Alte Galaxien im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
7. April 2008
Britische Astronomen haben jetzt die empfindlichste
Infrarot-Karte des entfernten Universums vorgestellt. Die Forscher kombinierten
dazu Datenmaterial aus drei Jahren, das mit dem United Kingdom Infra-Red
Telescope auf Hawaii gewonnen wurde. Auf einer Fläche, die etwa viermal so groß ist
wie der Vollmond, sind mehr als 100.000 Galaxien zu entdecken.
Einige der jetzt entdeckten "alten" Galaxien in
rund zehn Milliarden Lichtjahren Entfernung
(Pfeile).
Bild: UKIDSS UDS Survey Team
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Der Blick auf Galaxien in großer Entfernung ist auch immer ein Blick zurück
in die Geschichte des Universums. So erhoffen sich die britischen Forscher mit
ihrer jetzt vorgestellten Karte auch einen detaillierten Einblick in die
Entstehungsgeschichte der massereichsten Galaxien. Auf der Karte, die auf
Datenmaterial des United Kingdom Infra-Red Telscope (UKIRT) beruht,
sind über 100.000 Galaxien auszumachen. Der beobachtete Bereich am Himmel ist
dabei gerade einmal so groß wie die vierfache Fläche des Vollmondes. Tausende
der Galaxien auf den Bildern konnten darauf zum ersten Mal zu diesem frühen Zeitpunkt studiert
werden.
Durch Beobachtungen im infraroten Bereich des Lichtes können die Astronomen
weiter ins All zurückschauen: Das Licht entfernter Objekte wird nämlich bei der
Reise durch das expandierende Universum in den roten Bereich des Spektrums
verschoben.
Die Studie wurde geleitet von Astronomen der University of Nottingham. Die
Wissenschaftler entdeckten in dem Material Hinweise darauf, dass Galaxien,
die schon damals "alt" aussahen, sich in großen Wolken aus dunkler Materie
befinden und sich im Laufe von Milliarden Jahren zu den massereichsten Galaxien
entwickeln werden, die wir in unserem heutigen Universum kennen.
Die rund zehn Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxien erscheinen den
Wissenschaftlern deswegen als "alt", weil es in ihnen sehr viele alte, rote
Sterne gibt. Wie sich solche vollständig ausgebildeten Galaxien nur rund vier
Milliarden Jahre nach dem Urknall bilden konnten, verblüfft die Forscher immer
wieder.
Mit den UKIRT-Daten haben die Astronomen nun versucht, die Masse der
Dunkelmaterie abzuschätzen, die die "alten" Galaxien umgibt. Alle Galaxien, so
die Annahme, bilden sich innerhalb von riesigen Wolken aus Dunkelmaterie,
sogenannten Dunkelmaterie-Halos, die für normale Teleskope unsichtbar sind. Man
kann aber versuchen ihre Masse abzuschätzen.
"Glücklicherweise verstehen wir, wie Gravitation auf Dunkelmaterie wirkt,
auch wenn wir nicht wissen, was Dunkelmaterie ist", erläutert Will Hartley, der
in Nottingham seine Doktorarbeit schreibt. "Wir sehen, dass die alten, roten
Galaxien sich mehr zu Haufen zusammenfinden als die jüngeren, blauen
Galaxien. Daraus können wir folgern, dass der Dunkelmaterie-Halo der alten
Galaxien massereicher sein muss."
Die Nottinghamer Forscher glauben, dass die Halos aus Dunkelmaterie um diese
alten Galaxien im frühen Universum extrem massereich sein müssen und Material
enthalten, das Hundertausend Milliarden Mal massereicher ist als unsere Sonne.
In unserem nahen Universum enthalten Halos mit diesen Ausmaßen die massereichsten
und größten bekannten Galaxien - die elliptischen Riesengalaxien.
"Das gibt uns eine direkte Verbindung zu unserem heutigen Universum", so
Hartley, "und verrät uns, dass sich diese entfernten alten Galaxien zu den
massereichsten Galaxien überhaupt entwickeln werden, die wir als elliptische
Galaxien in unserer Umgebung kennen. Zu verstehen, wie diese gewaltigen
elliptischen Galaxien entstanden sind, ist eine offene Frage der modernen
Astronomie und unsere Daten sind ein wichtiger Schritt, um ihre Vergangenheit zu
verstehen."
"Ich würde diese Beobachtungen mit der Entnahme von Bohrkernen aus dem
antarktischen Eis vergleichen", erläutert Dr. Sebastian Foucaud, der für die
Erstellung der Karte aus den Infrarot-Bildern verantwortlich war. "Genau so wie
uns die Eisproben einen Blick in die Vergangenheit erlauben, können wir auch
hier auf die Galaxien in unterschiedlichen Entwicklungsstadien zurückblicken - bis
etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall. Wir sehen Galaxien mit der
zehnfachen Masse der Milchstraße schon zu sehr früher Zeit. Nun beobachten wir
erstmals eine ausreichend große Region im entfernten Universum, um eine so große
Zahl von ihnen zu sehen, um wirklich herauszufinden, wann sie entstanden sind."
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