Wie Pluto und Sedna entstanden sein könnten
Redaktion / idw / Universität Bonn
astronews.com
28. Dezember 2005
Astronomen an der Sternwarte der Universität Bonn könnten
zusammen mit Wiener Kollegen eine Alternative zu bisherigen Modellen der
Sternentstehung gefunden haben. Nach Ansicht der Wissenschaftler erklärt ihr
Modell erstmals die Entstehung der äußeren Planeten des Sonnensystems in
realistischen Zeitskalen. Dazu benötigen die Forscher eine andere Sonne als
Geburtshelfer.

Der Orionnebel in einer Aufnahme des
Hubble-Weltraumteleskops. Foto: NASA und C.R.
O'Dell (Vanderbilt University) |
Nach bisheriger Auffassung entstand unser Sonnensystem vor etwa 4,6
Milliarden Jahren zusammen mit Hunderten weiterer Sterne aus einer riesigen Gas-
und Staubwolke, ähnlich dem heutigen Orionnebel, dem "Schwert" des
Himmelsjägers. Die Wolke zerfiel in zahlreiche "Knoten", die wiederum unter
ihrer eigenen Schwerkraft zusammenfielen, bis der steigende Druck in ihrem
Inneren das nukleare Feuer der Sterne entfachte.
Um viele dieser Sterne, darunter auch unsere Sonne, bildete sich eine Scheibe
aus Gas und Staub. Staubteilchen blieben aneinander kleben und formten größere
Körner, bis ihre Schwerkraft groß genug wurde, um das umgebende Material wie ein
"Staubsauger" aufzusammeln.
So weit, so gut. Die Theorie hat jedoch ein Problem: Ein solcher Prozess
dauert für die äußeren Planeten Uranus, Neptun und Pluto zu lange. Nach den
derzeitigen Modellen würden etwa hundert Millionen Jahre vergehen, bis sich
solche Planeten bilden. Noch mehr Zeit wäre nötig, damit sich
Trans-Neptun-Objekte, planetenähnliche Objekte am Rande unseres Sonnensystems
wie Sedna oder 2003 UB313, bilden könnten.
"So viel Zeit hatten die äußeren Planeten aber gar nicht", meinen
Diplom-Physiker Ingo Thies und Professor Dr. Pavel Kroupa vom
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn sowie Dr. Christian
Theis von der Universität Wien. Denn Beobachtungen junger Sterne zeigen, dass
sich die so genannte "protoplanetare" Staubscheibe schon nach wenigen Millionen
Jahren komplett auflöst - astronomisch gesehen ein Wimpernschlag. Das Material
wird entweder von der starken Ionenstrahlung der jungen Sonne ins All geblasen,
von der Ultraviolettstrahlung heißer junger Riesensterne verdampft oder von den
Schockwellen explodierender Sterne fortgerissen. "Uranus und Pluto dürften nach
solchen Modellen gar nicht existieren", so die Forscher.
Mit einem neuen Ansatz glauben die Bonner Wissenschaftler nun der Lösung
dieses Rätsels einen großen Schritt näher gekommen zu sein. Die Planeten hatten
möglicherweise einen Geburtshelfer: Ein Nachbarstern kam der jungen Sonne mit
ihrer Staubscheibe so nahe, dass seine Anziehungskraft den Staubgürtel
regelrecht durcheinander wirbelte. Verklumpungen entstanden, die unter ihrer
eigenen Schwere zusammenfielen und dabei riesige Wirbel bildeten. In diesen
Wirbeln sammelte sich der Staub, etwa wie sich Teekrümel in der Mitte der Tasse
sammeln, wenn man den Tee umrührt. Dadurch konnten sich die Staubkrümel viel
schneller zu Protoplaneten zusammenballen als in einer ungestörten Scheibe.
Die Entstehungszeit wäre damit kurz genug gewesen, dass sich selbst die
äußersten Planeten vor der Zerstörung ihres solaren Kreißsaals hätten bilden
können. Computersimulationen, die jetzt in Bonn an einem Hochleistungsrechner
durchgeführt wurden, zeigen, dass solche Gravitationsinstabilitäten nicht nur
möglich sind, sondern dass die aus ihnen entstehenden Klumpen sogar die
richtigen Umlaufbahnen haben. "Ein Neptun oder ein Pluto ist ebenso möglich wie
eine Sedna oder ein 2003 UB313", sagt Thies, wobei er auf zwei der größten
bisher gefundenen Objekte jenseits des Neptun verweist.
In den nächsten Jahren wollen die Bonner Astronomen diesen neuen Weg der
Planetenbildung mit verfeinerten Methoden und verbesserten Rechnern noch genauer
unter die Lupe nehmen.
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