Weiße Zwerge mit Kohlenstoff-Atmosphäre
von Stefan Deiters astronews.com
23. November 2007
Astronomen haben eine Reihe von Weißen Zwergsternen
entdeckt, die offenbar eine Atmosphäre aus reinem Kohlenstoff haben. Nach
Ansicht der Wissenschaftler könnte es sich bei diesen ausgebrannten Sternen um
die Überreste von massereichen Sonnen handeln, die aber etwas zu wenig Masse
hatten, um als Supernova zu explodieren.

So stellt sich ein Künstler den Stern H1504+65 -
betrachtet aus der Entfernung der Erde von der
Sonne - vor. Dieser heiße Weiße Zwerg könnte
sich eventuell einmal zu einem Weißen Zwerg mit
Kohlenstoff-Atmosphäre entwickeln.
Bild: Chandra / RAS / University of
Leicester |
Als Weiße Zwergsterne bezeichnen Astronomen die glühenden Überreste eines
Sterns. Auch unsere Sonne wird einmal als ein Weißer Zwerg enden. Die genaue
Zusammensetzung dieser Objekte hängt auch von der Masse und
Entwicklungsgeschichte des Vorgängersterns ab und welche Elemente in seinem
Inneren während seines nuklearen Lebens fusioniert worden sind.
Wenn ein Stern Helium verbrennt, entsteht eine "Asche" aus Kohlenstoff und
Sauerstoff. Ist der Brennstoff verbraucht, bleibt ein kompaktes und
zunächst glühend heißes Objekt zurück, in dem die Masse der Sonne etwa auf Erdgröße komprimiert ist. Astronomen glauben, dass die meisten dieser Weißen
Zwerge einen Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff besitzen, der allerdings vor
unseren Blicken durch eine Schicht - oder Atmosphäre - aus Wasserstoff und
Helium verborgen ist.
Weiße Zwerge mit einer Atmosphäre aus reinem Kohlenstoff zu finden, hatten die
Astronomen nicht erwartet - doch genau dies ist geschehen: "Wir haben Sterne
entdeckt, in deren Atmosphäre es keine Spuren von Wasserstoff oder Helium gibt",
erläutert Patrick Dufour vom Arizona Steward Observatory. "Wir könnten
hier den nackten Kern des Weißen Zwergs sehen. Damit hätten wir ein Fenster in den
nuklearen Brennofen des Sterns und würden direkt die Asche der
Fusionsreaktionen sehen."
Die Sterne, über deren Entdeckung Dufour, Professor James Liebert von der University of Arizona und weitere Kollegen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift
Nature
berichten, entdeckten die Wissenschaftler unter insgesamt 10.000 neuen Weißen
Zwergen, die im Sloan Digital Sky Survey (SDSS) aufgespürt worden waren. Einige
Dutzend von diesen Neuentdeckungen klassifizierte Liebert 2003 als sogenannte
DQ-Weiße Zwerge. Beobachtet man sie im optischen Bereich des Lichtes, sieht man
hauptsächlich Kohlenstoff und Helium, so dass die Astronomen annehmen, dass
Kohlenstoff aus dem Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern in die Helium-Schicht gemischt
wurde.
Im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Université de Montréal hatte Dufour ein
Modell zur Analyse der Atmosphäre von relativ kalten DQ-Weißen Zwergen
entwickelt und bei Beginn seiner Arbeit am Steward Observatory im Januar diese
Modelle auch für heißere DQ-Weiße Zwerge angepasst. "Als ich mit der Analyse der
heißeren DQ-Sterne begann, dachte ich zunächst, dass es sich um Helium-reiche
Sterne mit Spuren von Kohlenstoff handelt, genau wie es bei den kühleren
Exemplaren der Fall war", erinnert sich Dufour. "Allerdings stimmten die
Ergebnisse nicht mit den Beobachtungsdaten des SDSS überein - selbst wenn ich den
Anteil des Kohlenstoffs vergrößerte."
Im Mai 2007 entschloss sich Dufour dann zu einem radikalen Schritt: "Aus purer
Verzweiflung habe ich ein Modell mit einer reinen Kohlenstoff-Atmosphäre
ausprobiert. Und die Daten passten perfekt. Mit einer reinen Kohlenstoff-Atmosphäre
wurde das Spektrum exakt so vom Modell reproduziert, wie es beobachtet wurde.
Niemals zuvor war eine reine Kohlenstoff-Atmosphäre gerechnet worden, weil
niemand geglaubt hat, dass es so etwas gibt. Wir waren alle überrascht und
begeistert."
Inzwischen haben Dufour und seine Kollegen acht der insgesamt 200 DQ-Sterne als
Weiße Zwerge mit Kohlenstoff-dominierter Atmosphäre identifiziert. Jetzt rätseln
sie, warum sich diese Sterne nur unter den sehr heißen Weißen Zwergen finden
lassen: "Sie sind zu heiß, um sie mit dem Standard-Vermischungsmodell erklären zu
können, es muss also eine andere Lösung geben."
Vielleicht liefert der 1986 entdeckte Stern H1504+65 eine Erklärung, über den
astronews.com auch schon berichtet hat. Der Stern ist etwa zehn Mal heißer, als
einer der Weißen Zwerge mit Kohlenstoff-Atmosphäre und hat irgendwie seine
Wasserstoffhülle verloren, so dass man bei ihm praktisch - von einigen
Helium-Spuren abgesehen - einen reinen Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern vor sich hat.
"Wir glauben, dass wenn ein Stern wie H1504+65 abkühlt, er eventuell zu einem
reinen Kohlenstoff-Stern werden könnte", erläutert Dufour. Wenn der recht
massereiche Stern sich abkühlt, würden Kohlenstoff, Sauerstoff und die
Helium-Spuren getrennt. Über einer bestimmten Temperatur würde das Helium nach
oben steigen und eine dünne Helium-Schicht bilden, die den Stern von außen als
Weißen Zwerg mit einer Helium-Atmosphäre erscheinen lassen würde.
Doch im Temperaturbereich, in dem Dufour die DQ-Sterne analysiert hat, könnte es
zu einer Vermischung mit dem Kohlenstoff kommen. Der Sauerstoff könnte ins Zentrum des
Sterns abgesunken sein. Modelle von Sternen mit einer Masse zwischen neun und
elf Sonnenmassen könnten, so die Wissenschaftler, diese ungewöhnlichen
Kohlenstoffsterne erklären.
Modelle von 1999 sagen voraus, dass Sterne mit der
neun oder zehnfachen Masse als Weißen Zwerge enden würden und einen
Sauerstoff-Magnesium-Neon-Kern mit einer Kohlenstoff-Sauerstoff-Atmosphäre
hätten. Massereichere Sterne würden dann als Supernova explodieren.
Allerdings ist die genaue Grenze, wann ein Stern zur Supernova wird, recht
unsicher: Sie kann irgendwo zwischen der acht und elffachen Masse der Sonne
liegen. "Wir wissen nicht, ob diese Sternen mit Kohlenstoff-Atmosphäre von einem
Stern stammen, der einmal die neunfache oder aber die zehnfache Masse der Sonne
hatte, aber genau das ist die entscheidende Frage", so Liebert.
Neue Beobachtungen der ungewöhnlichen Weißen Zwerge sollen nun weitere
Informationen über diese Objekte liefern und vielleicht auch klären helfen, wo
die Grenze liegt, ab der ein Stern als Supernova explodiert.
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