Zum Mars und zurück in 90 Tagen
von Stefan
Deiters
astronews.com
11. Mai 2005
Das
größte Problem für eine bemannte Mission zum Mars ist die lange Reisezeit: Rund
sechs Monate wären die Astronauten mit herkömmlichen Raumschiffen unterwegs -
und das nur für den Hinweg. Mit einem neuen Verfahren, das am NASA Institute
for Advanced Concepts studiert wurde, könnte man die Reisezeit dramatisch
verkürzen. Das Raumschiff würde dabei quasi auf einem gebündelten Plasmastrahl
reiten.
Von einer Raumstation im Erdorbit wird ein Raumschiff mittels
eines Plasmastrahls beschleunigt. Unten ein künstlerische
Darstellung einer Magbeam-Düse. Bilder: University of
Washington / Robert Winglee
|
Mit dem von Dr. Robert Winglee von der University of Washington
vorgeschlagenen Magnetized Beam Plasma Propulsion-System, kurz Magbeam,
könnte man eine Marsexkursion in insgesamt 90 Tagen bewerkstelligen - und diese
Zeit umfasst Hin- und Rückweg sowie die Untersuchungen auf dem Mars selbst. Das
Konzept sieht vor, dass Raumstationen für die Produktion von gebündelten
Strahlen aus ionisiertem Gas genutzt werden, die diesen Plasmastrahl dann zu
einem Raumschiff feuern.
Dieses Raumschiff produziert sein eigenes Magnetfeld,
das das Plasma ablenkt. Das Raumschiff erhält dadurch einen gewissen Schub. Am
Ende der Reise müsste sich eine weitere Raumstation befinden, die einen
Bremsstrahl erzeugt und auch den nötigen Plasmastrahl für die Rückreise
bereithält.
Forschungen für dieses Konzept wurden vom NASA Institute for Advanced
Concepts (NIAC) finanziert, das 1998 gegründet wurden, um zukunftsweisenden
Konzepten für die Erforschung des Weltalls eine Chance zu geben. Die hier
studierten Vorschläge beinhalten Technologien, deren Entwicklung sich erst in
der Anfangsphase befindet, so dass niemand erwartet, dass ein am NIAC
diskutiertes Konzept innerhalb des nächsten Jahrzehnts realisiert wird.
Antrieb mit Plasma ist im Prinzip nicht neu: Der Ionenantrieb beispielsweise,
mit dem auch die ESA-Mondsonde SMART-1 angetrieben wird, arbeitet äußerst
effektiv und kann eine Sonde zu relativ hohen Geschwindigkeiten beschleunigen.
Allerdings ist der Schub sehr gering, so dass man recht lange warten muss, bis
eine wirklich hohe Geschwindigkeit erreicht wird - für bemannte Raumfahrt also kaum praktikabel.
Das Magbeam-Konzept umgeht das Problem, indem es
Raumschiff und Antrieb trennt. "Der entscheidende Durchbruch für unser System
gelang, als wir die recht aufwendige Produktion der Plasmaerzeugung vom
Raumschiff getrennt haben", erläutert Winglee. "Genau so wie man einen Stuhl
leichter schieben kann als ein Klavier, ist das Raumschiff nun sehr viel
leichter, bekommt aber den gleichen Schub, so dass es schneller größere
Geschwindigkeiten erreicht." Außerdem wird bei Magbeam ein rund 100-mal
dichteres Plasma erzeugt als bei einem herkömmlichen Ionen-Triebwerk. Und dieses
führt nochmals zu einem größeren Schub.
Eine Marsmission mit Magbeam könnte dann so aussehen: Das
Mars-Raumschiff würde bei einer günstigen Konstellation der Planeten zunächst in
eine Erdumlaufbahn gebracht. Die Magbeam-Station, im Konzept High
Power Platform (HPP) genannt, feuert dann für vier Stunden einen
Plasmastrahl in Richtung des Raumschiffs, wodurch es auf rund 20 Kilometer pro
Sekunde beschleunigt wird. Nach rund 50 Tagen ist das Ziel fast erreicht und
eine zweite HPP im Marsorbit feuert einen Bremsstrahl auf das ankommende
Raumschiff, das darauf in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken kann.
Nach einer elftägigen Erkundungstour auf dem Mars wird das Raumschiff wieder
Richtung Erde beschleunigt. Die Rückreise dauert, wegen der günstigeren
Konstellation der Planeten, diesmal nur 35 Tage. In der Zeit, in der die HPP
nicht zum Bremsen oder Beschleunigen von Raumschiffen benötigt werden, könnten
sie mittels Solarenergie ihre Batterien aufladen. Zudem müssten sie mit Hilfe
ihrer eigenen Plasmastrahlen den eigenen Orbit korrigieren, um in der richtigen
Umlaufbahn zu bleiben.
Das größte Problem des Magbeam-Konzeptes besteht darin, einen
Plasmastrahl über eine möglichst große Strecke gebündelt zu halten. Andere
natürlich im Sonnensystem vorkommende Plasmen, wie etwa der Sonnenwind, würden
die von Magbeam benutzten Plasmastrahlen stören. "Am Ende der
Beschleunigungsphase würde das Raumschiff mehrere 10.000 Kilometer von der HPP
entfernt sein", so Winglee. "Wir glauben aber, dass das ein lösbares Problem
darstellt, da auch die Natur Plasmastrahlen erzeugt, die ähnliche Längen haben.
Zudem ist unser Plasmastrahl deutlich dichter als natürliches Plasma."
Die Vorteile des Magbeam-Konzeptes liegen auf der Hand: Nach hohen
Anfangsinvestitionen für den Aufbau der HPP hätte man ein wieder verwendbares
System zur Verfügung, mit dem man effizient und schnell Raumsonden durch das
Sonnensystem schicken kann. Erste Berechnungen belegen das: Um ein Raumschiff
mit zehn Tonnen Gewicht zum Mars auf 20 Kilometer pro Sekunde zu beschleunigen,
benötigt Magbeam rund sieben Tonnen an Treibstoff. Ein herkömmlicher
Antrieb würde 18.000 Tonnen benötigen. Da jedes Kilo, das ins All transportiert
wird, derzeit mit rund 10.000 Dollar veranschlagt wird, ist klar, wie groß
allein hier die Ersparnis sein kann - wenn das System erst einmal installiert
ist.
|