai 2008
Seit über sechs Jahren ist der europäische Umweltsatellit
Envisat nun schon im All. Mit an Bord ist das Instrument SCIAMACHY,
das niederländische, belgische und deutsche Wissenschaftler gemeinsam betreiben.
Heute blickte man in Vaals auf die Ergebnisse der letzten sechs Jahre zurück, in
denen man so manchen Luftverschmutzer enttarnen konnte.
Der europäische Umweltsatellit Envisat ist seit
über sechs Jahren im All.
Bild:
ESA |
Die atmosphärische Zusammensetzung verändert sich schneller als erwartet, sowohl
als Folge menschlichen Handelns, als auch durch veränderte natürliche Prozesse
infolge des Klimawandels. SCIAMACHY - ein Umwelt-Instrument an Bord des
europäischen Envisat-Satelliten - ist ein Gemeinschafts-Projekt aus
Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Seinen sechsten Geburtstag im All
feierten die drei beteiligten Weltraumorganisationen, das Deutsche Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR), NIVR (Nederlands Instituut voor
Vliegtuigontwikkeling en Ruimtevaart) und BIRA (Belgisch Institut voor
Ruimte-Aëronomie) heute im holländischen Vaals bei Aachen.
"Die deutsche Beteiligung an europäischen Umwelt-Beobachtungsmissionen, wie zum
Beispiel an Envisat, ist ein wichtiger Baustein der Raumfahrt und
Raumfahrtforschung in Deutschland. Die Erdbeobachtung wird auch zukünftig ein
Schwerpunkt der deutschen Raumfahrtstrategie sein", sagte Prof. Dr.
Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR. Am
deutsch-belgisch-niederländischen Dreiländereck würdigten die beteiligten
Wissenschaftler die sechsjährige, erfolgreiche Arbeit im Weltraum und stellten
herausragende Ergebnisse des Projektes der Öffentlichkeit vor.
Der Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, der
parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Peter Hintze,
eröffnete die Veranstaltung in Anwesenheit des Generalsekretärs der
niederländischen Wirtschaftsministerin, Chris Buijink, sowie Vertretern der
nationalen Raumfahrt-Agenturen und des Direktors für Erdbeobachtung bei der
Europäischen Weltraumorganisation (ESA), Volker Liebig. Der niederländische
Chemie-Nobelpreisträger Professor Paul Crutzen nahm als Ehrengast an der
Jubiläumsfeier teil.
SCIAMACHY überwacht Schlüsselkomponenten der Luftverschmutzung insbesondere
Stickstoffdioxid; es entsteht als Abgas beim Verkehr, bei der Energieerzeugung
sowie in der Industrie und landwirtschaftlicher Produktion. Außerdem ist
Stickstoffdioxid an der Entstehung von Sommersmog beteiligt und damit ein
wichtiger Indikator für die Verunreinigung der Luft. Eine starke Zunahme bei
Stickstoffdioxid sieht SCIAMACHY in Ländern und Gebieten mit sehr stark
wachsender Wirtschaft, insbesondere in China. Die Zunahme der Luftverschmutzung
ist ein ernstes Problem für die öffentliche Gesundheit, und so erhält sie - auch
im Angesicht der bevorstehenden Olympischen Spiele - erhöhte Aufmerksamkeit
seitens der chinesischen Regierung.
In Westeuropa erkennt SCIAMACHY - nach einer Phase der Verbesserung in den
neunziger Jahren aufgrund wirksamer EU-Verordnungen - nunmehr eine Stagnation
des Stickstoffdioxid-Rückgangs, die großenteils dem gestiegenen
Verkehrsaufkommen geschuldet sein dürfte. An der Ostküste der USA beobachtete
SCIAMACHY jüngst einen Rückgang der Stickoxid-Emissionen im Zusammenhang mit dem
Einsatz von Stickoxidfiltern in Kohlekraftwerken zur Umsetzung verschärfter
Umwelt-Auflagen.
Trotz aller Verbesserung in Europa, entdeckte SCIAMACHY während des extrem
warmen Sommers 2003 eine Kombination von Luftschadstoffen aus anthropogenen und
erhöhten natürlichen Emissionen sowie Waldbränden, die sich zu einem
gefährlichen Cocktail mischten und wesentlich die Zahl der Todesopfer erhöhten.
Klima-Studien gehen davon aus, dass derartig warme Sommer zukünftig häufiger
auftreten werden.
SCIAMACHY lieferte auch einzigartige Informationen über die Ozonschicht -
einschließlich des Ozonlochs über der Antarktis. So erkennt SCIAMACHY erste
Anzeichen für eine Stabilisierung der Ozonkonzentration als Ergebnis der
Maßnahmen, die mit dem Montreal-Protokoll und seinen Erweiterungen in Kraft
gesetzt wurden. Eine Erholung der Ozonschicht lässt sich allerdings noch nicht
eindeutig feststellen. Bemerkenswert große jährliche Schwankungen konnte
SCIAMACHY beim Ozonloch über der Antarktis und über arktischen Gebieten
beobachten. Sie stehen im Zusammenhang mit Veränderungen in der Dynamik der
Atmosphäre. Im September 2002 beobachtete SCIAMACHY sogar weltweit erstmalig ein
Auseinanderbrechen des Ozonlochs.
Kohlendioxid- und Methan-Messungen von SCIAMACHY haben zu neuen Erkenntnissen
über Methan-Entstehung im tropischen Regenwald und in Feuchtgebieten geführt
sowie über die saisonalen und regionalen Schwankungen von Kohlendioxid über
Land. Dies ist eine bahnbrechende Anwendungen der Atmosphären-Fernerkundung und
ein Meilenstein der Erdsystem-Forschung mit direkter gesellschaftlicher
Bedeutung. SCIAMACHY ist das erste und bisher einzige Satelliten-Instrument, das
die Konzentration dieser Treibhausgase vom oberen Rand der Atmosphäre bis
hinunter auf die Erdoberfläche messen kann, wo die Emissionen entstehen.
Der Nachschub an SCIAMACHY-Daten ist derzeit bis 2010 gesichert. Darüber hinaus
sind Diskussionen zwischen der ESA und den Weltraumorganisationen im Gange, die
eine Verlängerung der Envisat-Mission bis 2013 zum Ziel haben. Im Zuge
des EU-Programms Global Monitoring for Environment and Security (GMES)
bereitet sich Europa auf die routinemäßigen Beobachtung der
Atmosphären-Zusammensetzung mit Hilfe der sogenannten Sentinel-Satelliten
in Kombination mit dem operationellen Wettersatellitenprogramm vor. SCIAMACHY
dient für diese zukünftigen Missionen als Blaupause.
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