Kurzlebige stellare Kinderstuben
von Stefan
Deiters
astronews.com
18. Januar 2007
Das Weltraumteleskop Hubble hat die 14 Millionen
Lichtjahre entfernte Galaxie NGC 1313 unter die Lupe genommen und dabei
Interessantes über deren stellare Kinderstuben entdeckt: Offenbar haben diese sogenannten offenen Sternhaufen nur ein sehr kurzes Leben. Die Astronomen
folgerten dies aus der Beobachtung von massereichen blauen Sternen.

Hubble-Aufnahme der Zentralregion der
Balkenspiralgalaxie NGC 1313. Foto: NASA,
ESA, und A. Pellerin (STScI) [Großansicht]
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Die Beobachtungen machte Hubble mit Hilfe der Advanced Camera for
Surveys, mit der nach blauen Riesensternen in der Galaxie NGC 1313
gefahndet wurde. Nur mit Hubbles Auflösungsvermögen ist es möglich,
einzelne Sterne in dieser Entfernung zu unterscheiden. NGC 1313 ist rund 14
Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.
Dass sich offene Sternhaufen, also stellare Kinderstuben, auflösen und ihre
Sterne nach gewisser Zeit Teil der jeweiligen Galaxie werden, ist für Astronomen
nicht neu: Die offenen Sternhaufen haben einfach zu wenig Masse, um ihre Sterne
über längere Zeit zu halten. Das unterscheidet sie wesentlich von ihren
massereicheren Cousins, den Kugelsternhaufen, die über viele Milliarden Jahre
existieren können. Astronomen gehen heute davon aus, dass nahezu alle Sterne in
Sternhaufen entstehen.
Beobachtungsdaten, die die Kurzlebigkeit der offenen Sternhaufen belegen, gab es
allerdings bislang nur wenige. Das hat einen einfachen Grund: Es ist nämlich
nicht einfach, einen sich auflösenden offenen Sternhaufen von den
Hintergrundsternen der Galaxie zu unterscheiden und damit den Auflösungsprozess
zu verfolgen.
Ein Astronomenteam um Anne Pellerin vom Space Telescope Science Institute
in Baltimore hat nun in der Balkenspiralgalaxie NGC 1313 eine große Zahl von
jungen massereichen blauen Sternen beobachtet, die den offenen Sternhaufen, in
dem sie geboren wurden, inzwischen verlassen haben. Diese blauen Sterne gehen
äußerst verschwenderisch mit ihrem nuklearen Brennstoff um und haben daher nur
eine Lebensdauer von einigen zehn Millionen Jahren.
Aus der Tatsache, dass Hubble eine große Anzahl dieser blauen Sterne
außerhalb von offenen Sternhaufen entdeckt hat, folgert das Forscherteam, dass
offenen Sternhaufen sich in einer Zeit auflösen können, die kleiner ist als die
Lebensdauer der blauen Sterne. Die Astronomen schätzen diese Zeitspanne auf etwa
25 Millionen Jahre - ein sehr geringer Wert, wenn man das Alter einer Galaxie
von mehreren Milliarden Jahren betrachtet.
Die Wissenschaftler konnten auch feststellen, dass die noch massereicheren
O-Sterne deutlich weniger in der Galaxie verteilt waren als die blauen Sterne.
Die O-Sterne haben eine so geringe Lebensdauer, dass es ihnen nicht gelingt, den
offenen Sternhaufen zu verlassen, bevor sie als Supernova explodieren.
Die Supernova-Explosionen der O-Sterne könnte, nach Ansicht von Pellerin und
ihren Kollegen, sogar eine Ursache für die extrem schnelle Auflösung der offenen
Sternhaufen sein. Durch die Explosion würde für die Sternentstehung benötigtes
Gas aus dem Haufen geblasen, so dass der Sternhaufen nicht weiter wachsen kann
und zu massearm ist, um lange zu existieren. Die Gravitationskraft anderer
Sterne sorgt dann dafür, dass die Haufenmitglieder den Sternhaufen langsam
verlassen, bis dieser sich vollkommen aufgelöst hat.
Ähnliche Daten hatte man zuvor auch von den Antennen-Galaxien gesammelt, einem
Paar von Galaxien, das gerade kollidiert. Hier konnte man nachweisen, dass etwa
90 Prozent der offenen Sternhaufen kaum mehr als zehn Millionen Jahre überleben.
Mit den Beobachtungen in NGC 1313 wurde diese Kurzlebigkeit von offenen
Sternhaufen nun erstmals in einer normalen Spiralgalaxie nachgewiesen, wie
letztlich auch unsere Milchstraße eine ist. Die Beobachtung der Vorgänge in NGC
1313 lässt daher auch Rückschlüsse auf die Entstehung unserer Sonne zu.
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