Was Plasma auf Touren bringt
von Stefan Deiters astronews.com
21. November 2007
Mit Hilfe von Daten der Cluster-Satelliten konnten
Wissenschaftler nun nachweisen, dass durch solare Eruptionen im Erdmagnetfeld
Bedingungen erzeugt werden können, in denen Partikel Katapult-artig auf
Geschwindigkeiten von über 1.000 Kilometern pro Sekunde beschleunigt werden.
Dieser Mechanismus unterscheidet sich von der schon bekannten sogenannten
magnetischen Rekonnektion.
Die vier
Cluster-Satelliten liefern seit sieben Jahren
wichtige Daten über das Weltraumwetter.
Bild: NASA /
JPL-Caltech |
Die Entdeckung gelang durch den Vergleich von Daten der vier
Cluster-Sonden mit Computer-Simulationen der irdischen
Magnetosphäre. Während die Sonne ständig einen kleinen Teil ihrer Masse
als Sonnenwind ins All bläst, kommt es gelegentlich zu gewaltigen sogenannten koronalen Massenauswürfen, bei denen bis zu zehn Milliarden Tonnen von Plasma,
also geladenen Teilchen, ins Sonnensystem geblasen werden.
Viele dieser Eruptionen treffen die Erde nicht. Vor den meisten Partikeln, die
uns doch erreichen, schützt uns dann das Erdmagnetfeld, das die Teilchen
ablenkt. Zuweilen kommt es aber zu Polarlichtern und in seltenen Fällen können auch
Satelliten oder elektronische Anlagen auf der Erde in Mitleidenschaft gezogen
werden. Dies geschah vermutlich am 11. Januar 1997, als der 200 Millionen Dollar
teure TV-Satellit Telstar 401 plötzlich den Dienst einstellte und auch nicht
wieder reaktiviert werden konnten.
Für die Wissenschaftler ist es entscheidend das Zusammenspiel zwischen den
elektrisch geladenen Teilchen von der Sonne und dem Erdmagnetfeld zu verstehen.
So fragen sie sich zum Beispiel durch welche Vorgänge in der Magnetosphäre die
Teilchen von der Sonne auf noch höhere Geschwindigkeiten beschleunigt werden.
Bislang nahm man an, dass dies durch sogenannte magnetische Rekonnektion
geschieht, die auf Wechselwirkungen des Magnetfelds der ankommenden Partikel mit
dem Erdmagnetfeld basiert.
Doch offenbar geht es auch anders: Vor fast genau sechs Jahren, am 25.
November 2001, wurde die Erde von den Teilchen einer koronalen Masseneruption
getroffen. Die vier Cluster-Satelliten registrierten dabei, dass das Plasma auf
Geschwindigkeiten von bis zu 1.040 Kilometer pro Sekunde beschleunigt worden
war, während der Sonnenwind selbst nur eine Geschwindigkeit von 650 Kilometern
pro Sekunde hatte.
Solche Beschleunigungen waren für die Wissenschaftler nichts Besonderes und
waren schon früher beobachtet worden. Ursache war bisher magnetische
Rekonnektion. Doch vor sechs Jahre lag der Fall offenbar anders: Durch die
Kombination der Cluster-Daten mit globalen Simulationen der Magnetosphäre der Erde
stellten Wissenschaftler nun fest, dass die Beschleunigung durch besondere
Bedingungen bewirkt werden kann, die durch die meisten koronalen
Massenauswürfe entstehen können.
"Wir haben eindeutige Beweise dafür, dass die von Cluster beobachtete starke
Beschleunigung des Plasmas am 25. November 2001 nicht das Ergebnis von
magnetischer Rekonnektion war, sondern sich durch Bedingungen erklärt, die durch
den koronalen Massenauswurf entstanden sind", erläutert Benoit Lavraud vom
amerikanischen Los Alamos National Laboratory, der die Studie leitete.
Dass es zu so schnellen Strömen von Plasma kommen kann, hat Auswirkungen auf
die Wechselwirkungen zwischen Sonnenwind und Magnetosphäre. So könnte es
beispielsweise zu besonders großen, spiralförmigen Polarlichtern kommen, wie sie
erst in diesem Jahr von schwedischen Forschern beobachtet wurden. Zudem, so die
Wissenschaftler, würde die Studie nicht nur deutlich machen, wie wichtig die
Cluster-Daten für das Verständnis der Weltraumwetters sind, sondern auch, wie erhellend es sein kann, diese Daten mit
den Ergebnissen von Simulationen des Erdmagnetfelds zu kombinieren.
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