Eisvulkane auf Saturnmond Titan?
Redaktion / DLR
astronews.com
9. Juni 2005
Einen ersten Verdacht gab es schon kurz nach der Landung von Huygens
auf dem Saturnmond Titan. Jetzt lieferten Spektrometerdaten, die von der
NASA-Raumsonde Cassini am größten Trabanten des Ringplaneten
aufgezeichnet wurden, weitere Indizien: Auf Titan gibt es möglicherweise
Vulkane. Sie spucken allerdings keine normale Lava, sondern eine Mischung aus
Methan, Kohlendioxid, Wassereis und vielleicht Ammoniak.

Das Spektrometer VIMS an Bord von Cassini nahm das
"Schneckenhaus", dessen Durchmesser etwa 30 Kilometer beträgt,
in hoher Auflösung und in mehreren Wellenlängen auf, die einen
Blick auf die Titanoberfläche gestatten. Die Bilder der oberen
mittleren Reihe zeigen die Struktur, die ein Eis- oder "Kryovulkan"
sein könnte, in verschiedenen "atmosphärischen Fenstern", also
durch Filter, durch die ein Blick auf die Titan-Oberfläche
möglich ist. Die Wellenlänge der Filter ist unter den Bildern in
Mikrometern, also tausendstel Millimetern, angegeben. Das untere
Schwarzweißbild und das Farbbild sind "Ratios", bei denen die
Bilddaten zweier oder mehrerer jeweils spezifischer Filter
zueinander in Relation gesetzt werden, um Strukturen besser
darstellen zu können. Die Linie A-B (siehe Vergrößerung unten)
zeigt an, wo das VIMS-Team entlang eines Geländeprofils die
lokalen Höhenunterschiede, die Topographie untersucht hat.
Bild: Nature/Cassini VIMS Team
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Am Rand eines größeren, dunklen Gebiets namens Xanadu entdeckten die
Wissenschaftler des Cassini-Spektrometer-Teams eine auffallende, 30
Kilometer große und mehrere hundert Meter hohe Formation, die aus der
Perspektive der Raumsonde an ein Schneckenhaus erinnert, und in deren Mitte eine
Vertiefung zu sehen ist.
"Nur ein vulkanischer Dom mit einer zentralen Caldera,
einem Förderschlot, wie wir es bei irdischen Vulkanen häufig sehen, kann diese
Landschaftsform plausibel erklären", so Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR), der gemeinsam mit seinem Kollegen Christophe Sotin
von der Universität Nantes in Frankreich über die Datenauswertung in der
aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature berichtet.
Die beobachtete Struktur befindet sich etwa drei Grad nördlich des
Titan-Äquators bei 142 Grad westlicher Länge und scheint sich kuppelförmig
einige hundert Meter über die Umgebung zu erheben. "Etwas Ähnliches haben wir
noch auf keinem anderen Eismond im Sonnensystem gesehen", so Ralf Jaumann.
"Unsere bevorzugte Interpretation ist, dass aus diesem Berg Methan aus dem
Untergrund auf die Oberfläche austritt und in die Titan-Atmosphäre entweicht."
Bei ihrer Interpretation der merkwürdigen "Schneckenhaus-Struktur"
untersuchten die Forscher auch die Möglichkeit, ob es sich dabei um ein
wetterbedingtes Phänomen in der Atmosphäre des Titan handeln könnte,
beispielsweise einen spiralförmigen Wolkenwirbel, den VIMS (Visible and
Infrared Mapping Spectrometer) aufgenommen hat. Wolken konnten jedoch mit
ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, da sich die "Schnecke" auch noch 48
Tagen später, während des nächsten Vorbeiflugs von Cassini am Titan, mit
identischem Umriss an derselben Stelle befand.
Die Wissenschaftler vermuten, dass sich die Struktur in einer Gegend
befindet, in der die Titan-Kruste unter erhöhter Spannung steht und so an einem
tektonischen Bruch Material aus dem Untergrund nach oben gedrückt wurde. Das
feine Hell-Dunkelmuster der "Schnecke" könnte von Gräben oder Rillen an dem
Eisvulkan herrühren, in denen das austretende Material geflossen ist.
Wegen der niedrigen Temperaturen auf dem Titan von minus 180 Grad Celsius
würde die Kohlenwasserstoffverbindung Methan (CH4) als Eisregen auf die
Oberfläche herabrieseln. Neben Methan könnten auch Kohlendioxid, Wassereis oder
Ammoniak Bestandteile der "Kryo-Lava" sein. Kombinationen dieser Verbindungen
können den Gefrierpunkt herabsetzen und ein Gemisch aus unterschiedlichen, noch
nicht wieder gefrorenen Flüssigkeiten könnte sich über die Oberfläche bewegen.
Planetengeologen sind seit vielen Jahren auf der Suche nach einer Bestätigung
von Theorien, die besagen, dass aus dem wärmeren Inneren der Eismonde von Saturn
oder auch Jupiter und Neptun Flüssigkeiten an die Oberfläche dringen könnten und
dort in "Kryovulkanen" (Kryos ist das griechische Wort für Eis) austreten, die
Umgebung überprägen und rasch gefrieren. Anschaulich könnte ein solcher
Kryovulkan ähnlich funktionieren wie die Geysire in vulkanisch aktiven Zonen auf
der Erde, oder aber - dann weniger explosiv - Flüssigkeit wie ein irdischer
Lavastrom austreten.
Die Wärme, die für ein teilweises Aufschmelzen des Titan-Inneren notwendig
ist, könnte von Gezeitenreibung herrühren. Wegen seiner nicht perfekten
Kreisbahn um Saturn ist der etwas über 5000 Kilometer große Mond
unterschiedlichen Schwerefeld-Einflüssen ausgesetzt, die zu erheblichen
Spannungen in seinem Inneren führen und Reibungswärme erzeugen.
Weiter zum zweiten Teil: Titan in 352 Farben
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