Galaxien und Sterne im scheinbaren Nichts
Redaktion / idw / Universität Bonn
astronews.com
25. April 2006
Schaut man als Astronom lange genug ins Nichts, kann jede Menge Interessantes zum Vorschein
kommen. Das jedenfalls haben unzählige so genannte "Deep
Field"-Beobachtungen bewiesen. Auch mit dem 2,2-Meter-ESO-Teleskop in La Silla
schauten Forscher mehrere hundert Stunden in eine scheinbar leere Himmelsregion. Nach einer
langwierigen Datenauswertung legen Bonner Astronomen nun das Ergebnis vor.
Dieser kleine Bildausschnitt zeigt die hellste Galaxie in einem
der beobachteten Felder. Die Spiralgalaxie enthält Milliarden
von Sternen und ist ca. 60 Millionen Lichtjahre entfernt,
kosmologisch betrachtet ein Katzensprung. Allerdings wurde das
Licht zu einer Zeit ausgesendet, als auf der Erde gerade die
Dinosaurier ausgestorben waren. Bild: AIfA der
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Mitarbeiter des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn
haben aus Beobachtungsdaten der europäischen Südsternwarte in Chile in
jahrelanger Rechenarbeit 63 Bilder gewonnen, die unter anderem extrem weit
entfernte und entsprechend lichtschwache Galaxien aus der Kindheit des
Universums zeigen. Für diese Aufgabe hatten die Forscher in Bonn extra einen
sehr schnellen Parallelrechner installiert. Mit einer eigens entwickelten
Software waren sie so in der Lage, aus dem riesigen Datenwust die gewünschten
Daten zu gewinnen.
Wer den Nachthimmel von einem dunklen Ort aus beobachtet, erkennt leicht das
Band der Milchstraße, welches sich schon mit einem kleinen Teleskop
eindrucksvoll in Sterne auflösen lässt. Für den flüchtigen Blick scheinbar
uninteressanter sind die sternarmen Regionen des Himmels. Erst stundenlange
Beobachtungen mit Großteleskopen enthüllen auch in diesen so genannten "leeren
Feldern" eine große Anzahl schwacher Objekte.
"Während wir bei einem Blick in die Milchstraße in unsere Muttergalaxie und
damit in unsere kosmische Nachbarschaft schauen, erlauben es Beobachtungen
leerer Felder, zu sehr weit entfernten Orten unseres Universums vorzudringen",
erklärt der Bonner Astronom Professor Dr. Peter Schneider. Damit können
Wissenschaftler auch Einblick in die Anfangsphasen unseres Universums gewinnen:
Da das Licht aus diesen Regionen schon viele Milliarden Jahre unterwegs war, bis
es auf das Teleskop traf, enthüllt das Bild, wie die weit entfernten Galaxien in
ihrer "Kindheit" aussahen - das ist einer der Gründe, warum sich die
Wissenschaft für derartige Beobachtungsdaten interessiert.
Im kürzlich abgeschlossenen "ESO Deep Public Survey"-Programm beobachteten
Astronomen daher gleich drei solcher scheinbar "leeren Felder" mit dem
2,2-Meter-Teleskop der europäischen Südsternwarte (ESO) in La Silla, Chile. Alle
drei Felder, deren Fläche am Himmel jeweils viermal so groß ist wie der
Vollmond, wurden mit verschiedenen Farbfiltern betrachtet. So wollten die
Forscher Farbinformationen über die weit entfernten Objekte sammeln.
Die schiere Größe der beobachteten Himmelsfläche, die Verwendung von fünf
verschiedenen Filtern und die extrem hohe Belichtungszeit (mehr als hundert
Stunden je Feld) führten zu einem gigantischen Datenaufkommen: Etwa anderthalb
Terabyte an Rohdaten - das ist etwa soviel, wie auf 2.000 CD-ROMs passt - können
nicht mehr mit üblichen Arbeitsplatzrechnern gehandhabt werden, zumal sich diese
Datenmenge während der Aufbereitung zeitweilig noch vervielfacht.
"Wir haben daher für diese Aufbereitung - auch Datenreduktion genannt - einen
speziellen Parallelrechner installiert", sagt Professor Schneider. In einem
langjährigen Projekt unter der Leitung von Dr. Thomas Erben mussten die
Wissenschaftler dazu gleich auch noch die erforderliche Software entwickeln, da
nichts Vergleichbares auf dem Markt war. Nur sehr wenige Gruppen weltweit sind
überhaupt in der Lage, Daten dieser Art zu reduzieren.
Nach mehr als einjähriger Rechenarbeit konnten die Forscher nun 63 fertige
Bilder der weltweiten Gemeinschaft der Astronomen zur Verfügung stellen. Auf den
Bildern sind neben galaktischen Sternen sowie nahen elliptischen und
spiralförmigen Galaxien auch extrem weit entfernte und entsprechend
leuchtschwache Objekte zu sehen. "Mit speziellen Farbselektionsmethoden können
wir beispielsweise Objekte auswählen, die so weit entfernt sind, dass das Licht
über 80 Prozent der Zeit seit dem Urknall unterwegs war", erklärt Doktorand
Hendrik Hildebrandt.
"Eine solche Selektion ist auch bitter nötig, da sich auf manchen der
Aufnahmen auf einer Fläche so groß wie der Vollmond mehr als 50.000 Galaxien
erkennen lassen." In diesen Objekten sieht man also Galaxien, wie sie zur Zeit
ihrer Kindheit ausgesehen haben. Anstatt der regelmäßigen, symmetrischen Formen,
die man aus dem nahen Universum von Spiralgalaxien oder elliptischen Galaxien
her kennt, dominieren zu diesen frühen Zeiten irreguläre Systeme, die sehr viele
neue Sterne bilden.
Hendrik Hildebrandt hat zusammen mit weiteren Institutsmitarbeitern inzwischen
mehrere Tausend dieser so genannten "Lyman-break galaxies" gefunden. Eine der
erstaunlichsten Eigenschaften dieser jungen Galaxien ist, dass sie sich unter
dem Einfluss der eigenen Schwerkraft schon ähnlich stark "zusammenklumpen" wie
Galaxien heutzutage, obwohl sie für diesen Prozess erheblich weniger Zeit
hatten. Diese Klumpung kann mit Hilfe der Bonner Daten mit zuvor nicht zu
erreichender Präzision vermessen werden.
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