Vor 20 Jahren startete D1-Mission
Redaktion / DLR
astronews.com
31. Oktober 2005
Vor fast genau 20 Jahren brach Deutschland in den Weltraum auf: Im Rahmen
der Shuttle-Mission D1 forschten zwei deutsche Astronauten eine Woche
lang im
europäischen Weltraumlabor Spacelab. Geleitet wurde die Mission vom
deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhoffen - auch dies eine
Premiere bei einer Shuttle-Mission.
Start der D1-Mission am 30. Oktober 1985. Foto: NASA
Die Crew der D1-Mission (hintere Reihe, von links nach rechts):
Pilot Steven R. Nagel, Missionsspezialist Guion S. Bluford, Jr.,
Nutzlast-Spezialisten Ernst Messerschmid und Wubbo J. Ockels;
(vordere Reihe, von links nach rechts): Nutzlast-Spezialist
Reinhard Furrer, Missionsspezialisten Bonnie J. Dunbar und James
F. Buchli und Kommandant Henry W. Hartsfield, Jr. Foto:
NASA |
"Oberpfaffenhofen - der Nabel der Welt." Dieser Satz war am
30. Oktober 1985 auf einem Verkehrsschild in der Nähe von
Oberpfaffenhofen zu lesen. Spaßvögel hatten sich einen
Scherz erlaubt und den Wegweiser mit einem entsprechenden
Zettel versehen. So ganz falsch lagen sie aber mit ihrer
Botschaft nicht: An diesem Tag blickte die gesamte Bundesrepublik Deutschland nicht
nur mit gespannter Erwartung nach Cape Canaveral, sondern
auch auf den kleinen Ort südwestlich von München -
insbesondere auf das am Ortsrand ansässige Deutsche
Raumfahrt-Kontrollzentrum auf dem Gelände der damaligen
Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und
Raumfahrt (DFVLR). Inzwischen ist daraus das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geworden.
Das
Kontrollzentrum stand damals vor seiner bis dahin größten
Aufgabe: der ersten deutschen Weltraummission mit dem
europäischen Weltraumlabor Spacelab im amerikanischen Space Shuttle. Die einwöchige
"D1-Mission" wurde nach der
Rückkehr zur Erde als großer Erfolg für die deutsche
Raumfahrt gefeiert und machte Oberpfaffenhofen weltweit
bekannt. Die Medien feierten den kleinen Ort als "bayerisches
Houston".
Dr. Ernst Messerschmid und Dr. Reinhard Furrer hießen die
beiden deutschen Astronauten, die gemeinsam mit dem
Holländer Wubbo Ockels im Spacelab in der die Erde
umkreisenden Raumfähre Challenger arbeiteten. In nur einer
Woche führten sie mehr als 76 wissenschaftliche Experimente
aus den Bereichen Physik, Medizin, Biologie und Navigation
durch. Für ihre Leistung zollten auch die Astronautenkollegen
der NASA den Deutschen großen Respekt.
Die Koordination und die Kontrolle der Experimente hatte das
Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen übernommen. Eine
Premiere, denn zum ersten Mal übernahm ein Kontrollzentrum
außerhalb der USA die Missionskontrolle für ein Space
Shuttle. 80 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiteten in
Bayern rund um die Uhr im Schichtbetrieb - ebenso wie die
Astronauten im All. Ein "alter Bekannter" fungierte als
Bindeglied zwischen den Astronauten im Weltraum und der
Bodencrew in Oberpfaffenhofen. Der Wissenschaftsastronaut
Ulf Merbold, bereits 1983 als erster westdeutscher Astronaut
an Bord eines Space Shuttles, zog im Kontrollraum die Fäden.
Der technische Aufwand für die Daten- und
Sprachübertragung zwischen dem Kontrollzentrum und den
deutschen Astronauten war enorm: 17 Sprachkanäle und
Verbindungen sowie zwei Datenübertragungsstrecken führten
vom Shuttle über den äquatornahen TDRS-Satelliten zur
Bodenstation White Sands im US-Bundesstaat New Mexico.
Von dort wurden die Informationen ins texanische Houston
übermittelt. Das dortige amerikanische Raumfahrtzentrum
schickte sie wiederum über weitere Stationen zurück ins All
auf den Kommunikationssatelliten Intelsat, der die Daten
schließlich nach Bayern zur Erdfunkstelle in Raisting sendete.
Per Kabel erreichten die Daten dann das Raumfahrt-
Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen.
Während die Raumfähre insgesamt 110 Mal die Erde in 325
Kilometer Höhe umkreiste, stattete auch der damalige
bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauss dem
Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen einen Besuch ab und
sprach mit den Astronauten im All. Im Gespräch mit Ernst Messerschmid und dem amerikanischen Astronauten Guy
Bluford bezeichnete der Ministerpräsident die D1-Mission als
einen "riesigen Schritt für die Menschheit" und als "Pionierleistung aller Beteiligten".
Auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zollte den
Astronauten und beteiligten Industrieunternehmen höchsten
Respekt für die große wissenschaftliche und technische
Leistung. Er bewertete die D1-Mission als Beispiel für die
Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft und Industrie.
"Wie die Politik ist auch ein erfolgreicher Weltraumflug ohne
gute Zusammenarbeit nicht möglich", betonte der damalige
Kanzler bei einem späteren Besuch der Astronauten in Bonn.
Prof. Dr. Ernst Messerschmid, Prof. Reinhard Furrer und
Wubbo Ockels wurden vom damaligen Forschungsminister
Heinz Riesenhuber mit dem Bundesverdienstkreuz Erster
Klasse ausgezeichnet.
Das Deutsche Raumfahrt-Kontrollzentrum des DLR, das
damals die D1-Mission leitete, hat inzwischen in seiner fast
40-jährigen Geschichte alle Arten von Raumfahrtmissionen
begleitet. So werden zur Zeit sowohl bemannte Raumflüge,
wie damals die D1- und später die D2-Mission, als auch
verschiedenste unbemannte Missionen betreut. Der
erfolgreiche Betrieb der früheren bemannten Missionen war
auch ausschlaggebend bei der Auswahl des Kontrollzentrums
für den Betrieb des europäischen Moduls Columbus der
Internationalen Raumstation ISS. Das Deutsche Raumfahrt-
Kontrollzentrum hat hierbei nicht nur
Kontrollzentrumsfunktionen, es koordiniert beispielsweise auch die
verschiedenen Nutzerzentren.
Im Bereich der
Satellitenmissionen werden nicht nur wissenschaftliche
Satelliten überwacht und gesteuert, sondern auch neue
kommerzielle Großprojekte wie Galileo unterstützt. Seit
einiger Zeit beschäftigt sich das Kontrollzentrum zusätzlich
mit dem Betrieb von sicherheitsrelevanten Missionen. Für
nahezu alle Missionen spielt die Bodenstation in Weilheim, die
einen Teil der Abteilung Raumflugbetrieb des DLR darstellt,
eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation zwischen
dem Satelliten im All und dem Kontrollzentrum in
Oberpfaffenhofen.
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