Sternenbeben auf SGR 1806-20
von
Hans Zekl
für
astronews.com
21. Juli 2005
Am Abend des 27. Dezember 2004 wurde ein ultraheller Gammablitz registriert,
dessen Ursprung auf der anderen Seite der Milchstraße lag: der Neutronenstern
SGR 1806-20. Untersuchungen eines internationalen Teams zeigten nun, dass der
Stern im Anschluss für mehrere Minuten von Beben erschüttert wurde. Forscher
erhoffen sich dadurch tiefere Einblicke in das Innere dieser exotischen
Himmelskörper.
Gammastrahlen-Ausbruch des Neutronensterns SGR 1806-20 am 27.
Dezember 2005 (künstlerische Darstellung).
Bild: NASA |
Neutronensterne sind dichte, schnell rotierende Kerne von Sternen, die am
Ende ihres Lebens in einer Supernova-Explosion die äußere Hülle absprengen,
während der Zentralbereich unter der Schwerkraft zusammenbricht. Die Materie
wird dabei so stark komprimiert, dass die Elektronen in die Atomkerne gepresst
werden und sich mit den Protonen zu elektrisch neutralen Neutronen verbinden. Am
Ende entsteht ein Gebilde, das die Masse unserer Sonne in einer Kugel mit etwa
20 Kilometern Durchmesser enthält. Ein Teelöffel seiner Materie würde mehrere
Millionen Tonnen auf der Erde wiegen.
Vermutlich befinden sich Millionen Neutronensterne in der Milchstraße. Die
meisten davon produzieren Magnetfelder, die milliardenfach stärker sind als das
der Erde. Aber Astronomen fanden inzwischen einige Neutronensterne – weniger als
ein Dutzend - in unserer Galaxis, deren Magnetfelder nochmals tausendmal stärker
sind, so genannte Magnetare.
Befände sich ein solches Objekt etwa in der Mitte zwischen Erde und Mond, könnte
es die Daten auf allen Kreditkarten löschen.
Die Magnetfelder zerren an der Kruste der Neutronensterne, bis diese
gelegentlich bricht. Bei diesen Sternbeben werden ungeheure Energiemengen frei,
die vorwiegend als Gammastrahlung erscheinen. Diese Strahlung ist noch
energiereicher und härter als Röntgenstrahlen. Von vier dieser Magnetare weiß
man, das es bei ihnen immer wieder zu solchen Erschütterungen kommt. Sie werden
deshalb Soft Gamma Repeater (SGRs) genannt, weil sie immer wieder eine
Serie von Gammastrahlungsausbrüchen zeigen.
Auch SGR 1806-20 gehört zu diesen SGRs. Alle sieben Sekunden rotiert er um
seine Achse. Doch seine Explosion kurz nach Weihnachten stellte alle bis dahin beobachteten
Ereignisse dieser Art in den Schatten. Im Röntgenbereich war der Blitz, der noch nicht
einmal eine Zehntelsekunde andauerte, so stark, dass die Detektoren aller
Röntgensatelliten geblendet wurden. Selbst nach einer Reise von rund 50.000
Lichtjahren war der Blitz immer noch heller als der Vollmond.
In der
Zehntelsekunde der Explosion gab der Stern so viel Energie ab, wie die Sonne in
150.000 Jahren. Die Strahlung, die vom Mond reflektiert wurde, wirkte sich so
stark auf die Ionosphäre der Erde, dass der Kurzwellenfunkverkehr gestört wurde.
Forscher vermuten, dass sich das zuvor extrem aufgewickelte Magnetfeld des
Sterns schlagartig neu konfigurierte und dabei ein unglaublich starkes
Sternbeben auslöste. Das Beben und die elektrischen Vorgänge während der
Neuordnung des Magnetfelds lieferten die gewaltigen Energiemengen.
Ein internationales Team unter der Leitung von GianLuca Israel vom Nationalen
Astrophysikalischen Institut Italiens entdeckte nun in den Röntgen-Daten des
Rossi X-Ray Timing Explorer (XRTE) der NASA, dass der Stern drei Minuten
nach der Explosion wie eine Glocke über 92-mal in der Sekunde vibrierte. Erst
nach rund zehn Minuten nahmen die Schwingungen ab.
"Die Explosion war ähnlich,
als würde man mit einem gigantischen Hammer auf den Neutronenstern einschlagen,
sodass er wie eine Glocke tönen würde," erläutert Teammitglied Richard
Rothschild vom Astrophysikalischen Zentrum der University of California.
"Die Frage ist nun, was die Schwingungen des Neutronensterns uns verraten. Sind
Neutronensterne nur ein Haufen Neutronen, die dicht an dicht sitzen? Oder
befinden sich in ihren Zentren exotische Teilchen wie Quarks?"
Bislang ist nur wenig über die Physik unter den extremen Bedingungen im
Inneren dieser Sternleichen bekannt. Wie Geologen Erdbebenwellen nutzen, um mehr
über das Innere unseres Planeten zu erfahren, hoffen nun die Astrophysiker, dass
ihnen dieses Sternbeben, mehr über die exotischen Zustände in Neutronensternen
verrät.
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