Mehr Kalzium im Universum als erwartet
von Stefan
Deiters
astronews.com
6. Februar 2007
Das Universum enthält deutlich mehr Kalzium als bislang
angenommen. Zu diesem Ergebnis kamen niederländische Astronomen mit Hilfe des
europäischen Röntgensatelliten XMM-Newton. Die Wissenschaftler bestimmten die
Häufigkeit verschiedener Elemente in insgesamt 22 Galaxienhaufen. Außerdem
scheinen sich weitaus mehr Supernovae in Doppelsternsystemen zu ereignen.
XMM-Newtons Blick auf den Galaxienhaufen Abell
1689. Zu sehen ist der Röntgenschein des heißen Gases zwischen
den Galaxien. Foto: ESA, Jelle de Plaa (SRON)
Hubble-Bild von Abell 1689. Foto: NASA, N. Benitez (JHU), T. Broadhurst (Racah Institute of Physics/The
Hebrew University), H. Ford (JHU), M. Clampin (STScI), G. Hartig
(STScI), G. Illingworth (UCO/Lick Observatory), the ACS Science
Team und ESA. [mehr über dieses Bild] |
Das Eisen in unserem Blut, der Sauerstoff den wir atmen, das Kalzium in
unseren Knochen und das Silizium im Sand - all diese Elemente entstanden durch
das gewaltsame Ende eines Sterns, der während einer so genannten
Supernova-Explosion diese in seinem Inneren und während der Explosion
entstandenen Elemente ins All geblasen hat. Dadurch wurden sie zu den Grundbausteinen neuer
Sterne, neuer Planeten und letztlich auch die Grundlage für neues Leben. Die
Untersuchung wie chemische Elemente im Universum verteilt sind, ist deswegen in
gewisser Weise auch eine Suche nach den eigenen Anfängen. Doch es gibt noch
erhebliche Lücken beim Verständnis der Elementeverteilung.
Antworten suchen die Astronomen in großen weit entfernten Galaxienhaufen.
"Solche Haufen", erläutert Jelle de Plaa vom SRON Netherlands Institute for
Space Research, "sind so etwas wie die Großstädte des Universums. Sie
bestehen aus Hunderten von Galaxien, die jede Tausende von Millionen von Sternen
enthält. Eingebettet sind diese Galaxien in eine gewaltige Wolke aus heißem Gas,
die den Haufen wie Nebel ausfüllt. Wegen ihrer gewaltigen Ausmaße und ihrer
Anzahl ist die meiste Materie im Universum in Galaxienhaufen zu finden. Und
während der letzten Milliarde Jahren wurde durch Supernova-Explosionen das
heiße Gas in den Haufen mit schwereren Elementen wie Sauerstoff, Kalzium und
Eisen angereichert."
Mit Hilfe des europäischen Weltraumteleskops XMM-Newton hat de Plaa und seine
Kollegen die Häufigkeiten von Sauerstoff, Neon, Silizium, Schwefel, Argon,
Kalzium, Eisen und Nickel in 22 Galaxienhaufen bestimmt. Insgesamt, so schätzen
die Forscher, beobachteten sie die "Verschmutzung" des heißen Gases durch
Hunderttausend Millionen Supernovae. Doch als die Astronomen die gefundenen
Werte mit den theoretischen Vorhersagen aus Supernova-Modellen verglichen,
machten sie eine überraschende Entdeckung: Die Häufigkeit von Kalzium war 1,5
mal größer als aus der Theorie erwartet.
Und noch etwas Ungewöhnliches fanden die Niederländer: Offenbar handelte es
sich bei vielen Supernovae um einen ganz bestimmten Typus, bei dem ein Weißer Zwerg,
der sich in einem Doppelsternsystem befindet, explodiert ist. Der kompakte Weiße Zwerg zieht
dabei beständig Material
von seinem Begleitstern ab und lagert es auf seiner Oberfläche ab - so lange,
bis sein Inneres das Gewicht der zusätzlichen Materie nicht mehr stützen kann
und der Weiße Zwerg als Supernova explodiert.
"Ungefähr die Hälfte der Supernova-Explosionen, die je in den beobachteten
Galaxienhaufen stattfanden, scheinen auf diese Weise zustande gekommen zu sein",
erläutert De Plaa. "Das ist deutlich mehr als der Anteil dieses Supernova-Typs
in unserer eigenen Galaxie. Hier machen sie schätzungsweise nur 15 Prozent aus."
Die neuen Resultate, die in der europäischen Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics erscheinen, dürften also für Astronomen, die sich mit der Theorie
von Supernova-Explosionen beschäftigen, äußerst interessant sein. "Bis heute
haben Astronomen oft raten müssen, wie genau sich eine Supernova abspielt", so
De Plaa. "Da wir hier die Überbleibsel von Hunderttausend Millionen Supernovae
auf einmal gemessen haben, gibt es nun deutlich bessere Mittelwerte als zuvor.
Das sollte der Supernova-Gemeinde helfen, besser zu verstehen wie Weiße Zwerge
sterben."
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