Räuberische
Verjüngungskur einer Galaxie
von Stefan Deiters astronews.com
23. Oktober 2007
Astronomen konnten mithilfe des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer
verfolgen, wie sich eine alte Galaxie einer Art Verjüngungskur unterzieht -
allerdings auf Kosten einer kleineren Nachbargalaxie: Die Wissenschaftler
beobachteten, wie die eine Galaxie der anderen enorme Mengen an Gas entzieht,
aus dem einmal Milliarden von neuen Sternen werden könnten.
Die beiden Galaxien 3C 326 North und South in
einer Infrarot-Aufnahme des Weltraumteleskops
Spitzer.
Bild: NASA / JPL-Caltech / P.
Ogle (SSC/Caltech) [Großansicht] |
"Vermutlich beobachten wir hier die größere, alte Galaxie in einer
seltenen und recht kurzen Phase ihrer Wiedergeburt zu einer jugendlichen
Galaxie mit vielen jungen und hellen Sternen", erläutert Patrick Ogle vom
Spitzer Science Center der NASA am California Institute of Technology.
Ogle ist Hauptautor eines Artikels über die Spitzer-Beobachtungen, der
am Wochenende in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal erschienen
ist.
Die räuberische Galaxie trägt den Namen 3C 326 North und hat in etwa die
Größe unserer Milchstraße. Ihr Opfer, 3C 326 South, ist nur etwa halb so groß.
Beide Galaxien sind sich so nahe, dass sie sich gegenseitig durch ihre
Anziehungskraft beeinflussen und vermutlich im Laufe der Zeit auch verschmelzen werden. Astronomen glauben, dass solche Verschmelzungen recht
häufig im Universum vorkommen.
Bevor jedoch eine neue, größere Galaxie entsteht,
kann es zu einem Austausch von Gas und Sternen zwischen den beiden Partnern
kommen. Der Fall 3C 326 ist bislang das beste Beispiel dafür, wie große Mengen an
Gas aufgeheizt und ausgetauscht werden. "Was wir hier gerade sehen, könnte eine
wichtige Phase bei der Verschmelzung von Galaxien sein", so Ogle.
Ogle wollte zusammen mit seinen Kollegen eigentlich eine Reihe von
Radiogalaxien studieren, die rund eine Milliarde Lichtjahre von uns entfernt
liegen. Diese Galaxien verfügen alle über Radiowellen aussendende Jets, die aus
unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum dieser Galaxie stammen. 72
dieser Radiogalaxien haben die Forscher mit dem Infrarot-Weltraumteleskop
Spitzer genauer untersucht und entdeckten dabei einige, die ihnen etwas ungewöhnlich
erschienen.
3C 326 North war dabei der wohl ungewöhnlichste Vertreter: Die Galaxie
verschlang enorme Mengen an heißem Wasserstoffgas, das Temperaturen von bis zu
730 Grad Celsius erreichte. Bei diesem - molekularen - Wasserstoffgas handelt es
sich um die Grundbausteine von Galaxien, Sternen und Planeten. Für optische
Teleskope ist molekulares Wasserstoffgas unsichtbar, doch wenn es aufgeheizt
wird, ist es im Infraroten zu erkennen.
"Wasserstoff ist das mit Abstand häufigste Element im Universum. In seiner
molekularen Form war es aber bis zum Start von Spitzer quasi unsichtbar",
erläutert Teammitglied Robert Antonucci von der University of California in
Santa Barbara. Zunächst hatten sich der Wissenschaftler gewundert, warum 3C
326 North über so viel Gas verfügt, obwohl in der Galaxie derzeit gar keine
neuen Sterne entstehen. Dann entdeckten sie aber eine Art Brücke aus Sternen,
die 3C 326 North mit 3C 326 South verbindet. Damit war klar, dass die beiden
Galaxien wechselwirken und 3C 326 North das Gas von der kleineren Galaxie
abzieht.
"Die Galaxie scheint große Mengen an molekularem Wasserstoff von seinem
Nachbarn abzuziehen und aufzuheizen", so Ogle. "Das supermassereiche Schwarze
Loch im Zentrum verschlingt davon einen Bruchteil und schleudert einiges in
enormen Jets mehrere Millionen Lichtjahre weit ins All." Das Wasserstoffgas
scheint zudem heiß genug zu sein, um mit Sauerstoff zu reagieren und so Wasser
zu bilden. Dies würde eventuell Planeten und Kometen zugutekommen, die um Sterne
entstehen, die gebildet werden können, sobald das Gas weit genug abgekühlt ist.
Für 3C 326 North scheint die räuberische Verjüngungskur also geglückt zu
sein. Das Opfer des Gasraubes allerdings dürfte zunächst einmal kaum mehr genug
eigenes Gas haben, um weiterhin neue Sterne zu produzieren. Doch das muss nicht
das Ende der Geschichte sein: Irgendwann könnten beiden Galaxien verschmelzen
und dann ist auch 3C 326 South wieder mit ihrem Gas vereint - oder mit den
Sternen, die inzwischen daraus entstanden sind.
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