Tödliche Strahlung im Van-Allen-Gürtel
von Rainer Kayser
15. November 2006
Materialien mit einer Rakete ins All zu bringen ist
ausgesprochen teuer. Deswegen machen sich Techniker schon seit längerer Zeit
über Alternativen Gedanken. So gibt es Konzepte, Fahrstühle an langen Seilen bis
zu 100.000 Kilometer ins All fahren zu lassen. Jetzt weisen Wissenschaftler aber auf
einen entscheidenden Nachteil dieses Vorhabens hin: Für Menschen könnte die
Fahrstuhlfahrt tödlich sein.

So stellt sich der Künstler Pat Rawlings einen
Weltraumlift vor. Bild: NASA
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Die Hoffnungen auf billige Reisen ins All per Fahrstuhl haben einen Dämpfer
bekommen. Im Fachblatt Acta Astronomica rechnet ein Team amerikanischer
Forscher vor, dass die Strahlungsbelastung an Bord eines Weltraumfahrstuhls für
Menschen tödlich wäre. Zwar gibt es mehrere mögliche Auswege aus dem Dilemma,
aber alle diese Lösungen machen Weltraumfahrstühle als Transportmittel der
Zukunft weniger attraktiv.
"Alle Schutzmaßnahmen würden die Leistungsfähigkeit vermindern, die Kosten
erhöhen und zu technischen Komplikationen für einen Weltraumfahrstuhl führen",
schreiben Anders Jorgensen vom Los Alamos National Laboratory und seine
Kollegen. Das Problem: Im Bereich von 1.000 bis 20.000 Kilometern über dem
Äquator erstreckt sich der Van-Allen-Gürtel. Dort schwirren, gefangen im
irdischen Magnetfeld, geladene Teilchen mit hoher Geschwindigkeit umher.
Einzig die Mondfahrer der Apollo-Missionen haben bisher diese
gefährliche Zone durchquert - allerdings mit hoher Geschwindigkeit. Rund eine
Stunde hielten die Apollo-Astronauten sich im Van-Allen-Gürtel auf und
empfingen dabei eine Strahlungsdosis von rund einem Rem (0,01 Sievert). Ein
Weltraumfahrstuhl ist jedoch erheblich langsamer als eine Apollo-Rakete.
Er würde sich bei einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde etwa eine
halbe Woche im Van-Allen-Gürtel aufhalten. Die Strahlungsdosis für Passagiere
betrüge damit etwa 200 Rem (2 Sievert). "Ohne Abschirmung würde dies den
sicheren Tod bedeuten", so Jorgensen.
Eine nahe liegende Lösung wäre, dem Van-Allen-Gürtel auszuweichen, in dem man
den Weltraumfahrstuhl nicht vom Äquator, sondern von einem Platz weiter nördlich
oder südlich starten ließe. Doch die Fliehkraft würde in diesem Fall das Seil
des Fahrstuhls wieder in die Äquatorzone zurückzerren und damit den
Schutzeffekt abmindern. Eine Abschirmung der Fahrstuhlkabine würde diese
erheblich schwerer machen und damit die Nutzlast verringern. Denkbar wäre auch
eine Abschirmung mit starken Magnetfeldern, da diese elektrisch geladene
Teilchen ablenken. Jorgensen und seine Kollegen halten es jedoch für technisch
schwierig, einen Weltraumfahrtsuhl vom Boden aus mit ausreichend Energie für
eine solche Abschirmung zu versorgen.
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