Wenn stellare
Winde kollidieren
von Stefan Deiters astronews.com
25. Februar 2008
In nur rund 8.000 Lichtjahren Entfernung von der Erde liegt mit Eta Carinae
ein bemerkenswertes Sternsystem. Zwei extrem massereiche Sterne umrunden sich
hier und blasen Winde ins All, die mit großer Wucht aufeinanderprallen und so
für die Abstrahlung hochenergetischer Röntgenstrahlung sorgen. Jetzt gelang es
erstmals diese schon lange vermutete Strahlung mit dem Weltraumteleskop
Integral nachzuweisen.
Integrals Blick auf Eta Carinae (oben rechts).
Bild: ESA/
Integral (Leyder et al.) |
Eta Carinae ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Es ist das
einzige astronomische Objekt, das Gammastrahlen abstrahlt und gleichzeitig mit
bloßem Auge zu beobachten ist. Es handelt sich bei Eta Carinae zudem um einen
gewaltigen Stern, der so massereich ist, dass die Astronomen ihn schon als
Hyperriesen bezeichnen. Er dürfte etwa die 100 bis 150-Fache Masse unserer Sonne
haben und etwa vier Millionen Mal heller leuchten als unser Zentralgestirn. Seit
einiger Zeit schon vermuten Astronomen, dass Eta Carinae kein Einzelstern ist,
sondern einen ebenfalls sehr massereichen Begleiter hat (astronews.com
berichtete).
Solch ein sehr massereiches Doppelsternsystem sollte aber, so die Theorien
der Astronomen, extrem energiereiche Röntgenstrahlung aussenden, die bislang
aber - mangels geeigneter Instrumente - nicht nachgewiesen werden konnte. Das
gelang allerdings jetzt mit Hilfe des Weltraumteleskops Integral: Eta
Carinae gibt tatsächlich hochenergetische Röntgenstrahlung ab - und auch in etwa
so, wie es die Theorien vorhergesagt hatten.
"Die Intensität der Röntgenstrahlung ist ein wenig geringer als wir erwartet
hatten", urteilt Jean-Christophe Leyder vom Institut d'Astrophysique et de
Géophysique der Universitè de Liège. "Aber wenn man bedenkt, dass
dies die erste Beobachtung dieser Art ist, ist das Ergebnis schon ganz in
Ordnung."
Die hochenergetischen Röntgenstrahlen entstehen nach Ansicht der Forscher
durch eine gewaltige Schockwelle, die sich zwischen den beiden Sternen befindet
und von den dort aufeinandertreffenden Sternenwinden erzeugt wird. Solche
Systeme bezeichnen Astronomen als "kollidierende Wind-Doppelsternsysteme" oder
Englisch "colliding wind binaries". Massereiche Sterne verlieren
ständig Material ins All, das durch die Strahlung auf Geschwindigkeiten von bis
zu 1.500 bis 2.000 Kilometern pro Sekunde beschleunigt werden kann.
Befinden sich nun, wie im Fall von Eta Carinae, zwei massereiche Sterne dicht
beisammen, treffen diese Winde mit voller Wucht aufeinander. Durch den
Zusammenprall können dann Temperaturen von mehreren Milliarden Grad erreicht
werden. In dieser Umgebung entsteht dann die intensive Röntgenstrahlung, die
Integral beobachtet hat. Diese Art von Strahlung zu verstehen ist für die
Astronomen von besonderer Bedeutung, weil stellare Winde im Universum bei vielen
Phänomenen eine wichtige Rolle spielen, etwa als Lieferanten chemischer Elemente
oder als Energiequellen.
Da massereiche Sternen recht selten sind und Doppelsysteme aus zwei
massereichen Sternen noch seltener, ist die Entdeckung in nur 8.000 Lichtjahren
Entfernung, also quasi vor unserer Haustür, ein Glücksfall für die Astronomen.
"In unserer Galaxie gibt es vermutlich nur 30 bis 50 Doppelsternsysteme, die
deutliche Hinweise auf kollidierende Winde zeigen", so Leyder.
Auf Grundlage der Analyse der Integral-Beobachtungen haben die
Astronomen berechnet, dass aus dem Eta Carinae-System jeden Tag Material mit
einer Masse verloren geht, die in etwa der Masse der Erde entspricht. Nach
diesem Erfolg bei Eta Carinae wollen sie nun versuchen weitere dieser
Doppelsternsystem mit kollidierenden Winden aufzuspüren.
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