Stürme treiben Saturns Jetstreams an
von Stefan Deiters astronews.com
9. Mai 2007
Untersuchungen, die auf Bildern der Saturnsonde Cassini
basieren, deuten darauf hin, dass die sogenannten Jetstreams - also ost- oder
westwärts gerichtete Winde hoch in der Atmosphäre -
auf dem Ringplaneten durch große Wirbelstürme angetrieben werden. Die neue Erklärung stellt das
bisherige Modell komplett auf den Kopf. Die bandartigen Wolkenstrukturen auf
Jupiter und Saturn erscheinen dadurch in einem ganz neuen Licht.
Das Bild zeigt Wirbelstürme in der Nähe eines
Saturn-Jetstreams. Die kleinen Pfeile deuten an,
in welche Richtung die Energieabgabe erfolgt.
Durch die starken Winde erscheinen die
Wirbelstürme als langgestreckte, gekippte
Streifen parallel zu den Pfeilen. Die Windstärke in dem Jetstream
(großer Pfeil) beträgt rund 320 Kilometer pro
Stunde.
Bild: NASA /JPL / Space Science Institute
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"Die neue Erkenntnis wie die Jetstreams des Ringplaneten
angetrieben werden, ist exakt das Gegenteil von dem, was wir vor Cassini geglaubt
haben", macht Anthony Del Genio vom NASA Goddard Space Flight Center
die Bedeutung der Daten deutlich. Del Genio gehört zum Bildauswertungs-Team von
Cassini und ist Hauptautor eines Artikels über den Fund, der in Kürze in der
Fachzeitschrift Icarus erscheint.
Jetstreams sind starke Winde in der Atmosphäre, die Wolken ost-oder westwärts
transportieren. Nach den neuen Erkenntnissen speisen Wirbelstürme, die man auf
den Cassini-Bildern entlang der Jetstreams entdeckt hat, diese
Winde - ganz ähnlich wie Zahnräder ein Förderband antreiben. "Bislang dachten
wird, das Förderband - also in diesem Fall der Jetstream - würde die Wirbelstürme
antreiben, aber jetzt glauben wir das genaue Gegenteil: der Jetstream wird von
den Wirbelstürmen gespeist", erläutert Del Genio.
"Intuitiv würde man vielleicht vermuten, dass die Wirbelstürme Energie aus
den Jets abziehen, weil es irgendwie zu Reibung kommt. Doch wir haben das Gegenteil
entdeckt: Sie pumpen Energie in den Jet", erzählt Andrew Ingersoll vom
California Institute of Technology, der auch zum Bildauswertungs-Team von
Cassini gehört. Die jetzt nachgewiesenen Prozesse seien aus der
Erdatmosphäre bekannt und sind auch kürzlich auf Jupiter entdeckt worden, so
Ingersoll. Für Saturn aber seien die Prozesse
neu, da das Zusammenspiel zwischen Wirbelstürmen und Jetstreams
auf Voyager-Aufnahmen des Saturn nicht zu erkennen war.
Mit Hilfe des Cassini-Bildmaterials verfolgten die Forscher nun das
Zusammenspiel zwischen den Wirbelstürmen und den Jets. Die Wirbelstürme auf
beiden Seiten des Jets geben dabei ihre Energie an den Jet ab, wodurch der Wind
des Jetstreams angetrieben wird. "Wir wussten, dass die Wirbelstürme die
Jetstreams antreiben, weil sie in dieselbe Richtung zeigen. In diese Richtung
wird auch der Impuls transportiert. Hätten die Wirbelstürme in die
entgegengesetzte Richtung gezeigt, hätten wir das Gegenteil annehmen müssen,"
erklärt Ingersoll.
Das Bildmaterial, das Del Genio und seine Kollegen analysierten, umfasst fast
die gesamte südliche Hemisphäre des Saturn. Sie glauben daher, dass sich
ähnliche Prozesse auf dem gesamten Planeten abspielen. Dies würde auch erklären,
wieso das abwechselnde Muster von ostwärts und westwärts strömenden Jetstreams
auf dem Planeten seit vielen Jahrzehnten konstant geblieben ist. Ähnliche
Prozesse haben Wissenschaftler auf dem Jupiter entdeckt als sie Bilder
auswerteten, die Cassini beim Vorüberflug an dem Gasriesen machte. Auch auf der
Erde, mit ihren Jetstreams auf der Nord- und Südhalbkugel, sind diese Prozesse
bekannt.
Die neue Sachlage deutet darauf hin, dass die traditionelle Ansicht über die
bandartigen Wolkenstrukturen auf Jupiter und Saturn einer Revision bedarf. "Wir
haben immer angenommen, dass die hellen Wolkenbänder Regionen sind, in denen
Luft nach oben steigt und die dunklen Bänder Gebiete, wo Luft absinkt", so Del
Genio. "Aber wenn die Wirbelstürme die Jets in der Art und Weise speisen wie wir
es beobachtet haben, muss das Gegenteil der Fall sein." Und dafür führt der
Forscher gleich noch ein weiteres Indiz an: "Wir finden in der Tat auf beiden
Planeten Gewitter nur in den dunklen Bereichen, was bedeuten muss, dass die Luft
dort nach oben steigt."
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