Blick auf die tiefen Täler von Candor
Redaktion /
DLR-Pressemitteilung astronews.com
15. Februar 2008
Nicht nur im Erdorbit befindet sich mit dem Weltraumlabor
Columbus deutsche und europäische Spitzentechnologie: Die Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Sonde
Mars Express liefert regelmäßig eindrucksvolle Bilder vom roten
Planeten Mars. Heute veröffentlichte das Deutsche Zentrum für Luft- und
Raumfahrt neue Aufnahmen, die Candor Chasma zeigen, ein Seitental zu den Valles
Marineris.
Draufsicht auf
einen Teil von Candor Chasma.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Großansicht] |
Candor Chasma ist ein nördliches, parallel zu den Valles Marineris verlaufendes Seitental. Die steilen Talhänge erheben sich bis zu 8500 Meter über die tiefsten Stellen des Grabenbodens und sind durch Felsvorsprünge und verzweigte Einschnitte gekennzeichnet. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) an Bord der ESA-Raumsonde
Mars Express nahm am 6. Juli 2006 einen Teil der Region Candor Chasma
mit einer Auflösung von zirka 20 Metern pro Bildpunkt auf. Die Abbildung zeigt
hiervon einen Ausschnitt bei sechs Grad südlicher Breite und 290 Grad östlicher
Länge.
Die Grabenbrüche der Valles Marineris, einem über 3.000 Kilometer langen Canyonsystem auf dem Mars, sind ein Teil des radial verlaufenden Grabenbruchsystems an den Flanken von Tharsis. Tharsis ist eine große regionale Aufwölbung von viertausend Kilometern Durchmesser und mehreren Kilometern Höhe. Das Talsystem der Valles Marineris wird bezüglich seiner Entstehung mit der Aufwölbung von Tharsis
in Zusammenhang gebracht.
Die steilen, seitlichen Wände von Candor Chasma (oben rechts in der
Großansicht) ragen bis zu 8.500 Meter über die tiefsten Stellen des Grabenbodens auf. Im oberen Abschnitt der Flanken treten unregelmäßig geformte, schroff verwitternde Gesteine zu Tage. Sie sind vermutlich Reste von Lavaströmen aus Basaltgestein, die nach ihrer Abkühlung plateauartige Decken ausgebildet haben und relativ resistent gegen Verwitterung sind. An ihrer Basis sind die Hänge sehr viel flacher und gleichmäßiger ausgebildet. Dort sind größere Hangrutschungen und ausgedehnte Hangschuttablagerungen (Schutthalden) erkennbar (in
der Mitte der rechten Bildhälfte der Großansicht).
In tiefer gelegenen Gebieten, inmitten von Candor Chasma, fallen Tafelberge (Bildmitte) auf, die etwa 1.200 Meter hoch sind. Sie weisen eine charakteristische Schichtung auf und sind in der Marsgeologie als innere geschichtete Ablagerungen (Interior Layered Deposits) bekannt, weil sie im Inneren der Valles Marineris und den Seitentälern häufiger anzutreffen sind.
Das Spektrometer OMEGA von Mars Express hat in den geschichteten Ablagerungen Sulfate wie Gips oder Kieserit identifiziert, Minerale, die sich in Gegenwart von Wasser bilden. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Wasser bei der Ausprägung der geschichteten Ablagerungen eine Rolle gespielt hat. Dieses geologisch interessante Gebiet wurde deshalb auch als eine der möglichen Landestellen für das amerikanische
Mars Science Laboratory in Erwägung gezogen, das im Herbst 2009 starten
soll.
Es gibt verschiedene Vermutungen über die Entstehung von Candor Chasma. Eine Theorie besagt, dass der intensive Vulkanismus in Tharsis mit einer Aufwölbung der gesamten Region verbunden war, in deren Zuge es zu großen Spannungen und einer Dehnung und Ausdünnung der Kruste mit Rissbildungen kam. Diese Dehnungstektonik führte zur Grabenbildung und damit zur Entstehung von Candor Chasma; das griechische Wort Chasma
wird in der Planetengeologie für die Bezeichnung von Felsspalten und Canyons
verwendet.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express
der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator
(PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Das
Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn
Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom
DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die
systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Das hier gezeigte Bild
wurde von der PI-Gruppe am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien
Universität Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung
erstellt.
|