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Sternentstehung in kosmischen Vorstädten
von Stefan Deiters astronews.com
4. Februar 2008
Neue Beobachtungen des Infrarot-Teleskops Spitzer haben eine
eigentümliche Parallele zwischen Menschen und Galaxien ans Tageslicht gebracht:
Wenn es nämlich darum geht, Nachwuchs großzuziehen, scheinen beide mehr
ländlich geprägte Vorstädte zu bevorzugen. So stellte Spitzer fest, dass sich Galaxien mit heftiger Sternentstehung eher
außerhalb von Galaxienhaufen aufhalten.
Darstellung der Galaxienverteilung in und um den
Galaxienhaufen Abell 1763 (roter Kreis).
Galaxien, in denen gerade viele neue Sterne
entstehen, sind durch blaue Punkte dargestellt,
die anderen durch rote Punkte. In den Filamenten
(blau), die Galaxienhaufen verbinden, fanden die
Wissenschaftler nun deutlich mehr Galaxien mit
heftiger Sternentstehungsaktivität, als in dem
Haufen selbst.
Bild: NASA / JPL-Caltech /
D.Fadda (SSC-Caltech) [Großansicht] |
Galaxien sind in den wenigsten Fällen Einzelgänger: Sie befinden
sich meist in Gruppen oder Galaxienhaufen, die teilweise beachtliche Ausmaße
annehmen können. Wie die großen Städte auf der Erde sind solche Galaxienhaufen
im gesamten Universum verteilt. Verbunden werden sie durch Filamente aus Gas.
Die meisten Galaxien existieren innerhalb der großen Galaxienhaufen. Es gibt
aber auch Galaxien, die sich in kleineren Gruppen entlang der Filamente
befinden, also in einer Art kosmischen Vorstadt entlang der Autobahn ins
Zentrum. Astronomen vermuten, dass - früher oder später - alle Galaxien aus den
"Vorstädten" entlang der Filamente in einen Galaxienhaufen wandern werden.
Nun hat das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer erstmals eine Reihe
von Galaxien beobachten können, die entlang von solchen Filamenten auf dem Weg
in einen Galaxienhaufen sind - in den Haufen Abell 1763. "Es ist das erste Mal,
dass wir mit einem Infrarotteleskop ein Filament beobachten konnten, das direkt
in einen Galaxienhaufen führt", erläutert Dario Fadda vom Herschel Science
Center am California Institute of Technology. "Unsere
Beobachtungen zeigen, dass der Anteil an Starburst-Galaxien in den Filamenten
mehr als doppelt so groß ist, wie innerhalb des Galaxienhaufens."
Starburst-Galaxien sind Galaxien, in denen es gerade zu einer heftigen Phase von
Sternentstehung kommt.
Galaxienhaufen und die sie verbindenden Filamente gehören mit zu den größten
Strukturen im Universum. Um sie zu beobachten, benötigen die Wissenschaftler also
Instrumente, die große Bereiche des Himmels beobachten und gleichzeitig auch
einzelne Galaxien auflösen können. Mit Spitzer ist dies glücklicherweise
möglich: Fadda und seine Kollegen beobachteten mit dem Infrarotteleskop
Strukturen, die sich über 23 Millionen Lichtjahren erstrecken. Mit Spitzer
ermittelten sie die Sternentstehungsaktivität der einzelnen Galaxien und
bestimmten dann anschließend mit einem bodengestützten Teleskop des Kitt
Peak National Observatory in Arizona, welche der Galaxien zum Haufen und
zu den Filamenten gehörten.
Nach Abschluss der Analyse war das Ergebnis eindeutig: Die Galaxien in den
Filamenten zeigten eine deutlich höhere Sternentstehungsrate als die Galaxien
innerhalb der Haufen. "Die neuen Spitzer-Daten werden wertvolle Hinweise darauf
geben, wie Galaxien wachsen und sich verändern, wenn sie die kosmischen
Vorstädte verlassen und in die Großstädte wandern", so Fadda. Mit künftigen
Infrarotteleskopen, wie etwa dem europäischen Herschel Space Telescope,
werden noch detailliertere Beobachtungen möglich werden. Die Ergebnisse von Fadda
und seinen Kollegen erscheinen demnächst in der Fachzeitschrift The
Astrophysical Journal Letters.
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