Ein Flussdelta auf dem Mars
Redaktion /
DLR-Pressemitteilung astronews.com
25. April 2008
Neue Bilder vom Mars: Die europäische Sonde Mars Express
fotografierte am 22. Januar ein kurzes, bis zu tausend Meter tiefes Tal, das in
einem Delta in die Region Nepenthes Mensae mündet. Auf der Aufnahme finden sich
Hinweise darauf, dass das Tal durch zwei Flutungsperioden entstanden ist.
Am 21. Januar
2008 überflog die ESA-Sonde Mars Express während
Orbit 5212 in etwas mehr als 300 Kilometer Höhe
Nepenthes Mensae, die nahe dem Äquator gelegene
Übergangszone zwischen südlichem Hochland und
den nördlichen Tiefebenen des Mars. Norden ist
rechts im Bild.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Vergrößerte
Gesamtansicht] |
Seit der ersten globalen fotografischen Erfassung der
Marsoberfläche durch die beiden amerikanischen Viking-Sonden in den
1970er-Jahren kennen Wissenschaftler zahlreiche, tief in das Marshochland
eingeschnittene Täler. Viele dieser Gräben enden am Übergang zwischen dem
Hochland und der nördlichen Tiefebene des Roten Planeten. Forscher vermuten,
dass in vielen dieser Täler vor langer Zeit Wasser geflossen ist.
Ein kurzes, nur etwa 30 Kilometer langes und bis zu tausend Meter tiefes Tal
nahm die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene
hochauflösende Stereokamera (HRSC) auf der ESA-Sonde Mars Express am
22. Januar 2008 während der 5.212 Umrundung des Planeten auf. Die
Auflösung beträgt etwa 15 Meter pro Bildpunkt. Das Tal mündet in einem Delta in
die Region Nepenthes Mensae, einem Übergangsgebiet zwischen Hoch- und Tiefland,
das durch steile Geländekanten und zahlreiche tafelbergartige Erhebungen
charakterisiert ist.
Die jetzt veröffentlichten Bilder zeigen einen Ausschnitt von Nepenthes
Mensae bei 3 Grad nördlicher Breite und 121 Grad östlicher Länge. Nepenthes
Mensae ist benannt nach dem Zaubertrank, den die schöne Helena in Homers Odyssee
zu sich nimmt – eine Droge, die sie all ihre Sorgen vergessen lässt. Besonders
auffällig ist eine Struktur im südlichen Teil des Bildes, die an Flussdeltas auf
der Erde erinnert (unten mitte/links). Offensichtlich wurde entlang der Talrinne
(linke Seite), die an dieser Stelle in Nepenthes Mensae mündet, Material
abgetragen und am Ende des Tals fächerartig abgelagert.
Der den Fächer begrenzende Berghang ist etwa 300 Meter hoch. In der Region,
in der die Grabenstruktur ihren Ausgang nimmt und in der das Tal etwas breiter
ist, sind - neben ausgedehnten Dünenfeldern - ebenfalls Erosionsformen und
Ablagerungen zu sehen, die vermutlich aus dem verästelten, kurzen Oberlauf des
Talsystems hierher getragen wurden.
Im zentralen Teil der Nepenthes-Tiefebene sind zahlreiche Hügel, Restberge
und tafelbergartige Erhebungen (lateinisch: Mensae, rechter Teil der
Großansicht) zu erkennen. Dabei handelt es sich um Reste des im Westen und
Südwesten angrenzenden Hochlandes, die den Kräften der Verwitterung länger
widerstehen konnten und nicht oder nicht vollständig von der Erosion abgetragen
wurden. Durch erosive Prozesse wurde der Großteil des ursprünglich vorhandenen
Materials entfernt, zurück blieben die noch heute vorhandenen Erhebungen.
Die Struktur am Ende des Tals, das aus dem Hochland in das Nepenthes Mensae-Gebiet
mündet, ist den Ablagerungsformen in irdischen Flussdeltas ähnlich. Dies lässt
eine vergleichbare Entstehung vermuten. Delta-Ablagerungen entstehen, wenn
Wasser Sedimente transportiert und bei nachlassender Strömungsgeschwindigkeit
wieder ablagert – beispielsweise, wenn sich der Flusslauf verbreitert und
dadurch das Wasser mit geringerer Geschwindigkeit fließt und die Energie zum
Mitführen der Sedimentfracht nicht mehr ausreicht.
Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch zwei Phasen der Ablagerung
unterscheiden, was auch auf zwei Flutungsperioden schließen lässt. Eine Phase
bildete einen Fächer mit einer deutlichen, durch einen relativ steilen Abhang
begrenzten Geländekante im Auslauf, die darauf hindeuten könnte, dass die
Mündung in ein stehendes Gewässer oder Eis erfolgte. Während einer anderen Phase
entstand eine kegelförmige Struktur, die sich bis weit in das tiefer liegende
Gebiet erstreckt.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express
der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator
(PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Das
Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn
Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom
DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die
systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Das hier gezeigte Bild
wurde von der PI-Gruppe am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien
Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung
erstellt.
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Mars Express, Missionswebseite bei astronews.com
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