Sternexplosion durch Schallwellen
von
Hans Zekl
für
astronews.com
16. November 2005
Supernova-Explosionen sind eine der dramatischsten Ereignisse im All.
Forscher glauben schon seit längerem zu wissen, welche Bedingungen am Lebensende eines Sterns
herrschen müssen, um ihn zur Explosion zu bringen. Doch weigerten sich bislang ihre Modellsterne
im Computer beharrlich zu explodieren. Jetzt
ist vielleicht die fehlende Zutat gefunden: Schallwellen.
Der Krebs-Nebel ist einer der bekanntesten Supernova-Überreste.
Foto: ESO |
Sterne mit etwa der acht- bis vierzigfachen Masse der Sonne erwartet kein
friedliches Ende. Wenn in ihrem Zentrum die letzten Energiereserven aufgebraucht
sind, bricht ihr aus Eisen bestehender Kern in Sekundenbruchteilen unter seinem
eigenen Gewicht zusammen und verwandelt sich in einen superdichten
Neutronenstern mit rund 20 Kilometern Durchmesser. Dieser wird urplötzlich hart
und schwingt zurück. Das nachstürzende Material aus der Hülle des Sterns wird
dabei zurückgeschleudert.
Es bildet sich eine Schockwelle, die aber nicht gegen
das weiter einströmende Material nach außen gelangen kann. Doch bei der Bildung
des Neutronensterns bilden sich unzählige Neutrinos. Obwohl diese
Elementarteilchen normalerweise kaum mit normaler Materie reagieren, bleiben sie
während des Sternzusammenbruchs für kurze Zeit bei den extremen Dichten gefangen
und übertragen ihre Energie auf die Sternmaterie. Dadurch wird der Einfall in
eine Explosion umgewandelt, die die Hülle des Sterns absprengt und den
Neutronenstern freilegt.
Soweit stark verkürzt die Theorie. Allerdings hat sie einen Schönheitsfehler.
Glaubten die Wissenschaftler noch vor wenigen Jahren, das Rätsel der Supernova
damit geklärt zu haben, zeigten detaillierte Forschungen danach, dass das
"Kochrezept" des Neutrinomechanismus wohl nur in seltenen Ausnahmefällen
funktioniert. Normalerweise kommt die Schockfront im Computer zum Stehen und
verhungert mangels Energiezufuhr schließlich.
Doch nun meinen Forscher von der University of Arizona, der Hebrew University in
Jerusalem und dem deutschen Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam-Golm die fehlende Zutat entdeckt zu haben:
Schallwellen. In ihren Rechnungen wurden sie stark genug, um den Stern
auseinanderzusprengen. "Das könnte eine völlig neue Sichtweise für Supernovae
sein," meint Teamleiter Adam S. Burrows.
Bei früheren Rechnungen wurde das Verhalten des frischen Neutronensterns außer
Acht gelassen, weil man es für nicht wichtig hielt. Burrows Gruppe änderte dies
und ließ die Simulation außerdem länger laufen. Länger ist hier allerdings ein
sehr relativer Begriff. Innerhalb etwa einer halben Sekunde wandelt sich nämlich
die Implosion in eine Explosion um.
Die Sternmaterie stürzt nicht gleichmäßig von allen Seiten auf den
Neutronenkern. Vielmehr hämmert sie nach etwa einer Viertelsekunde vorwiegend
auf einer Seite auf ihn ein und bringt den Kern zum Schwingen. Dabei werden
gewaltige Energiemengen umgesetzt, denn pro Sekunde fällt bis zu einem Zehntel
der Masse der Sonne auf den Kern ein.
Wie ein Lautsprecher strahlt dieser die Energie der einstürzenden Materie auf
der gegenüberliegenden Seite mit einer Tonfrequenz von rund 300 Hertz ab.
Aufgrund der physikalischen Verhältnisse, laufen die einzelnen Wellen in einer
Schockwelle zusammen, deren Kraft schließlich ausreicht, den Stern ins Jenseits
zu befördern. Gleichzeitig erhält die Stoßwelle immer neuen Nachschub, solange
weiterhin Materie auf den Neutronenkern einstürzt.
"Möglicherweise funktioniert der Neutrinomechanismus bei manchen Sternen,"
erklärt Burrows die Ergebnisse. "Aber wenn er versagt, kann der Schalleffekt
den Rest besorgen und der Stern explodiert." Interessanterweise erfolgt in der
Simulation die Explosion sehr asymmetrisch. Dadurch erhält der Neutronenstern
einen kräftigen seitlichen Stoß. Das könnte erklären, warum manche
Supernova-Überreste mit mehr als 1000 Kilometern pro Sekunde durch den
interstellaren Raum rasen. Der entdeckte Explosionsmechanismus liefert auch eine
Begründung, warum die meisten Explosionswolken asymmetrisch sind.
Außerdem ist die durch den Stern jagende Explosionswelle in der Lage, aus
leichteren Elementen rasch Atome wie Gold oder Uran zu erzeugen.
Beim Neutrinomechanismus konnte dieser r-Prozess nicht ablaufen.
Burrows Gruppe will die Rechnungen nun erweitern und die Rolle unterschiedlicher
Sternmassen, der Rotation, relativistischer Effekte und Magnetfelder
untersuchen.
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