Auf der Suche nach Gravitationslinsen
Redaktion /
idw / Pressemitteilung der Universität Bonn astronews.com
26. September 2007
Astronomen an der Universität Bonn wollen den Himmel gezielt
nach kosmischen Trugbildern absuchen, die auf Einsteins
Gravitationslinsen-Effekt zurückzuführen sind. Nutzen wollen sie dazu unter
anderem das neuartige Radioteleskop LOFAR, das derzeit in den Niederlanden und
auch in Deutschland entsteht.
Hubbles Blick auf den Galaxienhaufen SDSS
J1004+4112. Ein entfernter Quasar erscheint auf
dem Bild aufgrund des Gravitationslinseneffekts
gleich fünf Mal. Bild:
ESA, NASA, K. Sharon (Tel Aviv University) und E. Ofek (Caltech) [mehr
über dieses Bild] |
Schon Einstein erkannte, dass die Raumzeit durch große Massen
verbogen wird, so dass Lichtstrahlen oder Radiowellen scheinbar wie durch eine
Linse abgelenkt werden. Mit diesem Gravitationslinsen-Effekt fahnden Physiker
heute beispielsweise nach erdähnlichen Planeten. An der Universität Bonn hat nun
eine neue Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe ihre Arbeit angetreten. Die Forscher
wollen unter anderem untersuchen, wie extrem weit entfernte Galaxien mit
Milliarden von Sternen die Raumzeit verbiegen. So können sie erkennen, wie
Galaxien altern - und vielleicht Rückschlüsse auf die rätselhafte dunkle Materie
ziehen.
Dass große Massen die Ausbreitungsrichtung von Lichtstrahlen beeinflussen,
hat man erstmals 1919 bei einer totalen Sonnenfinsternis nachgewiesen: Die
Sterne, die am Rand unseres verdunkelten Zentralgestirns zu sehen waren,
schienen weiter voneinander entfernt als normalerweise am Nachthimmel. Grund:
Das von ihnen ausgehende Licht war zur Sonne hin abgelenkt worden. Einstein
hatte dieses Phänomen schon 1916 in seiner allgemeinen Relativitätstheorie
vorhergesagt.
Aus ihr lässt sich unter anderem herleiten, dass die Gravitation die Raumzeit
"verbiegt": Wellen breiten sich scheinbar nicht mehr gradlinig aus, sondern
werden abgelenkt - fast, als würden sie einer Masseanziehung unterliegen. Weit
entfernte Gravitationslinsen scheinen von der Erde aus nahezu punktförmig. Bei
ihnen kann ein merkwürdiger Effekt auftreten: Wenn Objekte hinter ihnen stehen,
die Licht- oder Radiowellen aussenden, können diese Wellen auf mehreren Wegen um
die Linse herumlaufen. Im Teleskop sieht man dann beispielsweise zwei Bilder ein
und desselben Objekts.
"Wir durchsuchen den Himmel nach derartigen Doppelstrukturen", erklärt der
Leiter der Emmy-Noether-Gruppe Dr. Olaf Wucknitz. "Dabei versuchen wir
herauszufinden, ob es sich tatsächlich um zwei Quellen handelt oder um eine
einzige - ob also eine Gravitationslinse die Ursache ist."
Denn derartige "gelinste" Bilder verraten Experten viel über die Linse
selbst. "In der Regel handelt es sich dabei um weit entfernte Galaxien mit
Hunderten von Milliarden Sternen von der Größe unserer Sonne", erläutert
Wucknitz. "Je nach Masseverteilung in dieser Galaxie werden die Bilder von der
dahinter liegenden Quelle unterschiedlich verzerrt. Wir erfahren also, wie die
Linsen-Galaxie aufgebaut ist, selbst wenn man sie mit Hilfe eines Teleskops
direkt gar nicht sehen kann."
Dank dieser Methode wissen Astrophysiker heute beispielsweise, dass Galaxien
von einem Halo aus dunkler Materie umgeben sind. Auch Planeten lassen sich durch
diesen Linseneffekt finden. Wucknitz beschäftigt sich schon seit seinem Studium
in Hamburg mit Gravitationslinsen. Promoviert hat er bei einem der Pioniere auf
diesem Gebiet, Professor Dr. Sjur Refsdal. Seine Doktorarbeit schrieb er unter
anderem beim namhaften Jodrell Bank-Radioteleskop in Manchester. Auch danach
blieb er der Radioastronomie treu - zuletzt durch seine Mitarbeit im
europäischen Forschungsnetzwerk "ANGLES".
Den roten Faden seiner wissenschaftlichen Tätigkeit bilden aber die
Gravitationslinsen. Diese möchte er nun unter anderem mit Hilfe des neuen
Radioteleskops LOFAR erforschen. Das Akronym steht für Low Frequency Array,
einen Zusammenschluss neuartiger Teleskope, die für niedrigfrequente Radiowellen
empfindlich sind (astronews.com berichtete). Initiiert wurde das Projekt durch
die Niederlande, wo auch die meisten der fußballplatzgroßen Antennenfelder
stehen werden.
"Aber auch in Deutschland werden LOFAR-Teleskope errichtet - beispielsweise
neben dem Observatorium des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in
Effelsberg", sagt Wucknitz. "Wenn man diese Antennenfelder zusammen schaltet,
kann man den Himmel systematisch und mit großer Auflösung nach gelinsten
Radioquellen durchmustern."
Letztlich könnten die erwarteten Forschungsergebnisse auch etwas über die
Jugendjahre unserer eigenen Galaxie verraten, der Milchstraße. Denn ein Blick in
die Tiefen des Alls ist immer auch ein Blick in die Vergangenheit: Viele
Milliarden Jahre sind Radiowellen von den Rändern des Universums unterwegs, bis
wir sie auf der Erde auffangen. Entsprechend "veraltet" sind die Informationen,
die sie liefern. "Wir erkennen so, wie die Linsen-Galaxien vor langer Zeit
aussahen", betont Wucknitz. "Je näher die Linse, desto aktueller das Bild, was
wir uns von ihr machen. Wir können so erkennen, wie Galaxien altern - und wie
sie sich dabei verändern."
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