Junge Sterne um einen Quasar
von Stefan Deiters astronews.com
29. Oktober 2007
Welche Rolle spielen Kollisionen bei der
Aktivierung von sogenannten Quasaren, also von supermassereichen Schwarzen Löchern
im Zentrum von Galaxien? Eine Forschergruppe meinte erst letzte Woche auf
Hinweise gestoßen zu sein, dass der Einfluss von Kollisionen geringer sein
könnte als angenommen. Ein anderes Team, das sich auf neue Hubble-Beobachtungen
stützt, ist da anderer Ansicht.

Die gefundenen
Schalen mit jüngeren Sternen um den Quasar MC2
1635+119. Um die Schalen sichtbar zu machen,
wurden ihre Strukturen verstärkt.
Foto: NASA, ESA und G. Canalizo (University of California, Riverside) [Weitere
Ansichten] |
Quasare sind gewaltige Schwarze Löcher im Zentrum von - meist
entfernten - Galaxien, die mit einer so großen Rate das Material um sie herum
verschlingen, dass ihre unmittelbare Umgebung so hell erscheint, dass die
eigentliche Galaxie oft regelrecht überstrahlt wird. Doch durch welches Ereignis
wird eigentlich ein Schwarzes Loch zu einem Quasar? Erst am Freitag
vergangener Woche berichteten wir bei astronews.com von neuen Erkenntnissen,
nach denen Kollisionen von Galaxien dabei eventuell eine weniger wichtige Rolle
spielen könnten als bislang angenommen.
Wie unklar die Lage aber derzeit ist, zeigen jetzt veröffentlichte Ergebnisse
über die Hubble-Beobachtungen des Quasars MC2 1635+116: Die den Quasar
umgebende Galaxie erschien lange als gewöhnliche elliptische Galaxie. Doch nun
entdeckte eine Gruppe von Astronomen um Gabriela Canalizo von der University
of California in Riverside in eigentümlichen Schalen angeordnete
Sterne um das Zentrum der Galaxie, was nach ihrer Ansicht auf eine Kollision
mit einer anderen Galaxie vor gar nicht so langer Zeit hindeutet.
Die Schlussfolgerung der Astromomen: "Unsere Beobachtungen liefern neue
Hinweise darauf, dass Kollisionen und Verschmelzungen sehr wichtig sind, um
Quasare anzuregen. Die meisten Quasare waren im jungen Universum aktiv. Damals
war das Universum kleiner, also sind Galaxien auch häufiger kollidiert", so Canalizo. "Astronomen haben lange Zeit vermutet, dass Quasare durch bestimmte
Wechselwirkungen angetrieben werden, durch die Gas in die Nähe der Schwarzen
Löcher im Zentrum gelangt. Dieser Quasar ist nur zwei Milliarden Lichtjahre von
uns entfernt und damit ein wunderbares Studienobjekt, um herauszufinden, wie
weiter entfernte Quasare aktiviert werden."
Frühere Untersuchungen der Galaxie mit erdgebundenen Teleskopen ließen das
System immer als ein normal aussehenden elliptische Galaxie erscheinen, die im
wesentlichen über ältere Sterne verfügt. Erst Beobachtungen mit dem
Hubble-Weltraumteleskop und weitere spektroskopische Analysen mit dem
Keck-Teleskop auf Hawaii machten fünf Schalen aus hellen Sternen und weiterem
Staub und Gas sichtbar, die den Wellenmustern gleichen, die entstehen, wenn man
einen Stein in einen Teich wirft. Die am weitesten entfernte Schale liegt liegt
etwa 40.000 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxie entfernt.
"Dies ist die spektakulärste Galaxie mit solchen Schalen, die man bislang in
dieser Entfernung gesehen hat", meint auch Teammitglied Francois Schweizer von
den Carnegie Observatories im kalifornischen Pasadena. Die Schalen
dürften, so die Ansicht der Astronomen, durch eine Kollision mit einer anderen
Galaxie entstanden sein. Computersimulationen ergaben, dass diese kosmische
Karambolage vor etwa 1,7 Milliarden Jahren stattgefunden haben muss. Die
Verschmelzung an sich dauerte dann einige Hundert Millionen Jahre und sorgte für
eine neue Phase von Sternentstehung.
Dieses Modell stimmt mit spektroskopischen Altersbestimmungen überein, die
das Alter der neuen Sterne auf etwa 1,4 Milliarden Jahre schätzen. Die
beobachteten Schalen bewegen sich nach außen. Die jüngeren Sterne werden sich so mit schon vorhandenen älteren Sternen vermischen, so dass sich die Schalen nach und nach
auflösen dürften. "Es könnte sich also hier um eine Übergangsphase handeln, die
nur 100 Millionen bis zu einer Milliarde Jahre dauert", so Canalizo. "Dass wir
die Schalen beobachten konnten, zeigt uns, dass die Verschmelzung vor nicht
allzu langer Zeit stattfand. Hubble hat also im richtigen Moment beobachtet."
Noch ist den Astronomen nicht klar, was für eine Art von Kollision vor 1,7
Milliarden Jahren stattfand: "Die Entstehung der Schalen und die Quasaraktivität
könnte durch die Kollision von zwei großen Galaxien ausgelöst worden sein oder
durch durch die Kollision einer großen mit einer kleineren Galaxie", erläutert
Nicola Bennert von der University of California in Riverside. "Wir benötigen aber
hochaufgelöste Spektren der Galaxie, um dies entscheiden zu können."
Die Arbeit der Astronomen ist Teil einer Untersuchung von fünf
Galaxien in einer Entfernung von rund zwei Milliarden Lichtjahren, die alle
einen Quasar enthalten und, so Canalizo, alle Spuren einer Kollision aufweisen.
14 weiteren Galaxien mit Quasaren sind derzeit in Arbeit. "Wir wollen nun
herausfinden, ob die meisten Quasare in dieser Epoche ihre Aktivität nach
Kollisionen und Verschmelzungen beginnen oder ob das nur in alten elliptischen
Galaxien passiert, in denen zuvor lange Zeit nichts wirklich interessantes
geschehen ist."
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HubbleSite,
Original-Pressemitteilung des STScI mit Bildern
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