Terrestrische Planeten häufiger als gedacht?
von Stefan Deiters astronews.com
18. Februar 2008
Mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer
haben Astronomen Hinweise darauf gefunden, dass um relativ viele sonnenähnliche
Sterne unserer Nachbarschaft terrestrische Planeten entstehen könnten. Dies
würde bedeuten, dass auch Planeten, die lebensfreundliche Bedingungen aufweisen,
deutlich häufiger zu finden sein dürften, als lange Zeit angenommen.

Terrestrische Planeten, wie Merkur, Venus, Mars
oder Erde, könnten häufiger in unserer
Milchstraße zu finden sein als bislang
angenommen.
Bild:
NASA / JPL-Caltech / R. Hurt (SSC-Caltech) |
Bis heute hat man noch kein extrasolares Planetensystem entdeckt, das
wirklich unserem Sonnensystem gleicht. Und dies hat einen recht trivialen Grund:
Bislang reichen die Möglichkeiten der Astronomen nicht aus, um auch Planeten von
Erdgröße um ferne Sonnen aufzuspüren. Ob es also außer den entdeckten Gasriesen
noch kleinere, terrestrische Planeten in den Systemen gibt, die vom Aussehen her
also Merkur, Venus, Mars oder vielleicht sogar der Erde gleichen, ist bislang
meist Spekulation.
Michael Meyer von der University of Arizona hat nun trotz dieses
Handicaps zusammen mit Kollegen eine Antwort auf die Frage gesucht, ob unser
Sonnensystem eine Ausnahme in der Milchstraße darstellt oder ob es viele
Planetensysteme gibt wie unsere galaktische Heimat. Ihr Ergebnis: Um mindestens
20 Prozent der Sterne, die unserer Sonnen ähneln, könnten sich auch
terrestrische Planeten bilden - vielleicht sogar um bis zu 60 Prozent. Meyer und
seine Kollegen veröffentlichten ihre Resultate unlängst in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal Letters.
Die Astronomen haben mit Hilfe des Weltraumteleskops Spitzer sechs
verschiedene Gruppen von Sternen untersucht, die alle eine ähnliche Masse wie
unsere Sonne haben, aber ein unterschiedliches Alter. Unsere Sonne ist 4,6
Milliarden Jahre alt. "Wir wollten die Entwicklung des Gases und des Staubs um
diese Sterne untersuchen, die unserer Sonne ähnlich sind und die Ergebnisse
vergleichen mit dem, was wir über das Aussehen unseres Sonnensystems in den
letzten Milliarden Jahren zu wissen glauben", erklärt Meyer.
Dabei kann natürlich auch das Weltraumteleskop Spitzer extrasolare
Planeten von Erdgröße nicht aufspüren. Allerdings kann es im infraroten Bereich
des Lichtes Staub entdecken, der durch Kollisionen in der Entstehungsphase eines
Planetensystems entsteht. Durch Beobachtung in verschiedenen
Wellenlängenbereichen lässt sich Staub unterschiedlicher Temperatur entdecken
und aus der Temperatur des Staubs kann man dann wieder Rückschlüsse auf die
Entfernung des Staubs vom jeweiligen Stern ziehen: Je wärmer der Staub, desto
näher dürfte er sich am jeweiligen Stern befinden.
Auf diese Weise konnten die Astronomen ihren Blick auf Staub fokussieren, den
sie in einer Entfernung vom Stern vermuten, die in unserem Sonnensystem dem
Bereich zwischen Erde und Jupiter entsprechen würde. "Wir konnten feststellen,
dass sich bei zehn bis 20 Prozent der Sterne in den vier jüngsten untersuchten
Altersgruppen hier Staub feststellen ließ", so Meyer. "Aber wir haben
diesen warmen Staub nicht so häufig bei Sternen gesehen, die älter als 300
Millionen Jahre sind."
Diese Periode, erläutert Meyer, ist vergleichbar mit dem Zeitraum, in dem
unser Sonnensystem entstanden ist und sich zu dem entwickelt hat, was wir heute
sehen. "Die Erde hat sich innerhalb von zehn bis 50 Millionen Jahren durch
Kollisionen aus kleineren Körpern gebildet." Ein anderes Astronomenteam hat
zudem Hinweise auf Staub aus der Entstehung von terrestrischen Planeten um
Sterne gefunden, die zwischen zehn und 30 Millionen Jahre alt waren. "Das deutet
darauf hin, dass, was auch immer zur Entstehung der Erde geführt hat, sich um
viele Sterne abspielen könnte, die zwischen drei und 300 Millionen Jahren alt
sind."
Die Beobachtungsergebnisse von Meyer und seinen Kollegen stimmen hervorragend
mit theoretischen Modellen zur Planetenentstehung überein, die von Scott Kenyon
vom Smithsonian Astrophysical Observatory und Ben Bromley von der
University of Utah entwickelt wurden: "Unser Modell deutet darauf hin, dass
der warme Staub, den Meyer und sein Team entdeckt haben, immer bei der
Entstehung von terrestrischen Planeten auftritt. Wir sagen mit unserem Modell
eine höhere Häufigkeit dieser Infrarot-Emission bei jungen Sternen voraus und
genau dies ist es, was mit Spitzer beobachtet wurde", so Kenyon.
Um wie viele Sterne sich nun wirklich Planeten bilden, ist nicht so leicht zu
sagen, weil die Spitzer-Daten verschiedene Interpretationen zulassen.
So könnte der verräterische warme Staub, den Spitzer um etwa 20 Prozent
der Sterne entdeckt, erhalten bleiben, wenn der Stern älter wird: Beispielsweise
könnte der Staub, der durch Kollisionen um drei bis zehn Millionen Jahre alte
Sterne produziert wird, auch noch bei Sternen im Alter zwischen zehn und 30
Millionen Jahren für entsprechende Emissionen sorgen. Interpretiert man die
Daten auf diese Weise, würde sich ein Anteil von 20 Prozent der sonnenähnlichen
Sterne ergeben, um die terrestrischen Planeten entstehen.
Allerdings gibt es auch eine andere Sichtweise: "Ein optimistisches Szenario
wäre, dass es in den größten und massereichsten Staubscheiben zuerst zur
Planetenentstehung kommt. Dies könnten wir um die jüngsten Sterne sehen. Diese
Staubscheiben scheinen sehr früh sehr hell, verlöschen dann aber," spekuliert
Meyer. "Kleinere, weniger massereichen Staubscheiben hingegen, werden erst
später sichtbar. Hier findet die Planetenentstehung erst später statt, weil es
weniger Teilchen gibt, die miteinander kollidieren können."
Stimmt diese Sichtweise, dann entstehen Planeten zuerst in den massereichen
Staubscheiben, in den masseärmeren Scheiben können die Vorgänge zehn bis Hundert
Mal länger dauern. Damit käme man nicht auf einen Wert von 20 Prozent, sondern
auf 62 Prozent. "Die wahre Antwort", so Meyer, "liegt vermutlich irgendwo
zwischen der pessimistischen und der optimistischen Schätzung, also irgendwo
zwischen 20 und 60 Prozent."
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