Nur ein Flackern verriet erdähnlichen Planeten
von Stefan
Deiters
astronews.com
26. Januar 2006
Eine Gruppe von Astronomen hat gestern die Entdeckung des
kleinsten bislang gefundenen extrasolaren Planeten bekannt gegeben. Die ferne
Welt hat etwa die 5,5-fache Masse der Erde und umrundet einen roten Zwergstern
in etwa der dreifachen Entfernung der Erde von der Sonne. Der Planet mit Namen
OGLE-2005-BLG-390Lb ist eine eisige Welt: An seiner Oberfläche dürften
Temperaturen von minus 220 Grad herrschen.

So stellt sich ein Künstler die eisige Welt in
22.000 Lichtjahren Entfernung vor. Bild: NASA, ESA, G.
Bacon (STScI)

Die Lichtkurve des Microlensing-Ereignisses. Bild: ESO [Großansicht] |
Der neu entdeckte Planet mit dem recht technischen Namen OGLE-2005-BLG-390Lb
ist der erdähnlichste unter allen 170 Planeten, die bislang von Astronomen
entdeckt wurden. Die weitaus meisten extrasolaren Planeten wurden durch ein
"Wackeln" des Muttersterns aufgespürt, das durch den Umlauf des Planeten
verursacht wird: Je massereicher ein Planet und je geringer der Abstand zu
seiner Sonne ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mit dieser
Methode entdeckt wird.
Ein Planet wie die Erde würde viel zu wenig Störungen um
ihren Zentralstern verursachen, als dass diese aus der Ferne mit unseren
Instrumenten entdeckt werden könnten. Die meisten bekannten extrasolaren
Planeten sind deswegen auch Riesenplaneten wie Jupiter, die allerdings ihre
Sonnen in geringem Abstand umkreisen.
Der jetzt entdeckte Planet wurde daher auch mit einer anderen Methode
aufgespürt. Er verriet seine Existenz durch seine Schwerkraftwirkung. Nach
Einsteins Theorien werden auch Lichtstrahlen durch Masse abgelenkt. Es kann also
auch das Licht eines Sterns von der Masse eines unsichtbaren Sterns im
Vordergrund abgelenkt werden. Meistens ist diese Ablenkung unmessbar klein, doch
wenn etwa ein Vordergrundstern in der Sichtlinie direkt vor einem
Hintergrundstern vorbeiläuft, führt das dazu, dass wir auf der Erde infolge der
Lichtablenkung mehr Lichtstrahlen des Hintergrundsterns erhalten: er erscheint
kurzzeitig heller.
Es kann einige Wochen oder Monate dauern, bis der Hintergrundstern wieder
seine ursprüngliche Helligkeit erreicht hat. Den Verlauf der Helligkeit des
Hintergrundstern bezeichnen Astronomen als "Lichtkurve" und diese lässt sich
dank Einsteins Theorien exakt vorhersagen. Wenn es sich bei dem
Vordergrundobjekt, das auch als "Gravitationslinse" bezeichnet wird, nur um
einen einzelnen Stern handelt, sollte diese Lichtkurve symmetrisch aussehen, die
Helligkeit des Sterns also zunächst gleichmäßig zunehmen und dann wieder
abnehmen. Handelt es sich allerdings nicht um einen Einzelstern, sondern wird
dieser von einem Planeten begleitet, dann kann diese symmetrische Lichtkurve
eine kurzzeitige Abweichung zeigen: Die Helligkeit des Hintergrundsterns kann
erneut kurz zu- und wieder abnehmen.
Solche Microlensing genannten Ereignisse sind extrem selten. Um
auch nur ein solches Ereignis zu finden, muss man also möglichst viele Sterne
kontinuierlich beobachten und dabei natürlich aufpassen, dass man nicht auf
veränderliche Sterne oder Doppelsterne hereinfällt. Es gibt daher mehrere
Astronomenteams, die die Helligkeit einer Vielzahl von Sternen regelmäßig
überwachen. Ursprünglich wollte man auch diese Weise allerdings keine Planeten
finden, sondern dunkle, kompakte Sterne, so genannte MACHOS (für massive
compact halo objects), in den äußeren Bereichen unserer Galaxie, die
eventuell hätten helfen können, das Dunkelmaterie-Problem zu lösen.
