Falsche Töne von M87
von Stefan
Deiters
astronews.com
11. Oktober 2006
Das Röntgenteleskop Chandra hat länger als je zuvor
die elliptische Riesengalaxie M87 beobachtet. Die Astronomen entdeckten Hinweise
auf periodische Eruptionen aus der Umgebung des Schwarzen Lochs sowie auf
Schallwellen im Gas. M87 scheint tief zu brummen. Musikfreunde dürften
allerdings nicht auf ihre Kosten kommen.
Chandra-Aufnahme von M87 kombiniert mit einem
Bild im optischen Bereich des Lichts.
Röntgenstrahlung mit niedriger Energie erscheint
rot, das Licht von Sternen bläulich. Bild:
NASA / CXC / CfA / W.Forman et al. [Großansicht]
Chandra-Aufnahme im hochenergetischen
Röntgenbereich: Zu erkennen ist der nahezu
kreisförmigen Stoßwelle. Bild: NASA / CXC / CfA / W.Forman et
al
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Die Entdeckung gelang den Astronomen als sie Daten der die bislang längsten
Röntgenbeobachtung der elliptischen Riesengalaxie M87 auswerteten. M87 liegt im
Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens. Sie beherbergt in ihrem Inneren eines der
massereichsten Schwarzen Löcher im Universums. Mit Hilfe des Chandra-Röntgenteleskops
entdeckten die Wissenschaftler Schleifen und Ringe im heißen Gas, das den
Galaxienhaufen durchdringt und die Galaxie umgibt. Dieses heiße Gas sorgt für
die beobachtete Röntgenstrahlung.
Die beobachteten Schleifen deuten nach Ansicht der Forscher auf periodische
Eruptionen aus der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs hin. Diese
verursachen Änderungen im Druck des Gases und führen somit zur Ausbildung von
Schallwellen. "Wir können sagen, dass es in diesem Haufen schon seit Urzeiten
ein tiefes Brummen gegeben hat", so William Forman vom Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics (CfA).
Der Ausbruch in M87, dessen Folgen Chandra beobachtet hat, scheint
sich alle paar Millionen Jahre zu wiederholen. Mit weit reichenden Folgen: Die
Ausbrüche sorgen nämlich dafür, dass sich das Gas im Haufen nicht abkühlt und
verhindern somit Sternentstehung in größerem Umfang. Ohne diese Ausbrüche könnte
M87 heute vollkommen anderes aussehen und würde eventuell gar keine elliptische
Galaxie sein. "Würde das Schwarze Loch nicht all den Lärm machen, wäre M87
vielleicht ein komplett anderer Galaxientyp", spekuliert Paul Nulsen, der auch
am CfA arbeitet. "Vielleicht eine riesige Spiralgalaxie, die rund 30 Mal
leuchtstärker ist als unsere Milchstraße."
Die Ausbrüche entstehen, wenn Materie ins Schwarze Loch stürzt: Während das
meiste Material von der Schwerkraftfalle verschlungen wird, wird ein Rest in so
genannten Jets, also eng gebündelten Materieströmen, ins All geschleudert. Diese
Jets treffen auf das Gas im Haufen und sorgen so letztlich für die Schallwellen.
Die Chandra-Beobachtungen von M87 zeigen auch den bislang deutlichsten
Hinweis auf eine vom Schwarzen Loch produzierte Stoßwelle, was für eine
sehr starke Explosion in der Vergangenheit spricht. Die Stoßwelle zeigt sich als nahezu kreisförmiger
Ring aus hochenergetischer Röntgenstrahlung, dessen Durchmesser rund 85.000
Lichtjahre ist. Genau im Zentrum dieses Rings liegt das Schwarze Loch. Außerdem
entdeckten die Astronomen in M87 erstmals Filamente von Röntgenstrahlung mit
einer Länge von über 100.000 Lichtjahren. Eine Erklärung dafür könnten
Magnetfelder sein, die heißes Gas eingefangen haben. "Wir können einiges, wie
etwa die Stoßwelle, mit Lehrbuch-Physik erklären", so CfA-Mitarbeiterin
Christine Jones. "Bei anderen Details allerdings, wie etwa den Filamenten,
kommen wir ganz schön ins Grübeln."
Schallwellen in Galaxienhaufen sind nichts Neues: Auch im Perseus-Galaxienhaufen wurde schon Töne entdeckt. Der Perseus-Haufen scheint
dabei recht konstant 57 Oktaven unter dem eingestrichenen C zu brummen. M87
hingegen weist vielfältigere Töne auf und dürfte nicht gerade harmonisch klingen.
Die Astronomen entdeckten auch Hinweise auf einen kleineren
Ausbruch vor rund 8 Millionen Jahren, der für Schallwellen sorgte, die 56
Oktaven unter dem eingestrichenen C liegen. Vermutlich gibt es auch noch tiefere
Töne, die auf größere Ausbrüche zurückgehen.
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