"First Light" für Doppelteleskop
Redaktion / MPIfR
astronews.com
27. Oktober 2005
Auf dem Weg zur Inbetriebnahme des größten und modernsten Einzelteleskops
der Welt wurde jetzt ein wichtiger Meilenstein erreicht: das so genannte "First
Light". Vom Large Binocular Telescope (LBT), an dem deutsche Institute zu
einem Viertel beteiligt sind, erhoffen sich die Astronomen bislang unerreichte
Einblicke ins All. Die erwarteten Bilder sollen sogar schärfer sein, als die von
Hubble.

Das Large Binocular Telescope (LBT), nach der Inbetriebnahme und
dem "first light" für den ersten 8,4 Meter-Spiegel. Foto:
LBT Konsortium.

"LBT First Light Bild" der Galaxie NGC 891
aufgenommen am 12. Oktober 2005. Diese Galaxie befindet sich im
Sternbild Andromeda in einer Entfernung von 24 Millionen
Lichtjahren. Die Galaxie NGC 891 ist wissenschaftlich sehr
interessant, weil es in ihr viele Regionen mit sehr heftiger
Sternentstehung und Röntgenstrahlung gibt. Dieses Bild wurde mit
der "Large Binocular Camera" aufgenommen, die aus vier
CCD-Detektoren mit je 2048 x 4608 Pixeln besteht. Foto:
LBT Konsortium. [Großansicht] |
Die ersten wissenschaftlichen Himmelsaufnahmen wurden jetzt mit einem der
beiden Spiegel des Large Binocular Telescope (LBT) gemacht. Das unter
Astronomen "First Light" (erstes Licht) genannte Ereignis ist ein entscheidender
Meilenstein auf dem Weg zur Inbetriebnahme des größten und modernsten
Einzelteleskops der Welt. Das LBT wird schärfer und tiefer ins Universum schauen
als es jemals zuvor möglich war.
Unter Leitung des Max-Planck-Instituts für
Astronomie in Heidelberg sind fünf deutsche Institute mit insgesamt 25 Prozent
Beobachtungszeit am LBT-Projekt beteiligt. Dazu zählen neben dem
Max-Planck-Institut für Astronomie auch die Max-Planck-Institute für
extraterrestrische Physik in Garching und für Radioastronomie in Bonn, sowie das
Astrophysikalische Institut Potsdam und die Landessternwarte Heidelberg.
Das Large Binocular Telescope auf dem 3.190 Meter hohen Mount Graham
(Arizona) ist eines der herausragenden wissenschaftlich-technischen Projekte der
modernen astronomischen Forschung. Der Name des Teleskops ist Programm: Das
völlig neuartige Fernrohr wird über zwei riesige Sammelspiegel mit jeweils 8,4
Metern Durchmesser verfügen, die, auf einer gemeinsamen Montierung installiert,
gleichzeitig auf ferne Himmelskörper ausgerichtet werden, ähnlich wie ein
Feldstecher.
Die Oberflächen der Spiegel sind dabei auf ein 20 Millionstel
Millimeter extrem genau poliert: ein LBT-Spiegel - vergrößert auf die Fläche des
Bodensees - hätte nur "Wellen" von einem fünftel Millimeter Höhe. Trotz ihrer
Größe wiegt jeder der beiden Hauptspiegel "nur" 16 Tonnen. Die viel dickeren
Spiegel klassischer Teleskope würden in dieser Dimension etwa 100 Tonnen wiegen
und den Bau eines Fernrohrs dieser Größenordnung unmöglich machen.
Durch die Vereinigung der Strahlengänge der beiden Einzelspiegel sammelt das
LBT so viel Licht wie ein Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 11,8 Meter.
Damit wird das mit einem 2,4 Meter-Spiegel ausgestattete Weltraumteleskop
Hubble um den Faktor 24 übertroffen.
Von noch größerer Bedeutung ist jedoch,
dass das LBT dabei auch die Auflösung eines Teleskops von 22,8 Meter Durchmesser
erreichen wird, weil es über die modernste adaptive Optik verfügt und die Bilder
der beiden Teleskopspiegel in einem interferometrischen Verfahren überlagert
werden. Damit gelingt es den Astronomen, durch Luftturbulenzen verursachte
Unschärfen in den Bildern auszugleichen und weitaus schärfer als Hubble
ins Universum zu blicken.
"Das LBT wird uns völlig neue Möglichkeiten für die Erforschung von Planeten
außerhalb des Sonnensystems oder zur Untersuchung der fernsten und damit
jüngsten Galaxien eröffnen", sind sich Prof. Dr. Thomas Henning,
Geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), und
Dr. Tom Herbst (MPIA), Projektwissenschaftler im deutschen Konsortium, einig.
"Was die Wissenschaftler in der nahen Zukunft an faszinierender Bildqualität
erwarten können, lassen bereits die ersten LBT-Bilder erahnen", sagt Prof. Dr.
Gerd Weigelt, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Obwohl die Aufnahmen zunächst "nur" mit einem der beiden Hauptspiegel gewonnen
wurden, zeigen sie bereits einen beeindruckenden Blick auf ein fernes
Milchstraßensystem.
