Forscher begeistert vom Merkur-Vorüberflug (2)
Zurück zum ersten Teil:
Gelungener Vorüberflug

Auf den Bildern von Messenger wurden
Klippen (Steilstufen) entdeckt, die sich über
größere Entfernungen erstrecken. Dieses Bild
zeigt in einer Region der Merkuroberfläche, die
bisher noch nicht von einer Sonde fotografiert
wurde, eine sehr große Steilstufe, die ganz
rechts von oben nach unten durch das Bild
verläuft. Die Breite des Bildes ist etwa 200
Kilometer, was deutlich macht, dass diese
Steilstufen auf Merkur mehrere hundert Kilometer
lang sein können.
Foto: NASA/Johns Hopkins
University Applied Physics
Laboratory/Carnegie Institution of Washington [Großansicht] |
Auf den Bildern, die mit dem Mercury Dual Imaging System (MDIS)
aufgenommen wurden, fallen die unzähligen Einschlagkrater auf, die zunächst an
die Rückseite des Mondes erinnern. Wegen der viel größeren Anziehungskraft des
Merkur sind die Muster, die das von den Einschlägen ausgeworfene Material in der
Umgebung der Krater hinterlässt, aber anders als auf dem Mond. Dies erschwert
die Bestimmung des Alters der Oberfläche, die durch die statistische Auswertung
der Häufigkeit von Kratern unterschiedlicher Größe ermittelt werden.
Als gesichert kann gelten, dass die meisten Strukturen auf dem Merkur älter
als drei Milliarden Jahre sind. Wie alle anderen Planeten auch, bildete sich der
Merkur vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Mit Messenger konnte nun
erstmals ein vollständiger Blick auf das Caloris-Einschlagbecken geworfen
werden, von dem erst eine Hälfte bekannt war. Es zeigte sich, dass sein
Durchmesser mit 1.550 Kilometern deutlich - etwa ein Fünftel - größer ist, als
bislang angenommen. Das Caloris-Becken entstand vor mehreren Milliarden Jahren
durch den Aufprall eines Asteroiden.
Auffallend ist, dass das Innere von Caloris – ganz anders als die von Kratern
zernarbte Umgebung des Beckens – eine relativ glatte Oberfläche hat, und diese
Ebenen zudem heller sind, als die Strukturen der Umgebung. Das ist ein großer
Unterschied zum Mond, auf dem die großen Einschlagbecken von dunklerem Gestein,
nämlich silikatarmer Basalt-Lava, aufgefüllt wurden. Die Geologen im
Messenger-Team haben zwei Vermutungen: Zum einen könnte es sein, dass
Material aus großer Tiefe durch die große Energie beim Einschlag aufgeschmolzen
wurde. Dieser See aus so genannter Impaktschmelze füllte den Boden des jungen
Kraters an und erstarrte dann zu Gestein. Oder es handelt sich, wie auch
vielfach auf dem Mond zu beobachten, um vulkanische Ablagerungen, deren
Mineralogie sich von den Laven auf dem Erdbegleiter aber unterscheiden könnte.
Im Gegensatz zum Mond hat der Merkur riesige Klippen und Geländekanten, die
sich über Hunderte von Kilometern über die Oberfläche erstrecken. Sie sind die
Überbleibsel von tektonischen Prozessen, von Druckspannungen in der Kruste des
Merkur. Möglicherweise entstanden diese Bergrücken durch die Abkühlung und die
dadurch erfolgte Schrumpfung des einst glühend heißen Planeten – vergleichbar
ein wenig den Runzeln, die bei der Trocknung von Weintrauben zu Rosinen
entstehen.
