Gletscher und dramatischer Klimawandel
Redaktion
astronews.com
21. März 2005
Noch
vor wenigen Millionen Jahren könnte die Marsoberfläche von Gletschern geprägt
gewesen sein. Darauf deuten jedenfalls Bilder hin, die mit der vom DLR betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der
ESA-Raumsonde Mars Express gemacht wurden. Stimmt die Theorie der
Wissenschaftler, muss es erst vor kurzer Zeit einen dramatischen Klimawechsel
auf dem Mars gegeben haben und Reste der Gletscher könnten sich immer noch im
Untergrund finden.

Diese ungewöhnliche Struktur
(perspektivische Ansicht) mit Spuren eines früheren Gletschers
befindet sich am Ostrand der Hellas-Tiefebene. Aus einem 3.500
Meter hohen Bergmassiv strömte ein so genannter Blockgletscher,
ein Eisstrom mit einem hohen Anteil an Felsschutt, zunächst in
einen neun Kilometer großen schüsselförmigen Einschlagkrater
(links), der dadurch fast bis zum Rand aufgefüllt wurde. Wie ein
zäher, schlieriger Brei schob sich der Blockgletscher,
begünstigst durch das Gefälle, weiter in einen 500 Meter tiefer
gelegenen, 17 Kilometer durchmessenden Krater. In Anlehnung an
die ungewöhnliche Form und dem von oben nach unten durch den
"Flaschenhals" verlaufenden Strömungsmuster wurde das bislang
namenlose Kraterpaar von den Forschern "Stundenglaskrater"
getauft. Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum) [Großansicht] |
Die Marsoberfläche wurde bis vor wenigen Millionen Jahren auch in mittleren
Breiten und sogar in Äquatornähe von Gletschern geprägt. Noch heute könnte
Wassereis in geringer Tiefe als "fossiles" Überbleibsel dieser Gletscher
anzutreffen sein. Dies geht aus zwei Artikeln hervor, die von James W. Head von
der Brown University in Providence (Rhode Island, USA) und Ernst Hauber,
einem Planetengeologen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in
Berlin, sowie einer Gruppe von Co-Autoren verschiedener Institutionen verfasst
wurden.
Die Aussagen stützen sich auf die Auswertung von hochauflösenden Bildern
der Marsoberfläche, die von der vom DLR betriebenen Stereokamera HRSC an Bord
der ESA-Raumsonde Mars Express aufgenommen wurden. Die Autoren sind
Mitglieder des internationalen HRSC-Wissenschaftsteams, das von Gerhard Neukum
(Freie Universität Berlin) geleitet wird. Die Ergebnisse wurden am 17. März 2005
in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Die Oberflächenstrukturen wurden in Aufnahmen der deutschen High
Resolution Stereo Camera (HRSC) identifiziert, die seit mehr als einem Jahr
an Bord der Mars Express-Sonde den Roten Planeten umkreist und unseren
Nachbarplaneten in hoher Auflösung, in Farbe und in "3D" fotografiert. Sie
zeigen Fließformen, die vermutlich von Gletschern oder "Blockgletschern" (einer
Mischung aus Eis und Gesteinsbruchstücken unterschiedlicher Größe) gebildet
wurden. Man bezeichnet Strukturen, deren Herkunft von Gletschern herrührt, in
der Geologie als glazial.
Zahlreiche konzentrische Höhenrücken erinnern an so genannte Endmoränen:
Geröllwälle, die ein wachsender Gletscher vor sich herschiebt und dann nach
seinem Rückzug zurückbleiben. Außerdem sind parallele Streifen zu sehen, die von
den Autoren als Mittelmoränen interpretiert werden, welche die Fließrichtung der
Gletscher anzeigen. An Stellen, wo die Gletscher über steilere Geländeabschnitte
führten, sind Spalten zu erkennen: In ähnlicher Weise entstehen in Gletschern
auf der Erde Spalten in einem Eisbruch, wo die Spannungen innerhalb des Eises
wegen des größeren Gefälles und des unebenen Geländes zunehmen.
