Deutlich mehr Masse als angenommen?
von Stefan Deiters astronews.com
16. Januar 2008
Neutronensterne und Schwarze Löcher sehen vielleicht doch
ein wenig anders aus als man bislang dachte: Nach Beobachtungen mit dem
Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico glauben Astronomen nämlich, dass
Neutronensterne deutlich massereicher sein können als angenommen. Nach den
Ergebnissen der Wissenschaftler sollte es somit mehr Neutronensterne und weniger
Schwarze Löcher geben.
Sind Neutronensterne deutlich massereicher als angenommen?
Beobachtungen mit dem Arecibo-Radioteleskop deuten darauf hin.
Bild:
NAIC - Arecibo Observatory, eine Einrichtung der NSF / David Parker /
Science Photo Library |
Die neue Untersuchung, die Paulo Freire, Astronom am Arecibo
Observatory in Puerto Rico, in der vergangenen Woche vorstellte, enthält
eindeutige Hinweise darauf, dass Neutronensterne eine signifikant größere Masse
haben können als man bislang geglaubt hatte. Schwarze Löcher bilden sich danach
deutlich schwerer und könnten somit erheblich seltener sein als angenommen.
"Die Materie im Zentrum eines Neutronensterns ist hochgradig unkomprimierbar",
erläutert Freire. "Unsere neuen Messungen der Masse von Neutronensternen werden
dazu beitragen, dass Kernphysiker die Eigenschaften dieser extrem dichten
Materie besser verstehen. Sie bedeuten außerdem, dass zur Entstehung eines
Schwarzen Lochs mehr Masse benötigt wird als man bislang dachte. Damit könnten
im Universum Schwarze Löcher etwas seltener sein und Neutronensterne häufiger."
Neutronensterne und stellare Schwarze Löcher sind ein Endprodukt der
Entwicklung massereicher Sterne. Massereiche Sterne besitzen deutlich mehr Masse
als beispielsweise unsere Sonne, die in einigen Milliarden Jahren nicht als
Neutronenstern oder Schwarzes Loch enden wird, sondern als Weißer Zwerg. Geht
massereichen Sternen der Brennstoff aus, kollabieren sie unter ihrer eigenen
Schwerkraft und explodieren als Supernova. Zurück bleibt ein Kern mit
typischerweise der rund 1,4-fachen Masse unserer Sonne, ein Neutronenstern.
Neutronensterne haben einen Durchmesser von vielleicht 30 Kilometern und eine
Dichte in der Größenordnung von Milliarden Tonnen pro Kubikzentimeter. Nach
Ansicht von Freire müsse man sich einen Neutronenstern wie einen einzigen
riesigen Atomkern mit der rund 460.000-fachen Masse der Erde vorstellen. Bislang
war man davon ausgegangen, dass Neutronensterne mit einer Masse zwischen 1,6 und
2,5 Sonnenmassen zu einem Schwarzen Loch kollabieren. Freire und seine Kollegen
glauben nun, dass Neutronensterne mit Massen von 1,9 Sonnenmassen und eventuell
sogar bis zur 2,7-fachen Masse der Sonne noch Neutronensterne bleiben können.
"Die Materie im Zentrum eines Neutronensterns ist die dichteste im Universum.
Sie ist um ein bis zwei Größenordnungen dichter als die Materie in einem
Atomkern. Sie ist so dicht, das wir nicht wissen, um was es sich eigentlich
handelt", so Freire. "Das ist auch der Grund, warum man keine Vorstellung davon
hat, wie groß oder massereich ein Neutronenstern werden kann."
Freire und seine Kollegen hatten zwischen Juni 2001 und März 2007 mit dem
Arecibo-Radioteleskop einen Doppelpulsar im Kugelsternhaufen M5 im Sternbild
Schlange beobachtet. Pulsare sind rotierende Neutronensterne, die wie ein
Leuchtturm, große Mengen gebündelter elektromagnetischer Strahlung aussenden.
Diese können wir auf der Erde registrieren, wenn uns - bedingt durch die Drehung des
Sterns - der "Lichtkegel" trifft. Im Falle des beobachteten Pulsars in
M5 erreichen uns diese Radiopulse alle 7,95 Millisekunden.
Durch eine genaue Analyse dieser Radiopulse gelang es den Astronomen die
Bewegung des Pulsars um seinen Begleiter zu bestimmen und hieraus schließlich
die Masse des Pulsars. Sie ermittelten für den rotierenden Neutronenstern eine
Masse von 1,9 Sonnenmassen. Schon früher hatte es Anhaltspunkte dafür gegeben,
dass einige massereiche Sterne, nicht - wie erwartet - als Schwarzes Loch enden,
sondern als Neutronenstern (astronews.com berichtete).
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