Dramatische
Ereignisse rund um 3C438
von Stefan Deiters astronews.com
31. Mai 2007
Betrachtet man die Region rund um die Galaxie 3C438 mit
einem Teleskop im sichtbaren Bereich des Lichtes, dürfte man kaum glauben, dass
sich hier offenbar gerade Dramatisches abspielt. Das
macht erst ein Bild des Röntgenteleskops Chandra deutlich: Darauf ist eine gewaltige bogenförmige Struktur mit einer
Ausdehnung von über zwei Millionen Lichtjahren zu erkennen. Sie besteht aus 170 Millionen
Grad heißem Gas.
Chandra-Aufnahme der Galaxie 3C438, die inmitten
eines Galaxienhaufens liegt (oben) und im
Vergleich dazu die Ansicht des gleichen Bereichs
mit einem optischen Teleskop (unten).
Fotos: NASA / CXC / CfA / R.P.Kraft (Röntgen), Pal.Obs. DSS (optisch)
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Die helle, von Chandra beobachtete Struktur und die
ermittelte extreme Temperatur des heißen Gases deutet auf eines der gewaltigsten
Ereignisse hin, die jemals entdeckt wurden. In dem Galaxienhaufen, in dem 3C438
liegt, befindet sich Gas mit einer Temperatur von 170 Millionen Grad Celsius,
das durch eine Masse von einer Billiarde Sonnenmassen zusammengehalten wird.
Diese extremen Werte, so die Astronomen, machen diesen Galaxienhaufen zu einem
Riesen unter Riesen.
"Diese große Struktur, die in dem Galaxienhaufen entdeckt wurde, weist, zusammen
mit der hohen Temperatur, auf ein außergewöhnlich dramatisches Ereignis im
nahen Universum hin", erläutert Ralph Kraft vom Harvard-Smithsonian Center
for Astrophysics, der die Forschergruppe leitete. "Wir sind noch nicht ganz
sicher, was der Auslöser war, konnten aber einige faszinierende Möglichkeiten
als in Frage kommende Ereignisse herausarbeiten."
Favorit der Astronomen zur Erklärung des hellen Bogens im Röntgenlicht ist
die Kollision von zwei massereichen Galaxienhaufen, die mit einer
Geschwindigkeit von rund sechs Millionen Kilometern pro Stunde ineinanderrauschen. Stoßwellen, die entstehen, wenn das heiße Gas in den beiden
Galaxienhaufen aufeinander trifft, sorgen für große Druckunterschiede in dem
Bereich, wo die Galaxienhaufen gerade aufeinander treffen. Diese sind für die
beobachtete Struktur im Röntgenbereich verantwortlich, die ein wenig an eine
riesige Wetterfront erinnert.
"Das wäre schon eine sehr extreme Kollision und einer der gewaltigsten, die
wir je beobachtet haben", meint Martin Hardcastle von der britischen
University of Hertfordshire. "Trotzdem glauben wir, dass genau dieses
gerade dort passiert." Allerdings gibt es noch ein Problem: Eigentlich würden
die Astronomen bei einer solchen Kollision zwei Bereiche mit maximaler
Röntgenstrahlung erwarten, zu beobachten ist aber nur ein Bereich. Weitere
Beobachtungen mit Chandra und dem europäischen Pendant XMM-Newton sollen nun
helfen zu klären, wie schwerwiegend dieser Einwand ist.
Eine weitere mögliche Erklärung für die Beobachtungen könnte ein gewaltiger
Ausbruch des zentralen supermassereichen Schwarzen Lochs von 3C438 sein. Wenn
ein supermassereiches Schwarzes Loch mit einer hohen Rate Material verschlingt,
kann es einen kleinen Teil in gebündelten sogenannten Jets wieder ins All
hinausschleudern. Durch diese Jets würde das umgebende Gas aufgeheizt. Dass so
etwas in diesem Haufen geschieht, wissen die Astronomen. Sie glauben allerdings
nicht, dass die Energie eines solchen Ausbruchs reichen würde, die Chandra-Daten
schlüssig zu erklären.
"Wenn es ein Ausbruch war, dann der mit großem Abstand energiereichste, den
wir je beobachtet haben", urteilt auch Krafts Kollege Bill Forman. Um nämlich
die Energie aufzubringen, die man benötigen würde, um die beobachteten Daten zu
erklären, hätte das supermassereiche Schwarze Loch nach Berechnungen der
Astronomen innerhalb von 200 Millionen Jahren die 30 Milliarden-fache Masse der
Sonne verschlingen müssen. "Diese Werte wurden noch nie beobachtet und wären nur
sehr schwer zu glauben", so Kraft.
Der beobachtete Galaxienhaufen und die Galaxie 3C438 liegen in rund 4,8
Milliarden Lichtjahren Entfernung im Sternbild Schwan. Die Chandra-Beobachtungen
wurden bereits im Dezember 2002 gemacht. Ein Artikel über die Ergebnisse, die
jetzt auf der Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft in Honolulu
vorgestellt wurden, soll bald im Astrophysical Journal erscheinen.
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