Weitere glaziale Merkmale sind längliche, mehrere Kilometer lange, parallele
Riefen und langgezogene Hügel, die auf den Oberflächen von Bergrücken in einiger
Entfernung zu den möglicherweise vergletscherten Gebieten beobachtet werden. Die
Hügel ähneln so genannten Drumlins, dem gälischen Wort für Strukturen, die unter
dem Eis durch die Bewegung des Gletschers und das dadurch bedingte
Zusammenschieben und Aufhäufen abgeschürften Materials entstehen. Auf der Erde
treten Drumlins in ehemaligen eiszeitlichen Regionen wie dem bayerischen
Voralpenland auf. "Wir sehen hier eine ganze Reihe glazialer Strukturen in einem
konsistenten räumlichen Zusammenhang. Das festigt unsere Überzeugung, hier
tatsächlich frühere Marsgletscher zu sehen", sagt Hauber.
Besonders interessant ist das Alter der glazial geprägten Oberflächen auf dem
Mars. Diese sehen in weiten Gebieten der von den Autoren entdeckten ehemaligen
Vergletscherung ziemlich "intakt" aus, denn typische Anzeichen für massiven
Eisverlust - wie zum Beispiel Einsturzkrater oder so genannte "Toteislöcher"
(rundliche Hohlformen mit bis zu mehreren hundert Meter Durchmesser), wie sie in
heute eisfreien Gegenden Islands anzutreffen sind - fehlen fast vollständig.
Die
statistische Auswertung der Anzahl von Kratern, die dort durch
Meteoriteneinschläge entstanden sind und zur Altersbestimmung der Flächen
herangezogen werden, zeigt, dass die Landschaft in ihrer heutigen glazialen
Ausprägung zum Teil erst vor einigen Millionen Jahren entstanden ist. In der
Planetengeologie gelten solche Alter als extrem jung.
Eis ist an der Marsoberfläche in diesen Breitengraden unter der
gegenwärtigen, extrem dünnen Marsatmosphäre über längere Zeiträume nicht stabil.
Es würde bei dem herrschenden geringen Luftdruck sublimieren, also direkt vom
festen in den gasförmigen Zustand übergehen, und dann aus der Atmosphäre ins All
entweichen - auch wenn es heute am Äquator des Mars in der Theorie kalt genug
ist für die Existenz von Gletschern: Selbst an einem Sommertag steigt die
Temperatur maximal auf etwa 20 Grad Celsius; in den Nächten und vor allem im
Winter sinken die Temperaturen oft auf unter minus 50 Grad Celsius ab.
Die Gletscher müssen sich also bis vor wenigen Millionen Jahren in einer
damals anderen, einer wärmeren und vielleicht auch dichteren Atmosphäre gebildet
haben und wurden dann inaktiv oder bildeten sich mangels Eisnachschubs zurück.
Seither werden sie von einer dünnen Oberflächenschicht aus Staub vor Sublimation
geschützt. Staub ist auf dem Mars fast allgegenwärtig und würde auch erklären,
warum das möglicherweise in nur wenigen Metern Tiefe noch heute vorhandene
"fossile" Eis nicht von anderen Instrumenten wie beispielsweise Spektrometern
entdeckt werden kann.
Treffen die Schlussfolgerungen der Forscher zu, weisen die Resultate auf
einen Klimawechsel auf dem Mars innerhalb der letzten Millionen Jahre hin.
Derart dramatische Klimawechsel werden seit vielen Jahren in der Marsforschung
diskutiert und könnten ihre Ursache in einer im Lauf der Jahrmillionen um große
Neigungswinkel schwankenden Polachse des Mars haben, ein seit längerem bekanntes
Phänomen. Die Entschlüsselung der Klimageschichte des Mars ist eine der
Hauptfragen, die mit den aktuellen Marsmissionen wie Mars Express geklärt
werden soll. Die Forscher interessiert vor allem, wann und über welche Zeiträume
auf dem Mars Wasser und Eis vorhanden waren.
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