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PHYSIK
Die Kaffeetemperatur im ICE
Redaktion / Pressemitteilung der Universität Augsburg / idw
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8. November 2007

Vor über 100 Jahre wurde die spezielle Relativitätstheorie Einsteins veröffentlicht. Trotzdem blieb eine Frage lange Zeit unbeantwortet: Erscheint die Temperatur eines Kaffees in einem sehr schnell fahrenden Zug höher oder niedriger als in einem langsam fahrenden? Einstein hatte an eine Verringerung der Temperatur geglaubt. Augsburger Physiker sind da anderer Ansicht. 

Relativistische Thermodynamik

Ist der Kaffee im fahrenden ICE kälter oder wärmer? Augsburger Physikern gelang nun der Nachweis, dass die Temperatur eines Körpers nicht von dessen Bewegungszustand abhängt und damit die Temperatur eines im Zug eingeschlossenen Gases unabhängig ist von seiner Geschwindigkeit relativ zum Beobachter. Bild: idw / Universität Augsburg [Großansicht]

Augsburger Physikern ist es in Zusammenarbeit mit spanischen Kollegen gelungen, ein offenes und vielfach kontrovers diskutiertes Problem der Thermodynamik und der Einsteinschen Relativitätstheorie zu klären. Mittels molekular-dynamischer Simulationen konnten sie zeigen, dass bei Wahl eines geeigneten Thermometers die Temperatur eines Körpers nicht von dessen Bewegungszustand abhängt. Mit anderen Worten: Die Kaffee-Temperatur in einem sehr schnell fahrenden Zug erscheint weder höher noch niedriger als in einem langsam fahrenden. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Thermodynamik und Einsteinsche Relativitätstheorie sind neben der Quantenmechanik die Eckpfeiler der modernen Physik. Im Gegensatz zu speziellen Teilgebieten wie der Akustik oder der Optik bilden sie ein allgemeines Rahmenwerk, das sämtliche Aspekte der Physik umfasst und beeinflusst. Die konsistente Vereinigung von Thermodynamik und Relativitätstheorie ist somit von zentraler Bedeutung; seit Beginn des vorherigen Jahrhunderts bereits wird sie intensiv diskutiert.

Vor Bekanntwerden der speziellen Relativitätstheorie im Jahre 1905 wurde angenommen, dass sich die Teilchengeschwindigkeiten in einem Gas gemäß einer Gaußschen Statistik verteilen. Letztere würde prinzipiell auch Geschwindigkeitswerte erlauben, die die Lichtgeschwindigkeit überschreiten. Wie bereits Planck richtig erkannte, steht dies jedoch im Widerspruch zur Einsteinschen Relativitätstheorie, der zufolge massenbehaftete Teilchen sich nicht schneller als Licht bewegen dürfen. Damit ist also im Rahmen der Relativitätstheorie die ursprünglich angenommene Gaußsche Geschwindigkeitsverteilung so zu ersetzen, dass keine Überlichtgeschwindigkeiten mehr auftreten können.

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Doch wie sieht nun die tatsächlich richtige relativistische Geschwindigkeitsverteilung aus? Zu dieser Frage finden sich in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene kontrovers diskutierte Vorschläge. Um hier Klarheit zu schaffen, haben die Augsburger Physiker Jörn Dunkel, Prof. Dr. Peter Talkner und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hänggi am Lehrstuhl für Theoretische Physik I der Universität Augsburg in Zusammenarbeit mit ihren spanischen Kollegen Dr. David Cubero und Dr. Jesus Casado von der Universität Sevilla umfangreiche Simulationen zur Molekulardynamik relativistischer Gase durchgeführt und dabei mit hoher Genauigkeit eine Verteilung bestätigt, die bereits im Jahre 1911 von Ferencz Jüttner postuliert wurde.

Darüber hinaus klärten die Computer-Experimente der Augsburger Forscher und ihrer spanischen Kollegen in anschaulicher Weise, wie sich das Konzept der Temperatur in die Relativitätstheorie einbetten lässt. Sie zeigten, wie man anhand statistischer Daten ein Thermometer konstruieren kann, das die Temperatur schneller relativistischer Teilchen zu bestimmen vermag. Die Spezielle Relativitätstheorie besagt unter anderem, dass sich die Länge eines bewegten Stabes vom ruhenden Beobachter aus gesehen verringert. Im Jahre 1907 schlugen Planck und Einstein vor, dass sich analog auch die absolute Temperatur eines bewegten Körpers verringern sollte. Andere große Physiker wie Eddington argumentierten demgegenüber für eine Temperaturerhöhung, während einige Autoren die Auffassung vertraten, dass sich die Temperatur nicht ändere.

"Diese Verwirrung", so Hänggi, "geistert bis zum heutigen Tag in der Physik herum. Unsere Simulationen geben diesbezüglich zumindest für Systeme in einer Dimension eine klare Antwort: Bei Verwendung eines geeigneten statistischen Thermometers hängt die Temperatur eines Gases nicht von seiner Bewegung relativ zum Beobachter ab, ein mit konstanter Geschwindigkeit bewegtes Gas erscheint also weder erhitzt noch abgekühlt."

Da man in irdischen Laboren kein Gas auf die notwendigen Geschwindigkeiten beschleunigen und dann auch noch Messungen darin durchführen kann, mussten sich die Physiker zunächst mit ihren Simulationen begnügen. Allerdings, so wird Dunkel auf der Webseite des American Institute of Physics, zitiert, könnte es im All astrophysikalische Objekte geben, die in Zukunft einmal eine experimentelle Bestätigung dieser Frage erlauben könnten.

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