Der Schatten von Phobos
Redaktion / DLR
astronews.com
20. Februar 2006
Die Kamera am Bord von Mars Express konnte Ende
letzten Jahres beobachten, wie der Schatten des Marsmondes Phobos über die
Marsoberfläche huschte. Zufall war das allerdings nicht: Den Aufnahmen gingen
langwierige Vorbereitungen voraus. Sogar die Sonde selbst wurde für die
Aufnahmen leicht gekippt.

Der Schatten des Marsmondes Phobos auf der
Oberfläche des Mars. Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)

Die HRSC an Bord von Mars Express nimmt den
Schatten des Marsmondes auf (künstlerische Darstellung). Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) |
Am 10. November 2005 gelangen der vom Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der
ESA-Raumsonde Mars Express Bilder des über die Oberfläche wandernden
Schattens des Marsmondes Phobos. Die Aufnahmen des Schattens während Orbit 2345
bestätigen nicht nur die Richtigkeit der 2004 mit HRSC-Bilddaten neu bestimmten
Flugbahn.
Sie zeigen auch, dass bei sekundengenauer Planung der
Aufnahmesequenzen sogar bewegliche Objekte exakt an der vorgesehenen Stelle
aufgenommen werden können: Voraussetzung hierfür ist, dass sowohl die Lage des
Raumschiffs in seinem Marsorbit, als auch das Gebiet, auf das die Kamera zielt,
auf wenige hundert Meter genau vorhergesagt werden können.
Phobos ist mit etwa 27 Kilometer mal 21,6 Kilometer mal 18,8 Kilometer der
größere der beiden Marsmonde und umkreist seinen Mutterplaneten auf einer
annähernd kreisförmigen Bahn. In einer Höhe von etwa 6.000 Kilometern über der
Oberfläche benötigt Phobos für einen Marsumlauf etwas mehr als siebeneinhalb
Stunden.
Mit der Sonne im Rücken wirft Phobos einen kleinen, diffusen Schatten
auf die Oberfläche. Einem Beobachter am Boden erschiene dies wie eine sehr
schnell, in etwa 21 Sekunden, vorübergehende Sonnenfinsternis. Im Prinzip ähnelt
dieser Vorgang dem, der auf der Erde beobachtet werden kann, wenn sich der
Erdmond vor die Sonne schiebt - dort allerdings wesentlich langsamer.
Der Schatten von Phobos hat auf der Marsoberfläche die Form einer Ellipse, da
der von den Sonnenstrahlen verursachte Schattenkegel den Mars im Aufnahmegebiet
schräg trifft. Die Verzerrung wird durch die besondere Aufnahmetechnik der
HRSC-Kamera noch verstärkt: Während der Schatten des Mondes mit cirka 7.200
Kilometern pro Stunde von West nach Ost über die Oberfläche wandert, bewegt sich
Mars Express mit der deutlich höheren Geschwindigkeit von etwa 12.600
Kilometern pro Stunde von Süd nach Nord. Da die HRSC synchron zur Flugbewegung
der Raumsonde die Oberfläche quer zu ihrer Flugrichtung abtastet - was eine
gewisse Zeitspanne in Anspruch nimmt - , ist der normalerweise nur leicht
ellipsenförmige Schatten in den HRSC-Bildern noch stärker verformt.
Außerdem ist der Phobos-Schatten auf den Bildern in seinem Zentrum dunkler
als an den Rändern. Stellt man sich einen Astronauten vor, der auf der
Marsoberfläche im Zentrum des Schattens steht und in Richtung Sonne blickt, dann
würde er Phobos in seinem ganzen Umfang inmitten der Sonnenscheibe sehen; wegen
der geringen Größe des Mondes ist aber nur ein Fünftel der Sonne bedeckt,
deshalb treffen ihn auch im Zentrum des Schattens Strahlen vom nicht bedeckten
Teil der Sonne - der Astronaut würde also keine "totale", sondern immer nur eine
"partielle" Sonnenfinsternis erleben.
Denn trotz des relativ geringen Abstandes
zwischen Phobos und Mars ist der Trabant viel zu klein, als dass er die 219
Millionen Kilometer entfernte Sonnenscheibe komplett verdecken könnte. Stünde
der Astronaut gar dort, wo im Bild der diffusere Halbschatten abgebildet ist,
würde er beim Blick zum Zentralgestirn nur einen Teil von Phobos vor der
Sonnenscheibe sehen.
Es ist nicht einfach, den kleinen und schnell wandernden Phobos-Schatten mit
dem engen Gesichtsfeld der HRSC-Kamera "einzufangen". Mitglieder des
HRSC-Wissenschaftsteams konnten 2004 auf der Grundlage von Phobos-Nahaufnahmen
der HRSC die Bahn des unregelmäßig geformten Marsmondes neu vermessen. Mit den
verbesserten Phobos-Bahndaten - der Trabant eilt seiner bisher angenommenen
Position um etwa 12 Kilometer voraus - konnten Gelegenheiten für Beobachtungen
seines Schattens genau vorhergesagt werden.
Im Umkehrschluss konnte anhand der
Aufnahmen nun die Richtigkeit der den Berechnungen zugrunde liegenden Annahmen
überprüft werden. Um allerdings den Schatten im Bildfeld der HRSC zu treffen,
wurde die Raumsonde Mars Express nach Maßgabe der DLR-Planer während des
2345. Orbits um den Planeten geringfügig, nämlich um 0,75 Grad, aus ihrer
normalen Flugorientierung zur Seite "gekippt".
Dass der Schatten eingefangen werden konnte, ist der guten Zusammenarbeit des
HRSC-Kamerateams am Institut für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt mit den Mars Express Missionsingenieuren am
European Space Operations Centre (ESOC), dem Bodenkontrollzentrum der
Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt, zu verdanken.
Dort muss die
Planung für alle Aufnahmen bereits zwei Monate vor der tatsächlichen
Bildaufnahme fertig gestellt sein, damit sie anschließend in den Bordcomputer
der Sonde einprogrammiert werden kann. Anfang des Jahres 2006 ergaben sich
weitere Beobachtungsmöglichkeiten des Phobosschattens, die vom
HRSC-Experiment-Team in Kooperation mit dem ESOC bereits durchgeführt wurden,
deren Ergebnisse aber noch nicht vollständig ausgewertet wurden.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen
Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin) geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45
Co-Investigatoren aus 32 Instituten und zehn Nationen. Die Kamera wurde am
Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit
industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof
in Zusammenarbeit mit ESA/ESOC betrieben.
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