Das DLR konzentriert sich bei der Auswertung der Messenger-Daten
unter anderem auf die Kartierung der Oberfläche und die Bestimmung geodätischer
Parameter des Planeten, also die Vermessung der genauen Gestalt des
Planetenkörpers und seiner Rotationsachse. Mit den Bildern des Vorbeiflugs
können die bisher vorhandenen Daten der Mariner 10-Mission überprüft
werden. Der Merkur wurde bisher vereinfacht als kugelförmig betrachtet, mit
einer Rotationsachse, die senkrecht zu seiner Bahnebene orientiert ist. Ein
wichtiges Verfahren bei der Größenbestimmung ist die Vermessung des
Planetenrands gegen den schwarzen Hintergrund des Weltalls, da hiermit die
Krümmung der Planetenscheibe und damit der Planetenradius sehr genau bestimmt
werden können.
"Für den exakten Durchmesser besteht eine Unsicherheit von mehr als einem
Kilometer. Nun können wir die genaue Größe des Planeten, sowie die Lage seiner
Rotationsachse im Raum verifizieren", erklärt Oberst. Neben der Orientierung der
Rotationsachse sind Schwankungen in der Rotationsrate, so genannte
"Librationen", für Planetenphysiker von besonderem Interesse, da diese
Aufschluss über den inneren Aufbau des Planeten – ob fest oder in wie weit
flüssig – liefern können. Vor der Auswertung der neuen Beobachtungen sollen
zunächst Vermessungen von Sternaufnahmen erfolgen, um die Kamera an Bord der
Sonde geometrisch zu eichen, das heißt die Brennweite und verzerrenden
Eigenschaften der Kameraoptik zu bestimmen, um damit genaue Messungen
sicherzustellen.
Erstmalig kam während des Vorbeiflugs das Laser-Höhemessgerät von
Messenger in seiner eigentlichen Aufgabe zum Einsatz. Beim Vorbeiflug
wurden erfolgreich Abstandsmessungen zum Boden durchgeführt, die ein rund 2.000
Kilometer langes Höhenprofil entlang der Flugbahn der Sonde bilden. Während das
Gerät erst nach dem Einschwenken in die Umlaufbahn mit systematischen
Beobachtungen der Oberflächentopographie beginnen wird, so können aus diesen
ersten Messungen die reflektierenden Eigenschaften der Merkuroberfläche bestimmt
werden. Die Kenntnis der Oberflächeneigenschaften ist entscheidend für die
Abschätzung der Leistungsmerkmale des Altimeter-Experiments während der
Orbitphase.
"Dieser erste Merkurvorbeiflug von Messenger bescherte uns nicht nur
eine Goldmine an wertvollen Daten, sondern war auch aus Sicht der
Missionskontrolle ein voller Erfolg", resümiert Professor Sean Solomon von der
Carnegie Institution in Washington, der wissenschaftliche Leiter der
Mission. "Denn der anvisierte Punkt des Überflugs wurde ganz genau getroffen, so
dass sich die Sonde nun auf einer perfekten Bahn um die Sonne befindet und dann
der geplante zweite Vorbeiflug im Oktober dieses Jahres erfolgen kann."
Nach einem dritten Nahvorbeiflug im September 2009 wird Messenger
dann 2011 fast die gleiche Bahn wie der Merkur um die Sonne beschreiben und
schließlich nach insgesamt fast acht Milliarden Flugkilometern in eine
Umlaufbahn um den Merkur einschwenken. Die Sonde wurde vom Applied Physics
Laboratory der Johns Hopkins University im US-Bundesstaat Maryland
gebaut, wo auch die Missionskontrolle und der Großteil der Datenauswertung
erfolgen.
Wegen seiner Nähe zur Sonne und ihrer großen Anziehungskraft ist der Merkur
für Raumschiffe extrem schwer zu erreichen. So musste auch Messenger
seit dem Start am 3. August 2004 zunächst auf einer komplexen, spiralförmigen
Flugbahn über dreieinhalb Milliarden Kilometer im inneren Sonnensystem
zurücklegen, ehe die erste Begegnung mit dem kleinsten der acht Planeten möglich
war. Eine zusätzliche Herausforderung stellt der Schutz der empfindlichen
Instrumente und Komponenten des Satellitensystems vor der großen Wärmestrahlung
in fünfzig bis sechzig Millionen Kilometern Entfernung zur Sonne dar.
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