Neuer Rekord für stellares Schwarzes Loch
von Stefan Deiters astronews.com
31. Oktober 2007
Gerade einmal einen halben Monat hat der Rekord für das
massereichste stellare Schwarze Loch Bestand gehabt, über den astronews.com Mitte Oktober
berichtet hatte: Jetzt melden Astronomen nämlich den Fund eines stellaren Schwarzen Lochs,
das mit einer Masse von 24 bis 33 Sonnenmassen noch massereicher ist als der
alte Rekordhalter. Die Wissenschaftler fanden den neuen Klassenbesten in der
Zwerggalaxie IC 10.
Die irreguläre Zwerggalaxie IC 10.
Foto: Adam Block / NOAO / AURA
/ NSF |
Auch der neue Rekordhalter ist ein sogenanntes stellares Schwarzes Loch, also
ein Produkt der Entwicklung eines massereichen Sterns: Während ein Stern wie
unsere Sonne am Ende seines Lebens zu einem Weißen Zwerg wird, explodieren
massereichere Sterne in einer sogenannten Supernova-Explosion. Am Ende bleibt
ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch zurück, das zwar ein Vielfaches der
Masse unserer Sonne aufweisen kann, damit aber immer noch deutlich masseärmer
ist als die Schwarzen Löcher, die sich im Zentrum von Galaxien finden. Diese
haben die Millionen bis Milliarden-fache Masse unserer Sonne.
Der letzte Rekordhalter in der Galaxie M33, über den astronews.com vor gerade
einmal zwei Wochen berichtete, brachte es auf eine Masse von 15,7 Sonnenmassen.
Das jetzt in der Zwerggalaxie IC 10 entdeckte Objekt dürfte zwischen 24- und 33-mal massereicher als unser Zentralgestirn sein. "Wir haben gar nicht erwartet
hier ein Schwarzes Loch zu finden, das so massereich ist", erzählt Andrea Prestwich vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, die auch
Hauptautorin eines Artikels ist, der in der morgigen Ausgabe der Fachzeitschrift
Astrophysical Journal Letters erscheint. "Es sieht ganz danach aus, als könnten
Schwarze Löcher, die aus sterbenden Sternen entstehen, viel massereicher sein
als wir bislang angenommen hatten."
Das jetzt entdeckte Schwarze Loch liegt in der Zwerggalaxie IC 10, die rund 10,8
Millionen Jahre von der Erde entfernt im Sternbild Kassiopeia liegt. Die
Massenbestimmung gelang Prestwich und ihren Kollegen, weil das Schwarze Loch
einen Begleiter hat, einen heißen Stern, der sich gerade in der Endphase seines
nuklearen Lebens befindet. Dabei bläst er große Teile seiner äußeren Hülle in Form von
Winden ins All. Teile des Gases werden vom Schwarzen Loch angezogen und spiralen
in dieses hinein. Dabei heizt sich das Material auf und sendet intensive
Röntgenstrahlung aus.
Im November des vergangenen Jahres haben Prestwich und ihr Team die Zwerggalaxie
IC 10 mit dem Röntgenteleskop Chandra beobachtet und dabei festgestellt, dass
die hellste Röntgenquelle der Galaxie, IC 10 X-1, regelmäßige Schwankungen in
der Röntgenhelligkeit zeigt. Das deuteten die Astronomen als Hinweis darauf,
dass ein Stern offenbar um das Schwarze Loch kreist und dabei - von der Erde aus
gesehen - regelmäßig einen Teil der Röntgenstrahlung verdeckt. Ergänzende
Beobachtungen mit dem NASA-Satelliten SWIFT sowie dem Gemini-Teleskop auf Hawaii
lieferten weitere Details über das Doppelsystem, woraus sich die Masse des
Schwarzen Lochs bestimmen lies: mindestens die 24-fache Masse unserer Sonne.
Noch gibt es einige Unsicherheiten über die Masse des Schwarzen Lochs, doch
diese sollten sich, so Prestwich, mit weiteren Beobachtungen bald eliminieren
lassen. "Durch weitere Messungen dürfte die Masse aber eher nach oben als nach
unten korrigiert werden." Die Masse des Schwarzen Lochs stellt die
Wissenschaftler nun vor das Problem, dessen Existenz schlüssig mit Hilfe
ihrer Theorien zu erklären, die eigentlich darauf hindeuten, dass Sterne nach
einer Supernova Schwarze Löcher hinterlassen, die höchstens eine Masse von der
15- bis 20-fachen Masse unserer Sonne haben.
Zwar hat das jetzt entdeckte Schwarze Loch durch das Verschlingen von Material
seines Begleitstern noch etwas an Masse zugelegt, doch schätzen die Forscher
diesen Anteil auf maximal ein bis zwei Sonnenmassen. "Dieses Schwarze Loch wurde
fett geboren, es ist nicht fett geworden", so Astrophysiker Richard Mushotzky
vom NASA Goddard Space Flight Center, der nicht zum Entdeckerteam
gehörte.
Die Wissenschaftler vermuten, dass die Entstehung eines so massereichen
Schwarzen Loches etwas mit den Umweltbedingungen in IC 10 zu tun haben könnte.
Der Vorgängerstern des Schwarzen Lochs dürfte eine Masse von mindestens der
60-fachen Masse unserer Sonne gehabt haben. In unserer Galaxie sollten solche
Sterne in der letzten Phase ihres Lebens gewaltige Mengen an Gas ins All
abblasen, so dass ein so massereiches Schwarzes Loch kaum zurückbleiben kann.
Die Bedingungen in IC 10 unterscheiden sich allerdings in einem Punkt von denen
unserer Milchstraße: In IC 10 gibt es nur sehr wenige Elemente, die schwerer
sind als Wasserstoff und Helium. Dieser Umstand könnte dazu geführt haben, dass deutlich
weniger Masse des Vorgängersterns verloren ging und damit auch ein so
massereiches Schwarzes Loch entstehen konnte.
"Heute entstehen solche massereichen Schwarzen Löcher vermutlich nicht mehr in
unserer Milchstraße", meint auch Co-Autor Roy Kilgard von der Wesleyan
University. "Aber es könnte trotzdem da draußen Millionen dieser massereichen
Schwarzen Löcher geben, die in der Frühzeit der Milchstraße entstanden sind als
auch diese noch nicht über so viele schwere Elemente verfügte."
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