Eine dieser Gruppen ist das OGLE-Team. OGLE steht für Optical
Gravitational Lensing Experiment. Das Team misst die Helligkeit von zehn
Millionen Sternen regelmäßig etwa zweimal pro Woche. Wenn einer davon eine für
den Gravitationslinseneffekt charakteristische Helligkeitsänderung zeigt, wird
ein "E-Mail-Alarm" an interessierte Wissenschafter verschickt. Allein im letzten
Jahr gab es davon 600.
Diese Alarm-E-Mails gehen auch an die Mitglieder des
PLANET-Teams. PLANET steht für Probing Lensing Anomalies Network. Dieses
Team hat sich darauf spezialisiert, die Linsenereignisse sehr häufig zu messen,
idealerweise einige Male pro Stunde, um den Verlauf der Lichtkurve und mögliche
Abweichungen exakt bestimmen zu können. Dazu kann das Team vier Teleskope
kombinieren, um rund um die Uhr beobachten zu können.
Am 10. August 2005 war es wieder soweit: das Microlensing-Ereignis
OGLE-2005-BLG-390, das sich bis dahin wenig spektakulär von seiner
Maximal-Helligkeit wieder auf seine Normalhelligkeit zurückbewegt hatte, zeigte
eine kurzzeitige Abweichung. Dieses zweite Maximum hatte genau den Verlauf, den
man von einem Planetenbegleiter erwartete, allerdings hatte es nur 15 Stunden
gedauert. Was war also geschehen? Insgesamt fünf Teleskope hatten das Ereignis
unabhängig voneinander beobachtet, so dass an den Daten nicht zu rütteln war.
Als einzige Erklärung blieb nur eine Möglichkeit übrig: Der Stern, der für die
eigentliche Helligkeitsänderung verantwortlich war, hatte einen Begleiter mit
einer winzigen Masse, die etwa 0,00008-mal der Masse des Sterns entsprach - ein
kleiner Planet also.
Da der Linsenstern selbst zu schwach ist, um direkt gesehen zu werden, kann
dessen Masse nicht exakt bestimmt werden: Sie dürfte bei rund 20 Prozent der
Masse unserer Sonne liegen, was diesen Stern zu einem roten Zwergstern macht.
Damit ergibt sich für die Planetenmasse ein Wert, der etwa der 5,5-fachen Masse
der Erde entspricht. Der Abstand des Planeten zum Mutterstern liegt bei etwa 2,6
mal dem Abstand zwischen Erde und Sonne, so dass er ungefähr zehn Erdjahre für
einen Umlauf benötigt.
Auch wenn der neue Planet von allen bislang aufgespürten Planeten der
erdähnlichste ist, dürfte es auf ihm alles andere als erdähnliche Verhältnisse
geben: Bedingt durch den schwachen Mutterstern und den großen Abstand erhält der
Planet nur etwa ein Tausendstel der Energie, die uns von der Sonne erreicht.
Deshalb schätzen die Astronomen, dass seine Oberflächentemperatur bei nur rund
minus 220 Grad Celsius liegt. Ähnlich kalt ist es auch auf Pluto oder Neptun.
Die Beobachtung der fernen Welt dürfte im wahrsten Sinne des Wortes einmalig
sein: Bedingt durch die Entdeckungsmethode lassen sich auf dem gleichen Weg
keine weiteren Messungen mehr durchführen. Die ferne Welt ist zudem rund 22.000
Lichtjahre von der Erde entfernt, so dass auch jede andere Erkundungsmöglichkeit
ausgeschlossen sein dürfte.
Allerdings ist der Fund aus einem anderen Grund wichtig: Es dürfte sich bei
OGLE-2005-BLG-390-Lb um den ersten entdeckten wirklich erdähnlichen Eis- oder
Gesteinsplaneten handeln. Nach den Theorien über die Entstehung von
Planetensystemen sollte es solche Planeten in deutlich höherer Zahl geben als
etwa Gasriesen - nur gefunden wurde instrumentenbedingt keiner. Dank der
Gravitationslinsen-Methode konnte jetzt zumindest das erste Exemplar aufgespürt
werden.
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Ferne Welten
- die astronews.com Berichterstattung über die Suche nach
extrasolaren Planeten |
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