Implodierende Bälle und alternatives Vakuum
von Stefan
Deiters
astronews.com
21. Dezember 2005
Unser Universum besteht nach den aktuellen kosmologischen
Theorien zum überwiegenden Teil aus etwas, das wir noch nicht kennen: aus
Dunkler Materie und Dunkler Energie. Als beste Kandidaten für die Dunkelmaterie
gelten exotische Elementarteilchen. Zwei Physiker behaupten nun, dass sie ohne
solche exotischen Teilchen auskommen. Allerdings benötigt ihre Theorie ein
"alternatives Vakuum" und sagt Bälle aus Dunkelmaterie voraus, die Sterne
zum Explodieren bringen.
Die Ergebnisse der NASA-Sonde WMAP projiziert
auf eine Kugel: Die Farbvariationen repräsentieren kleine
Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung, die nach
Ansicht der Wissenschaftler auf winzige Dichteschwankungen kurz
nach dem Urknall hindeuten, aus denen später die Strukturen im
Kosmos entstanden sind. Bild:
NASA / WMAP Science Team |
Um unser Universum zu erklären verfügen die Kosmologen über ein so genanntes
Standardmodell, welches die wesentlichen Beobachtungen relativ gut erklärt. Es
hat allerdings einen Makel: Wir kennen danach nur fünf Prozent der Materie
im Weltall. 25 Prozent sind Dunkle Materie, 70 Prozent Dunkle Energie. Um was es
sich bei diesen 95 Prozent handelt, ist den Wissenschaftlern bis heute
vollkommen unklar.
Klar ist allerdings, welche Eigenschaften diese Materie haben muss: Sie darf
nicht wie herkömmliche Materie reagieren und etwa elektromagnetische Wellen
aussenden. Einzig und allein durch die Wirkung ihrer Masse auf ihre Umgebung
sollte sie sich verraten. Genauso hatte man nämlich ursprünglich auf die
Existenz dieser Dunkelmaterie geschlossen. Um die Bewegungen von Galaxien und
Galaxienhaufen erklären zu können, musste einfach viel mehr Materie vorhanden
sein, als man als Licht von Sternen sieht - dunkle Materie eben.
Eine Möglichkeit, diese dunkle Materie zu erklären, wäre die Existenz von
exotischen Elementarteilchen, die das bisherige Standardmodell der
Teilchenphysiker ergänzen würden. Colin Froggatt von der Glasgow University und
Holger Nielsen vom Niels Bohr Institut in Kopenhagen glauben jetzt eine Methode
gefunden zu haben, das Dunkelmaterie-Problem ohne eine Erweiterung dieses
Standardmodells zu lösen. Ihre Theorie sagt auch das Verhältnis von Dunkler
Materie zu sichtbarer Materie voraus, das von der NASA-Sonde WMAP 2003
ermittelt wurde (astronews.com berichtete).
Doch das Modell kommt nicht ohne "exotische" Zutaten aus: Froggatt und
Nielsen benötigen ein "alternatives Vakuum", das kurz nach dem Urknall entstanden
ist. Das normale Vakuum und die alternative Variante waren in den extremen
Temperaturen dieser Epoche durch so genannte Domänenwände getrennt, die sich
etwa eine Sekunde nach dem Urknall zu Bällen zusammenzogen und so die
Materie in diesem alternativen Vakuum einschlossen.
In den sich schnell
zusammenziehenden Bällen entstanden Heliumatome, die schließlich zu immer
schwereren Atomen fusionierten. Die dabei frei werdende Energie hat dann
dazu geführt, dass Atome aus dem Vakuumball in die "normale" Welt
hinausgeschleudert und so zu normaler Materie wurden. Etwa ein sechstel der Materie
könnte den Bällen so entkommen sein, der Rest blieb in dem alternativen Vakuum
gefangen.
Froggatt und Nielsen glauben, dass es in einer Region, die etwa der Größe
unseres Sonnensystems entspricht, im Schnitt einen dieser Bälle geben müsste.
Sie hätten einen Durchmesser von etwa 20 Zentimetern und eine Masse von 10
Millionen Tonnen. Sie würden sich, so die Forscher vor allem im Inneren von
schweren Sternen verbergen. Durch die extremen Temperaturen, die dort herrschen,
würden sie auch in der Lage sein, Teile des Sterns in Energie umzuwandeln, bis
dieser schließlich als Supernova explodiert. Die Bälle selbst könnten
implodieren und würden dabei einen hochenergetischen Gamma-Blitz erzeugen, der
scheinbar aus dem Nichts kommt.
Nach Angaben der Forscher, die ihre Theorie jetzt im Fachblatt Physical
Review Letters veröffentlichten, würde ihr Modell auch erklären, warum es im
Universum etwa zwei bis drei Mal weniger Lithium geben würde als vom
Standardmodell vorhergesagt.
|