Segel setzen zu den Sternen
von Rainer Kayser
21. Juni 2005 (Update 22. und 23. Juni 2005)
"Es ist Zeit,
Segel zu setzen zu den Sternen", schrieb einst der Astronom und Autor Carl Sagan
- heute nun will die von ihm mitgegründete Planetary Society diese
Vision Wirklichkeit werden lassen: Mit Hilfe einer umgebauten
Interkontinental-Rakete soll Cosmos 1, eine mit einem Sonnensegel
ausgestattete Sonde, ins All geschossen werden. Und dies könnte erst der Anfang
sein.

Cosmos 1 im Weltall. Bild: NPO Lavochkin, The Planetary
Society |
Mit der Kraft des Sonnenlichts durchs All segeln – davon träumen
Weltraumforscher seit fast hundert Jahren. Nun soll dieser Traum erstmals
Wirklichkeit werden. Heute, am 21. Juni, will die amerikanische Planetary
Society, ein Verein von Raumfahrtenthusiasten, den Satelliten
Cosmos 1 ins All schießen. In 800 Kilometern Höhe soll er ein 600
Quadratmeter großes Sonnensegel entfalten, das den Satelliten – so die Hoffnung
- auf eine höhere Umlaufbahn trägt.
Das Segel besteht aus acht jeweils 15 Meter langen, wie bei einer Mühle
radial angeordneten Dreiecken. Diese "Windmühlenflügel" bestehen aus einer nur
fünf Tausendstel Millimeter dicken, mit Aluminium beschichteten Polyesterfolie.
Die Folie muss extrem dünn sein, damit die Gesamtmasse des Satelliten bei der
großen Fläche des Sonnensegels nicht zu groß wird.
Denn von der Größe des Segels
und der Masse des Satelliten hängt die Beschleunigung ab, die das Sonnenlicht dem
Raumfahrzeug verleiht. Licht besteht aus Teilchen, den so genannten Photonen.
Wenn das Segel diese Photonen reflektiert, übertragen sie Impuls und damit
Bewegungsenergie auf den Satelliten. Die Schubkraft des Sonnenlichts ist
allerdings äußerst schwach: Innerhalb eines ganzen Tages könnte das Segel eine
Raumsonde lediglich um 160 Kilometer pro Stunde beschleunigen.
Doch nach hundert Tagen könnte eine interplanetarische Raumsonde bereits
16.000 Kilometer pro Stunde erreichen, nach drei Jahren gar das Zehnfache –
damit wäre sie dreimal schneller als die Voyager-Sonde, die gerade die
Grenze unseres Sonnensystems erreicht hat. Per Sonnensegel ließe sich Pluto, der
äußerste Planet des Sonnensystems, in fünf Jahren erreichen, rechnet
Projektleiter Lou Friedman vor. Die NASA rechnet für ihre konventionell
angetriebene Pluto-Mission New Horizons dagegen mit mindestens der
doppelten Reisezeit.
Niemand weiß allerdings bislang, wie sich die hauchdünne Folie im Weltall
verhält. Vielleicht beginnt sie zu flattern oder Wellen zu schlagen wie die
Bespannung eines billigen Drachens bei zu starkem Wind. "Unser Ziel ist
bescheiden", erklärt Friedman deshalb, "wir wollen zeigen, dass das Segel
funktioniert, dass es uns Schub gibt, um auf eine höhere Umlaufbahn zu kommen.
Und das es sich steuern lässt."
Wenn Cosmos-1 dieses Erwartungen erfüllt, ist ein weiteres Experiment
geplant: Vom Erdboden aus will der Physiker und Science Fiction-Romanautor
Gregory Benford mit einer Radioantenne einen 450 Kilowatt starken, gebündelten
Mikrowellenstrahl auf das Segel richten. Der Strahl soll dem Satelliten einen
zwar kleinen, aber messbaren zusätzlichen Schubs geben.
Denn in diesem Verfahren
liegt, so glauben Friedman und Benford, die Zukunft der Raumfahrt. Jenseits der
Bahn des Jupiters ist das Sonnenlicht zu schwach, um Raumsonden genügend Antrieb
zu geben. Aber wenn das Sonnenlicht zu schwach wird, könnten gebündelte
Mikrowellen oder Lasterstrahlen die nötige Schubkraft liefern.
Update (22. Juni 2005): Cosmos 1 ist planmäßig vom russischen
U-Boot Borisoglebsk in der Barentssee gestartet worden. Allerdings sprachen
einige während des Fluges der Rakete empfangene Daten dafür, dass es eventuell
Probleme mit einer Raketenstufe gab und Cosmos 1 die Umlaufbahn nicht
erreicht hat.
Auch wartete man zunächst vergeblich auf ein Signal des
Raumschiffes. Inzwischen glaubt man allerdings, ein Signal von Cosmos 1
empfangen zu haben, so dass man bei der Planetary Society inzwischen
annimmt, dass das Raumschiff einen Orbit erreicht hat - vermutlich allerdings
nicht den Orbit, den man eigentlich erreichen wollte.
Update (23. Juni 2005): Die empfangenen Signale stammen nach Aussage
der Planetary Society höchstwahrscheinlich nicht von Cosmos 1.
Nach russischen Angaben gab es einen Fehler in der ersten Stufe der Volna-Rakete.
Somit kann Cosmos 1 nicht den korrekten Orbit erreicht haben und ist sehr
wahrscheinlich abgestürzt. Es gibt jedoch eine winzige Chance, dass es das
Raumschiff doch in einen niedrigeren Orbit geschafft hat. Dann sollte sich nach
vier Tagen automatisch das Sonnensegel entfalten.
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