Bei dem als NGC891 bekannten Objekt im Sternbild Andromeda handelt es sich um
eine Spiralgalaxie in 24 Millionen Lichtjahren Entfernung, welche wir - von der
Erde aus - von der Seite sehen. "Das Objekt ist für die Astronomen von
besonderem Interesse, weil es auch im Röntgenbereich enorme Mengen an Strahlung
aussendet", so Prof. Dr. Reinhard Genzel, Geschäftsführender Direktor des
Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching. "Diese Strahlung
entsteht durch eine große Anzahl massereicher Sterne, die ihr Leben durch
spektakuläre Supernova-Explosionen beenden - eine Art kosmisches Feuerwerk."
Die Bilder entstanden mit Hilfe der hochmodernen Large Binocular Camera
(LBC), die von den italienischen Partnern des Projekts entwickelt wurde. Kamera
und Teleskop wirken zusammen wie eine riesige Digitalkamera. Dank des besonders
großen Gesichtsfeldes werden damit sehr effiziente Beobachtungen beispielsweise
der Entstehung und Entwicklung ferner und damit lichtschwacher Galaxien möglich.
Doch die LBC-Kamera ist erst der Anfang einer ganzen Reihe von
High-tech-Instrumenten, mit denen das LBT in Zukunft ausgestattet sein wird.
"Ein Teleskop ohne Instrument ist wie ein Auge ohne Netzhaut", so Prof. Dr.
Hans-Walter Rix, Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie. "Nur in
Kombination mit leistungsfähigen Messinstrumenten, die mit empfindlichsten
Detektoren ausgestattet sind, wird aus einem Teleskop wie dem LBT ein
hochleistungsfähiges Observatorium", ergänzt der seit vielen Jahren im
LBT-Projekt engagierte Wissenschaftler.
Vor allem über die Entwicklung und den Bau dieser Instrumente bringen sich
die deutschen Partner maßgeblich in das LBT-Projekt ein und sichern sich damit
25 Prozent der Beobachtungszeit. So bauen Wissenschaftler, Techniker und
Elektroniker der LBT-Beteiligungsgesellschaft (LBTB) die Kombi-Instrumente
LUCIFER 1 und 2, mit denen sowohl Bilder als auch Spektren der Himmelsobjekte im
nahen Infrarot gewonnen werden können. "Dies ist wichtig für die detaillierte
Untersuchung einer großen Anzahl von Galaxien verschiedener Entwicklungsstufen",
so Prof. Dr. Immo Appenzeller von der Landessternwarte Heidelberg.
"Hingegen ist das Instrument PEPSI ein besonders hochauflösender so genannter
Echelle-Spektrograph, mit dem man etwa die Struktur und Dynamik an der
Oberfläche von Sternen besonders gut untersuchen kann", erläutern Prof. Dr.
Matthias Steinmetz und Prof. Dr. Klaus Strassmeier, Direktoren am
Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP). Am AIP werden auch die
Acquisition, Guiding- and Wavefront Sensing-Einheiten (AGW) gebaut, welche
sowohl für die exakte Nachführung des Teleskops als auch für die Korrektur der
Spiegel sorgen.
Damit am Ende auch die volle Leistungsfähigkeit des LBT und seiner
Instrumente zur Verfügung steht, wird das LINC-NIRVANA-Instrument gebaut. Dieses
in Zusammenarbeit mit den italienischen Partnern entwickelte Gerät bildet das
Herzstück des LBT, denn es wird die Lichtbündel der beiden Hauptspiegel in einer
gemeinsamen Brennebene zusammenführen und die durch die Erdatmosphäre
verursachten Bildstörungen korrigieren.
Dabei werden an die optischen,
elektronischen und mechanischen Komponenten höchste Ansprüche gestellt, da Teile
von LINC-NIRVANA durch seinen Einsatz im infraroten Spektralbereich auf minus
196 Grad Celsius gekühlt werden müssen, um nicht durch Wärmestrahlung der
Umgebung "geblendet" zu werden. Auf diesem Gebiet der "Kryotechnologie" haben
sich die Wissenschaftler und Techniker am Max-Planck-Institut für Astronomie -
nicht zuletzt im Rahmen ihrer Beteiligung an großen wissenschaftlichen
Weltraumobservatorien - eine hervorragende Kompetenz erworben.
Dank der eindrucksvollen ersten Bilder wissen die Astronomen jetzt, dass sich
die über etwa 20 Jahre erstreckenden Planungs-, Entwicklungs- und Baumassnahmen
gelohnt haben und das 120-Millionen-Dollar-Projekt auf dem besten Wege ist, neue
Einblicke in den Kosmos zu eröffnen. Das war auch das große Ziel der Initiatoren
der deutschen Beteiligung am LBT, zu denen auch Prof. Günther Hasinger
(Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, früher AIP) und Prof. Dr.
Steven Beckwith (früher MPIA) gehören. Doch nicht nur die lange am Projekt
Beteiligten werden von den Beobachtungen am LBT profitieren. An allen
Partnerinstituten werden künftig Studenten und Nachwuchswissenschaftler
Gelegenheit haben, LBT-Daten zu analysieren und neue Beobachtungsprogramme zu
initiieren.
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