Das
exotische Innere von Neutronensternen
von Stefan Deiters astronews.com
28. August 2007
Mit einer neuen Methode haben Astronomen versucht, mehr über
das Innere von Neutronensternen zu erfahren. Mithilfe der Röntgensatelliten
XMM-Newton und Suzaku
beobachteten sie Spektrallinien von heißen Eisenatomen um drei Neutronensterne.
Das Verfahren lieferte nicht nur den Durchmesser der exotischen Objekte, sondern
überprüfte gleichzeitig noch Einsteins Relativitätstheorie.
So ungefähr könnte das System Serpens X-1
aussehen.
Bild: NASA |
Neutronensterne sind in im wahrsten Sinne des Wortes exotische
Objekte: Sie enthalten nämlich - unter aller beobachtbaren Objekten im Universum
- die dichteste Materie. Diese kann im Inneren der Sterne deswegen in Formen
vorliegen, die man in keinem Labor erzeugen kann. Neutronensterne sind das, was
nach einer Supernova-Explosion von einem massereichen Stern übrig bleibt.
Sie vereinigen mehr als die Masse unserer Sonne in einer Region, die nur einige
zehn Kilometer Durchmesser hat. Nur einige Tassen dieser Materie würden mehr
wiegen als das gesamte Massiv des Mount Everest.
Das Studium dieser exotischen Objekte ist für Astrophysiker aus mehreren
Gründen interessant: "Das ist Grundlagenphysik", meint Sudip Bhattacharyya vom
Goddard Space Flight Center der NASA, der zusammen mit einigen Kollegen jetzt
neue Beobachtungen von Neutronensternen gemacht hat. "Im Inneren von
Neutronensternen könnten sich exotische Formen von Materie wie etwa Quarkmaterie
befinden, die wir im Labor nicht herstellen können. Die einzige Möglichkeit
etwas darüber zu erfahren, ist es, die Neutronensterne zu verstehen."
Entscheidend dafür ist die möglichst genaue Bestimmung von Masse und
Durchmesser der Neutronensterne. Zwei jetzt veröffentlichte Studien, die auf
Beobachtungen mit dem europäischen Röntgenteleskop XMM-Newton sowie dem
japanisch-amerikanischen Röntgensatelliten Suzaku basieren, haben die Forscher
nun einen wichtigen Schritt vorangebracht. Mit Hilfe von XMM-Newton haben Bhattacharyya und seinen Kollegen das System Serpens X-1 unter die Lupe
genommen, das aus einem Neutronenstern und einem stellaren Begleiter besteht.
Von besonderem Interesse für die Forscher waren dabei die Spektrallinien der
heißen Eisenatome, die mit rund 40 Prozent der Lichtgeschwindigkeit in einer
Scheibe unmittelbar über der Oberfläche des Neutronensterns herumwirbeln.
Eisen wurde schon in zuvor aufgenommenen Spektren von Neutronensternen
festgestellt, allerdings war die Beobachtungsqualität nicht ausreichend genug,
um die Form der Spektrallinien festzustellen. Aus der Form nämlich, können
Wissenschaftler eine ganze Menge lernen: So stellten Bhattacharyya und seine
Kollegen fest, dass im Falle von Serpens X-1 die Eisenlinie auf einer Seite
deutlich verbreitert war - ein Effekt der hohen Geschwindigkeit des Gases, der
sich durch den Doppler-Effekt und aus Folge von Einsteins spezieller
Relativitätstheorie erklärt. Die Masse des Neutronensterns sorgt zudem für eine
Verzerrung der Raumzeit, wie sie Einsteins allgemeine Relativitätstheorie
voraussagt. Dies führt zu einer Verschiebung der Eisenlinie im Spektrum in
Richtung längerer Wellenlängen.
"Wir kennen diese asymmetrischen Linien von vielen Schwarzen Löchern, aber
dies hier ist die erste Bestätigung dafür, dass auch Neutronensterne in der Lage
sind, sie zu produzieren", erläutert Goddard-Kollege Tod Strohmayer die
Bedeutung der Beobachtungen. "Das zeigt uns, dass die Art und Weise, wie
Neutronensterne Material aufsammeln, sich nicht wesentlich von der Schwarzer
Löcher unterscheidet und bietet zudem eine neue Gelegenheit Einsteins
Theorien zu testen."
Eine zweite Gruppe von Forschern hat mit Hilfe von Suzaku drei
Neutronensterne untersucht, darunter auch Serpens X-1. Das Team um Edward
Cackett von der University of Michigan konnte die Ergebnisse der
XMM-Beobachtungen bestätigen und entdeckte auch bei den beiden anderen
Neutronensternen ähnlich verformte Eisenlinien. "Wir beobachten, wie das Gas
knapp oberhalb der Oberfläche um den Neutronenstern herumwirbelt", so Cackett.
"Und da die Innenseite der Staubscheibe logischerweise nicht weiter als bis zur Oberfläche
reichen kann, geben uns unsere Messungen auch einen oberen Grenzwert für die
Größe des Neutronensterns. Danach können sie im Durchmesser nicht größer sein
als 29,6 bis 32,8 Kilometer."
Durch die Messung der relativistischen Eisenlinien um drei Neutronensterne
haben die Astronomen eine neuen Technik etabliert, um die Größe dieser Objekte
zu bestimmen. Da dies immer noch recht schwierig ist, ist es wichtig,
unterschiedliche Verfahren zu haben, die sich gut ergänzen. Kennen die
Astronomen die Masse und Größe des Neutronensterns, können sie errechnen, wie
dicht gepackt die Materie im Inneren des Sterns sein muss.
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