Das Gerüst des Universums
Redaktion / MPG
astronews.com
8. Januar 2007
Der COSMOS-Survey ist die umfangreichste
Himmelsdurchmusterung, die mit dem Weltraumteleskop Hubble bislang
gemacht wurde. Jetzt analysierten Astronomen diese Daten und erstellten so eine
dreidimensionale Karte der Dunklen Materie im Weltall. Die auf diese Weise
gefundene Verteilung passt ausgezeichnet zu bisherigen Modellen über die
Entstehung von Strukturen im Universum.
Verteilung der dunklen Materie in
Blickrichtung des Hubble-Teleskops (COSMOS-Feld). Um die Daten
zu gewinnen, teilten die Forscher das COSMOS-Feld in
verschiedene Altersschichten ein (vergleichbar den Schnitten
durch Gesteinsschichten in der Geologie). Das Alter der
Schichten lässt sich aus der Rotverschiebung der beobachteten
Galaxien ableiten. Die drei oben gezeigten Schichten stellen
also das Universum zu verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit
dar. Aus der Wechselwirkung der dunklen Materie mit Licht konnte
das Wissenschaftlerteam die Verteilung der dunklen Materie
berechnen. Bild: NASA, ESA und R. Massey (California Institute of
Technology) [Großansicht] |
Dunkle Materie gibt dem Universum seine Struktur. Ein internationales
Wissenschaftlerteam hat nun eine dreidimensionale Karte dieses unsichtbaren
Gerüsts erstellt, um das sich die gewöhnliche sichtbare Materie anordnet. Die
Karte zeigt in einem Ausschnitt des Universums sowohl die Verteilung dunkler als
auch gewöhnlicher, baryonischer Materie. Dieser Ausschnitt umfasst 500.000
Galaxien und ist der bislang größte, den Astrophysiker auf diese Weise
kartografiert haben.
Über 80 Prozent der gesamten Masse des Universums bestehen aus dunkler
Materie. Sie sendet keine elektromagnetische Strahlung wie etwa sichtbares Licht
aus. Nur durch Gravitation kann sie mit normaler baryonischer Materie oder mit
Licht wechselwirken. Und genau diese Eigenschaft nutzte das Wissenschaftlerteam
aus, um die dreidimensionale Verteilungskarte der dunklen Materie zu zeichnen.
Die Karte bestätigt die Standardtheorie zur Rolle der dunklen Materie.
Astrophysiker betrachten sie nämlich als Gerüst des Universums. Ursprünglich war
sie gleichmäßig verteilt, später verdichtete sie sich in manchen Bereichen.
Diese Stellen mit besonders viel dunkler Materie ziehen durch ihre stärkere
Gravitation die sichtbare Materie an, so dass sich diese zusammenballt. So
entstehen Sterne, Galaxien und ganze Galaxienhaufen.
Die jetzt erstellte Karte zeigt ein über das Universum verteiltes Netz
dunkler Materie. An manchen Orten ist die dunkle Materie jedoch sehr dicht - und
genau an diesen Stellen befinden sich die Galaxien und das heiße Gas der
normalen Materie. Diese Verteilung der Materie im Universum zeigt, dass die
baryonische Materie der dunklen Materie folgt.
Die Daten, die die Forscher für die Landkarte verwendeten, stammen vom
Weltraumteleskop Hubble. Im Rahmen des Cosmic Evolution Survey (COSMOS)
hat Hubble einen verhältnismäßig großen Ausschnitt des Weltalls hochaufgelöst
abgebildet, nämlich 1.6 Grad im Quadrat. Dieser Ausschnitt, das COSMOS-Feld, hat
eine Größe von achtmal der Fläche des Vollmonds und ist damit der bisher größte
auf diese Weise vermessene Ausschnitt des Alls. Dabei ist eine umfangreiche
Sammlung sehr detaillierter Bilder von einer halben Million Galaxien entstanden.
Und weil die Gravitation der dunklen Materie das Licht dieser Galaxien ablenkt,
konnten die Forscher im Umkehrschluss aus der Gestalt der Galaxien auf die
Verteilung der dunklen Materie schließen.
Die Methode, die sie dabei verwendeten, beruht auf dem schwachen
Gravitationslinseneffekt. Der Effekt lässt sich durch eine einfache Analogie
erklären: Wenn Licht durch eine Milchglasscheibe mit aufgerauter Oberfläche, wie
zum Beispiel bei Badezimmerfenstern, fällt, wirft es ein charakteristisches
Muster an die Wand. Dieses Muster gibt Aufschluss darüber, wie die Oberfläche
des Glases strukturiert ist. Auf ganz ähnliche Weise haben die Astrophysiker aus
der Gestalt der Galaxien die Verteilung der dunklen Materie bestimmt.
Doch nicht nur dunkle Materie, sondern auch baryonische Materie, wie zum
Beispiel ein Stern oder eine Galaxie, lenkt das Licht ab. Im Gegensatz zur
dunklen Materie sind die Sterne der Galaxien sichtbar, aus Farbe und Entfernung
konnten die Wissenschaftler deshalb auf deren Masse schließen. Unter der Leitung
von Günther Hasinger und seiner Gruppe am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik wurde das COSMOS-Feld auch mit dem XMM-Newton
Teleskop der ESA durchmustert. Dieses Teleskop misst die Röntgenstrahlung von
heißem Gas im Universum, also die baryonische Materie, die sich an den Orten
zusammenballt, wo besonders viel dunkle Materie vorhanden ist.
Das von Alexis Finoguenov am Max-Planck-Institut für extraterrestrische
Physik erstellte Röntgenbild hatte für das Kartografierprojekt einen besonderen
Wert: Es bestätigte die Verteilung der baryonischen Materie vollkommen
unabhängig von den Messungen des Gravitationslinseneffektes und half damit, die
verwendete Methode zu eichen.
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