Experten fordern Suche nach bizarrem Leben
von Stefan Deiters astronews.com
10. Juli 2007
Science Fiction-Fans wissen es schon seit Langem:
Leben auf anderen Welten kann vollkommen anders aussehen als wir es von der Erde
her kennen. Nun empfiehlt auch der amerikanische nationale Forschungsrat, sich
bei der Suche nach Leben in unserem Sonnensystem und darüber hinaus nicht auf
uns bekannte und vertraute Formen zu beschränken, sondern auch nach "bizarren
Lebensformen" zu fahnden.

Titans Oberfläche: Idealer Ort für bizarre
Lebensformen?
Foto: ESA / NASA / University of Arizona |
Die Empfehlung des amerikanischen Nationalen Forschungsrates, des
National Research Council, ist eindeutig: In einem jetzt vorgelegten Bericht
empfahl eine Kommission, sich bei der Suche nach Leben außerhalb der Erde nicht
auf Formen zu beschränken, die uns vertraut sind, sondern auch nach "bizarren
Lebensformen" oder "weird life" zu fahnden.
Die
Wissenschaftler schreiben, dass die fundamentalen Voraussetzungen für Leben wie wir es
kennen, wie beispielsweise flüssiges Wasser, ein kohlenstoffbasierter
Stoffwechsel, die Fähigkeit zur Evolution und des Energieaustausches mit der
Umwelt, nicht die einzigen Möglichkeiten sein müssen, um Phänomene zu
ermöglichen, die man als Leben bezeichnen würde. "Unsere Untersuchungen haben
gezeigt, dass Leben auch in Formen möglich ist, die sich von denen auf der Erde
unterscheiden", fasst John Baross, Professor für Ozeanographie an der University of Washington in
Seattle und Vorsitzender der Kommission, den Bericht zusammen.
Die Wissenschaftler unterstreichen in ihrem 116-seitigen Bericht mit dem
Titel "The Limits of Organic Life in Planetary Systems", dass "wohl keine
Entdeckung bei der Erforschung unseres Sonnensystems einen größeren Einfluss auf
unsere eigene Sicht unserer Stellung im Universum hätte, als die Entdeckung einer
außerirdischen Lebensform - und mag sie auch noch so primitiv sein." Außerdem
dürfte keine Entdeckung anregender für die Wissenschaft sein. Zugleich weisen
die Forscher darauf hin, dass wohl nichts tragischer für die "amerikanische
Erforschung des Weltraums" wäre, als ein Nicht-Erkennen einer außerirdischen
Lebensform.
Damit es nicht dazu kommt, so der Bericht, sei ein gewisses Umdenken
erforderlich: Durch die stillschweigende Annahme, dass auch außerirdisches Leben
auf den gleichen biochemischen Konzepten beruht wie irdisches Leben, würde die
Suche nach extraterrestrischen Lebensformen künstlich eingeschränkt. So sei
beispielsweise die Annahme, dass Wasser für Leben notwendig sei, dafür
verantwortlich, dass man auf dem Mars nur in bestimmten Regionen nach
Lebensspuren fahnden würde - nämlich dort, wo vermutlich einmal Wasser geflossen
ist.
Allerdings, so die Experten, sei es durchaus vorstellbar, dass in
außerirdischem Leben andere Flüssigkeiten die Rolle des Wassers übernommen
hätten. Denkbar wären hier etwa Ammoniak oder Formamide. Nach den jüngsten
Entdeckungen auf dem Saturnmond Titan halten die Wissenschaftler den Trabanten
des Ringplaneten für einen der besten Kandidaten für die Existenz von "bizarren
Lebensformen". Auch der Saturnmond Enceladus mit seinen Wassergeysiren sei
weitere Untersuchungen wert.
"Es ist entscheidend, dass man weiß wonach man sucht, wenn man nach Leben im
Sonnensystem fahndet", so Baross. "Die Suche war bislang auf erdähnliches Leben
beschränkt, da es die einzige Art von Leben ist, die wir kennen. Aber das Leben
auf anderen Welten kann vollkommen anders aussehen als hier. Erkenntnisse der
Biologie und der Biochemie in den letzten zehn Jahren haben inzwischen deutlich
gemacht, dass die grundlegenden Voraussetzungen für Leben nicht so
festzementiert sind, wie wir das lange dachten."
Die Kommission hat dabei nicht nur über Alternativen für das vermeintlich
lebenswichtige Wasser nachgedacht: So hätten biochemische Experimente gezeigt,
dass es durchaus noch andere Möglichkeiten geben könnte, genetische
Informationen zu kodieren als durch die uns vertraute DNA. Auch alternative
Möglichkeiten der Energiegewinnung seien denkbar. So könnte es auch Leben geben, das komplett ohne kohlenstoff-basierten Stoffwechsel auskommt.
Zukünftige Forschungen, so die Empfehlung, sollten einen Schwerpunkt auf die
Untersuchung der Bedingungen legen, die für die Entstehung von Leben nötig sind.
Hier sei insbesondere die Frage interessant, wie wichtig Wasser wirklich ist und
ob Leben sich auch entwickeln kann, wenn es Wasser nur unter extremen
Bedingungen gibt. Dies sei etwa bei den meisten Planeten und Monden des
Sonnensystems der Fall.
Dabei sollte man aber nicht vergessen, das Leben auf der Erde weiter zu
erforschen. Denn auch auf unserem Heimatplaneten hätten sich Lebensformen unter
extremen Bedingungen gebildet - etwa in der Tiefsee oder in Wüstengebieten. Die
Erkenntnisse aus diesen Forschungen dürften dann auch für die Suche nach Leben
auf anderen Welten von großem Wert sein.
Künftige Missionen, wie etwa zum Mars, sollten mit ihren Instrumenten in der
Lage sein, auch nach "bizarren Lebensformen" zu fahnden. Die Wissenschaftler
empfehlen dazu Geräte, die etwa nach kohlenstoff-, sauerstoff- phosphor- oder
schwefelhaltigen Verbindungen suchen können und auch nach einfachen
organischen Stoffen.
Der Bericht, den die National Academies jetzt herausgegeben haben,
wurde von der NASA gesponsert. Die National Academies bestehen
aus der National Academy of Science, der National Academy of
Engeneering, dem Institute of Medicine und dem National
Research Council.
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